N 39
Vollständige Signatur
AdJb, N 39
Bestand
Identifikation (kurz)
Titel
Titel
Uffrecht, Bernhard (1885-1959)
Bestandsdaten
Bestandsgeschichte
Bestandsgeschichte
Zugang 1994.
Der Nachlass von Bernhard Uffrecht wurde in 478 Verzeichnungseinheiten unterteilt. Er enthält neben den zahlreichen persönlichen Dokumenten und der privaten wie geschäftlichen Korrespondenz eine Fülle von Materialien, die Aufschluss über das Leben in den unterschiedlichsten Schulformen geben. Den umfangreichsten Teil bilden die Dokumente zur Programmatik, Entstehung, Organisation und zum Unterricht der Freien Schul- und Werkgemeinschaft Letzlingen. Darüber hinaus enthält der Nachlass aber auch zahlreiche Unterlagen zur praktischen Arbeit der Freien Schulgemeinde Wickersdorf vor 1917, unter anderem auch zu den erbitterten Auseinandersetzungen um die Person Gustav Wynekens, ausgewählte Dokumente zur pädagogischen Arbeit in Schloss Salem zur Zeit des Zweiten Weltkrieges und Dokumente zur Schulgeschichte in der sowjetischen Besatzungszone.
Der Nachlass von Bernhard Uffrecht wurde in 478 Verzeichnungseinheiten unterteilt. Er enthält neben den zahlreichen persönlichen Dokumenten und der privaten wie geschäftlichen Korrespondenz eine Fülle von Materialien, die Aufschluss über das Leben in den unterschiedlichsten Schulformen geben. Den umfangreichsten Teil bilden die Dokumente zur Programmatik, Entstehung, Organisation und zum Unterricht der Freien Schul- und Werkgemeinschaft Letzlingen. Darüber hinaus enthält der Nachlass aber auch zahlreiche Unterlagen zur praktischen Arbeit der Freien Schulgemeinde Wickersdorf vor 1917, unter anderem auch zu den erbitterten Auseinandersetzungen um die Person Gustav Wynekens, ausgewählte Dokumente zur pädagogischen Arbeit in Schloss Salem zur Zeit des Zweiten Weltkrieges und Dokumente zur Schulgeschichte in der sowjetischen Besatzungszone.
Geschichte des Bestandsbildners
Geschichte des Bestandsbildners
Bernhard Uffrecht wurde am 27. Februar 1885 als Sohn des Fabrikbesitzers Heinrich Uffrecht (1842 - 1919) und seiner Frau Anna, geb. Schwartz, in Neuhaldensleben geboren. Sein Vater leitete einen Betrieb für keramische Industrie und Tonwaren in Neuhaldensleben in der zweiten Generation; begründet hatte das Unternehmen der Großvater, Jakob Uffrecht (1817 - 1892). Nachdem er sich mit den Schriften des Politikers und Publizisten Ferdinand Lassalle (1825 - 1864), des Vorsitzenden des Verbandes deutscher Arbeitervereine August Bebel (1840 - 1913) und des englischen Sozialreformers Robert Owens (1771 - 1858) auseinandergesetzt hatte, führte Heinrich Uffrecht zahlreiche soziale Reformen ein und schuf soziale Einrichtungen für die Arbeiterschaft seiner Fabrik (vgl. Dörge 1991).
Nach dem Abitur im Jahre 1903 studierte Bernhard Uffrecht zunächst Theologie in Halle, immatrikulierte sich dann aber für das Studium der Mathematik. An den Universitäten Jena, Tübingen, Straßburg, München und Göttingen setzte er seine vorwiegend naturwissenschaftlichen und mathematischen Studien bei dem Physiker Arnold Sommerfeld (1868 - 1951), den Mathematikern David Hilbert (1862 - 1943), Ernst Zermelo (1871 - 1953), Hermann Minkowski (1864 - 1909) sowie Richard Courant (1885 - 1972) fort. Das Staatsexamen in angewandter und theoretischer Mathematik sowie in Physik legte Uffrecht 1911 an der Universität Göttingen bei dem Mathematiker Felix Klein (1849 - 1925) ab. Felix Klein, der sich nachhaltig für die Modernisierung des Mathematik- und des naturwissenschaftlichen Unterrichts in den Schulen einsetzte ('Kleinsche Reform'), veranlasste seinen Schüler zu einem Besuch der 1906 von Gustav Wyneken (1875 - 1964) gegründeten und zunächst geleiteten Freien Schulgemeinde Wickersdorf mit dem Auftrag, sich ein Bild von dem dort erteilten Unterricht zu machen.
Dieser Besuch sollte einschneidende Folgen für Bernhard Uffrechts weiteres Leben haben. Bernhard Uffrecht blieb sechs Jahre lang in der Internatsschule Wickersdorf und war dort als Lehrer tätig. Zeitgleich mit Uffrecht wirkten in Wickersdorf der Theaterpädagoge Martin Luserke (1880 - 1968), der 1924 die Schule am Meer auf Juist gründete, der Musikpädagoge August Halm (1869 - 1929), der Theologe Bernhard Hell (1877 - 1955), der 1930 das evangelische Landerziehungsheim Urspring bei Schelklingen gründete, und Paul Geheeb (1870 - 1961), der 1910 zusammen mit seiner Frau Edith Cassirer (1885 - 1982) die Odenwaldschule in Oberhambach bei Heppenheim gründete. Als sich der Leiter der Freien Schulgemeinde Wickersdorf, Martin Luserke, freiwillig zum Kriegsdienst meldete, übernahm Uffrecht auf Wunsch des Lehrerkollegiums die Leitung der Schule. Während seiner Tätigkeit in Wickersdorf lernte er nicht nur die herausragenden Reformpädagogen des 20. Jahrhunderts, sondern auch seine spätere Ehefrau Ini Schiff (1898 - 1961) kennen. Hermine Anita Schiff, genannt Ini, hatte zunächst in Berlin die 1906 gegründete Hauslehrerschule des Reformpädagogen Berthold Otto (1859 - 1933) besucht und dann 1913 auf dem Treffen auf dem Hohen Meißner bei Kassel Gustav Wyneken sowie einige Schüler der Freien Schulgemeinde Wickersdorf kennengelernt. Daraufhin hatte sie beschlossen, fortan diese Schule zu besuchen. In Wickersdorf trat Ini Schiff in die Kameradschaft von Bernhard Uffrecht ein. Als nach dem Ende des Ersten Weltkrieges Gustav Wyneken wieder die Leitung der Freien Schulgemeinde Wickersdorf übernahm, verließ Uffrecht die Einrichtung. Gemeinsam mit ihm verließen zwei Lehrer, fünf Schüler und zwei Schülerinnen Wickersdorf. Eine von ihnen war Ini Schiff, die Uffrecht im Jahr 1920 heiratete.
1919 publizierte Uffrecht seine programmatische Schrift "Die Gründung der freien Schul- und Werkgemeinschaft als Mittel zur Befestigung des neuen Staates und Schaffung eines neuen deutschen Geisteslebens". Zur praktischen Umsetzung seiner Erziehungsideale gründete Uffrecht am 24. April 1919 die Freie Schul- und Werkgemeinschaft (FSWG) als eine Organisationsform menschlichen Miteinanders, in der sich die schöpferischen, die kognitiven und die sittlichen Kräfte des Menschen frei entfalten sollten. Die Schul- und Werkgemeinschaft - bestehend aus zwei Lehrern, fünf Schülern und zwei Schülerinnen - bezog zunächst das 'Jägerhaus' am Eingang des Fürstenlagers bei Auerbach an der Bergstraße; das Haus war von den Eltern eines Schülers zur Verfügung gestellt worden. Die kleine Lebens- und Lerngemeinschaft war nach Uffrecht 'entschlossen, sich an der Wiederaufrichtung des niedergebrochenen Deutschland durch Entwicklung eigener Widerstandskraft gegen alle äußere und innere Not zu betätigen.' (Uffrecht 1924, S. 138) Bereits nach einem halben Jahr zog die Schul- und Werkgemeinschaft auf den Sinntalhof bei Bad Brückenau in der Rhön um, und im Frühjahr 1920 übersiedelte die Gemeinschaft ins Jagdschloss Dreilingen am Wannsee bei Potsdam. Schon bald erwiesen sich die dortigen Räumlichkeiten als zu beengt, so dass man im Januar 1922 das Schloss Letzlingen in Sachsen-Anhalt bezog.
Die Schüler, Lehrer und Hausangestellten hatte sich eine Verfassung gegeben und verwaltete sich durch die Organe 'Urgemeinde' und 'Vollversammlung' selbst. Die praktischen Arbeiten, wie die Renovierung und Einrichtung der Gebäude, die Pflege und Bestellung des Gartens, die Betreuung der Nutztiere, Nahrungsbeschaffung und Kontenführung waren für alle Mitglieder der Gemeinschaft selbstverständliche Pflichten. Die kostengünstige Verwaltung erlaubte einen hohen Anteil an Freistellen. Der Unterricht wurde nicht in Jahrgangsklassen, sondern in Gruppen erteilt, der Lehrplan war inhaltlich dem einer preußischen Oberrealschule angepasst. Neben den dort ausgewiesenen Unterrichtsfächern waren der Musikunterricht und die Teilnahme am Chorsingen obligatorisch. Außerdem wurde in der hauseigenen Tischler- und Schlosserwerkstatt handwerklicher Unterricht erteilt, der mit dem Gesellenbrief abgeschlossen werden konnte. Neben dem Pflichtunterricht gab es zahlreiche freiwillige Kursangebote, musisch-ästhetische Bildung und vielfältige Aktivitäten in der Freizeit. Dass die Einrichtung akzeptiert wurde, zeigt sich daran, dass die Freie Schul- und Werkgemeinschaft 1924 schon von 61 Schüler und Schülerinnen besucht wurde, neben den internen Schülern auch 16 Schüler aus Letzlingen und Umgebung (Uffrecht 1924, S. 155).
Ostern 1933 wurde das Gelände von den Nationalsozialisten besetzt und am 26. April 1933 durch die Verfügung des Oberpräsidenten der Provinz Sachsen aufgelöst; das private Vermögen der Familie wurde beschlagnahmt. Zu diesem Zeitpunkt gehörten 61 Schüler und 19 Schülerinnen sowie 17 Erwachsene der Schulgemeinschaft an.
Bernhard Uffrecht und seine Frau Ini sowie die drei Söhne Hans Peter (1921-1992), Bernhard Ludwig (1923 - 1997) und Ulrich (1928-2021) wohnten fortan bei Bernhard Uffrechts älterem Bruder Martin Uffrecht (1874 - 1934) in Neuhaldensleben. Zwischen 1933 und 1939 wurde Bernhard Uffrecht mit Berufsverbot belegt. 1936 reiste er nach England, besucht Kurt Hahn (1886 - 1974) in Gordonstoun in Schottland und lehrte an der 1928 gegründeten Bryanston School in Blandford/Dorset. Nach Kriegsbeginn war es ihm dann kurzzeitig möglich, in der von Kurt Hahn (1886 - 1974) 1920 im Auftrag von Prinz Max von Baden (1867 - 1929) eingerichteten Internatsschule Schloss Salem als Lehrer zu arbeiten. Als die SS die Schule übernahm wurde (vgl. Koeppen 1967), wurde die Lehrerlaubnis für Bernhard Uffrecht aufgehoben.
Als Teil der sowjetischen Besatzungszone gehörte Neuhaldensleben fortan zum Land Sachsen-Anhalt, Regierungsbezirk Halle an der Saale. Uffrecht übernahm im Sommer die Leitung der städtischen Heimoberschule Neuhaldensleben und war Mitglied der 'Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion'. In dieser Zeit verfasste er die nur in wenigen Exemplaren vorhandene hektographierte Schrift Deutschlands Abtrünnigkeit von den Idealen seiner Klassiker, ihre politischen Folgen, in der er unter anderem die Rückbesinnung auf die Ideale der Aufklärung und der deutschen Klassik fordert.
Nach Unstimmigkeiten und politischen Auseinandersetzungen wurde Uffrecht im Juli 1949 durch das NKWD (Volkskommissariat für innere Angelegenheiten) inhaftiert. Nach der Freilassung flüchtete Uffrecht nach West-Berlin und von dort aus weiter nach Hannover. Hier war er kurzzeitig als Aushilfskraft an der Helene-Lange-Schule tätig. Weitere eigene Schulgründungen - angedacht war der Aufbau einer Werk- und Schulgemeinschaft in Weddermöde in der Lüneburger Heide - scheiterten unter anderem auf Grund des fortgeschrittenen Alters und des sich verschlechternden Gesundheitszustandes Uffrechts. Die folgenden Lebensjahre waren von wirtschaftlicher Not und Krankheit geprägt. Bernhard Uffrecht starb am 24. Januar 1959 in Hannover. Seine Frau Ini verstarb am 18. November 1961 ebenfalls in Hannover.
Der Nachlass gewährt keineswegs nur Einblick in das bewegte Leben des Pädagogen und Schulleiters Bernhard Uffrecht, er ermöglicht auch die Auseinandersetzung mit dem - vermutlich weitgehend unbekannten - Musiker und Komponisten Bernhard Uffrecht. Enthalten sind neben den zahlreichen von Uffrecht gedichteten Liedtexten und Gedichten auch seine Vertonungen derselben sowie Kompositionen für Instrumentalmusik.
Nach dem Abitur im Jahre 1903 studierte Bernhard Uffrecht zunächst Theologie in Halle, immatrikulierte sich dann aber für das Studium der Mathematik. An den Universitäten Jena, Tübingen, Straßburg, München und Göttingen setzte er seine vorwiegend naturwissenschaftlichen und mathematischen Studien bei dem Physiker Arnold Sommerfeld (1868 - 1951), den Mathematikern David Hilbert (1862 - 1943), Ernst Zermelo (1871 - 1953), Hermann Minkowski (1864 - 1909) sowie Richard Courant (1885 - 1972) fort. Das Staatsexamen in angewandter und theoretischer Mathematik sowie in Physik legte Uffrecht 1911 an der Universität Göttingen bei dem Mathematiker Felix Klein (1849 - 1925) ab. Felix Klein, der sich nachhaltig für die Modernisierung des Mathematik- und des naturwissenschaftlichen Unterrichts in den Schulen einsetzte ('Kleinsche Reform'), veranlasste seinen Schüler zu einem Besuch der 1906 von Gustav Wyneken (1875 - 1964) gegründeten und zunächst geleiteten Freien Schulgemeinde Wickersdorf mit dem Auftrag, sich ein Bild von dem dort erteilten Unterricht zu machen.
Dieser Besuch sollte einschneidende Folgen für Bernhard Uffrechts weiteres Leben haben. Bernhard Uffrecht blieb sechs Jahre lang in der Internatsschule Wickersdorf und war dort als Lehrer tätig. Zeitgleich mit Uffrecht wirkten in Wickersdorf der Theaterpädagoge Martin Luserke (1880 - 1968), der 1924 die Schule am Meer auf Juist gründete, der Musikpädagoge August Halm (1869 - 1929), der Theologe Bernhard Hell (1877 - 1955), der 1930 das evangelische Landerziehungsheim Urspring bei Schelklingen gründete, und Paul Geheeb (1870 - 1961), der 1910 zusammen mit seiner Frau Edith Cassirer (1885 - 1982) die Odenwaldschule in Oberhambach bei Heppenheim gründete. Als sich der Leiter der Freien Schulgemeinde Wickersdorf, Martin Luserke, freiwillig zum Kriegsdienst meldete, übernahm Uffrecht auf Wunsch des Lehrerkollegiums die Leitung der Schule. Während seiner Tätigkeit in Wickersdorf lernte er nicht nur die herausragenden Reformpädagogen des 20. Jahrhunderts, sondern auch seine spätere Ehefrau Ini Schiff (1898 - 1961) kennen. Hermine Anita Schiff, genannt Ini, hatte zunächst in Berlin die 1906 gegründete Hauslehrerschule des Reformpädagogen Berthold Otto (1859 - 1933) besucht und dann 1913 auf dem Treffen auf dem Hohen Meißner bei Kassel Gustav Wyneken sowie einige Schüler der Freien Schulgemeinde Wickersdorf kennengelernt. Daraufhin hatte sie beschlossen, fortan diese Schule zu besuchen. In Wickersdorf trat Ini Schiff in die Kameradschaft von Bernhard Uffrecht ein. Als nach dem Ende des Ersten Weltkrieges Gustav Wyneken wieder die Leitung der Freien Schulgemeinde Wickersdorf übernahm, verließ Uffrecht die Einrichtung. Gemeinsam mit ihm verließen zwei Lehrer, fünf Schüler und zwei Schülerinnen Wickersdorf. Eine von ihnen war Ini Schiff, die Uffrecht im Jahr 1920 heiratete.
1919 publizierte Uffrecht seine programmatische Schrift "Die Gründung der freien Schul- und Werkgemeinschaft als Mittel zur Befestigung des neuen Staates und Schaffung eines neuen deutschen Geisteslebens". Zur praktischen Umsetzung seiner Erziehungsideale gründete Uffrecht am 24. April 1919 die Freie Schul- und Werkgemeinschaft (FSWG) als eine Organisationsform menschlichen Miteinanders, in der sich die schöpferischen, die kognitiven und die sittlichen Kräfte des Menschen frei entfalten sollten. Die Schul- und Werkgemeinschaft - bestehend aus zwei Lehrern, fünf Schülern und zwei Schülerinnen - bezog zunächst das 'Jägerhaus' am Eingang des Fürstenlagers bei Auerbach an der Bergstraße; das Haus war von den Eltern eines Schülers zur Verfügung gestellt worden. Die kleine Lebens- und Lerngemeinschaft war nach Uffrecht 'entschlossen, sich an der Wiederaufrichtung des niedergebrochenen Deutschland durch Entwicklung eigener Widerstandskraft gegen alle äußere und innere Not zu betätigen.' (Uffrecht 1924, S. 138) Bereits nach einem halben Jahr zog die Schul- und Werkgemeinschaft auf den Sinntalhof bei Bad Brückenau in der Rhön um, und im Frühjahr 1920 übersiedelte die Gemeinschaft ins Jagdschloss Dreilingen am Wannsee bei Potsdam. Schon bald erwiesen sich die dortigen Räumlichkeiten als zu beengt, so dass man im Januar 1922 das Schloss Letzlingen in Sachsen-Anhalt bezog.
Die Schüler, Lehrer und Hausangestellten hatte sich eine Verfassung gegeben und verwaltete sich durch die Organe 'Urgemeinde' und 'Vollversammlung' selbst. Die praktischen Arbeiten, wie die Renovierung und Einrichtung der Gebäude, die Pflege und Bestellung des Gartens, die Betreuung der Nutztiere, Nahrungsbeschaffung und Kontenführung waren für alle Mitglieder der Gemeinschaft selbstverständliche Pflichten. Die kostengünstige Verwaltung erlaubte einen hohen Anteil an Freistellen. Der Unterricht wurde nicht in Jahrgangsklassen, sondern in Gruppen erteilt, der Lehrplan war inhaltlich dem einer preußischen Oberrealschule angepasst. Neben den dort ausgewiesenen Unterrichtsfächern waren der Musikunterricht und die Teilnahme am Chorsingen obligatorisch. Außerdem wurde in der hauseigenen Tischler- und Schlosserwerkstatt handwerklicher Unterricht erteilt, der mit dem Gesellenbrief abgeschlossen werden konnte. Neben dem Pflichtunterricht gab es zahlreiche freiwillige Kursangebote, musisch-ästhetische Bildung und vielfältige Aktivitäten in der Freizeit. Dass die Einrichtung akzeptiert wurde, zeigt sich daran, dass die Freie Schul- und Werkgemeinschaft 1924 schon von 61 Schüler und Schülerinnen besucht wurde, neben den internen Schülern auch 16 Schüler aus Letzlingen und Umgebung (Uffrecht 1924, S. 155).
Ostern 1933 wurde das Gelände von den Nationalsozialisten besetzt und am 26. April 1933 durch die Verfügung des Oberpräsidenten der Provinz Sachsen aufgelöst; das private Vermögen der Familie wurde beschlagnahmt. Zu diesem Zeitpunkt gehörten 61 Schüler und 19 Schülerinnen sowie 17 Erwachsene der Schulgemeinschaft an.
Bernhard Uffrecht und seine Frau Ini sowie die drei Söhne Hans Peter (1921-1992), Bernhard Ludwig (1923 - 1997) und Ulrich (1928-2021) wohnten fortan bei Bernhard Uffrechts älterem Bruder Martin Uffrecht (1874 - 1934) in Neuhaldensleben. Zwischen 1933 und 1939 wurde Bernhard Uffrecht mit Berufsverbot belegt. 1936 reiste er nach England, besucht Kurt Hahn (1886 - 1974) in Gordonstoun in Schottland und lehrte an der 1928 gegründeten Bryanston School in Blandford/Dorset. Nach Kriegsbeginn war es ihm dann kurzzeitig möglich, in der von Kurt Hahn (1886 - 1974) 1920 im Auftrag von Prinz Max von Baden (1867 - 1929) eingerichteten Internatsschule Schloss Salem als Lehrer zu arbeiten. Als die SS die Schule übernahm wurde (vgl. Koeppen 1967), wurde die Lehrerlaubnis für Bernhard Uffrecht aufgehoben.
Als Teil der sowjetischen Besatzungszone gehörte Neuhaldensleben fortan zum Land Sachsen-Anhalt, Regierungsbezirk Halle an der Saale. Uffrecht übernahm im Sommer die Leitung der städtischen Heimoberschule Neuhaldensleben und war Mitglied der 'Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion'. In dieser Zeit verfasste er die nur in wenigen Exemplaren vorhandene hektographierte Schrift Deutschlands Abtrünnigkeit von den Idealen seiner Klassiker, ihre politischen Folgen, in der er unter anderem die Rückbesinnung auf die Ideale der Aufklärung und der deutschen Klassik fordert.
Nach Unstimmigkeiten und politischen Auseinandersetzungen wurde Uffrecht im Juli 1949 durch das NKWD (Volkskommissariat für innere Angelegenheiten) inhaftiert. Nach der Freilassung flüchtete Uffrecht nach West-Berlin und von dort aus weiter nach Hannover. Hier war er kurzzeitig als Aushilfskraft an der Helene-Lange-Schule tätig. Weitere eigene Schulgründungen - angedacht war der Aufbau einer Werk- und Schulgemeinschaft in Weddermöde in der Lüneburger Heide - scheiterten unter anderem auf Grund des fortgeschrittenen Alters und des sich verschlechternden Gesundheitszustandes Uffrechts. Die folgenden Lebensjahre waren von wirtschaftlicher Not und Krankheit geprägt. Bernhard Uffrecht starb am 24. Januar 1959 in Hannover. Seine Frau Ini verstarb am 18. November 1961 ebenfalls in Hannover.
Der Nachlass gewährt keineswegs nur Einblick in das bewegte Leben des Pädagogen und Schulleiters Bernhard Uffrecht, er ermöglicht auch die Auseinandersetzung mit dem - vermutlich weitgehend unbekannten - Musiker und Komponisten Bernhard Uffrecht. Enthalten sind neben den zahlreichen von Uffrecht gedichteten Liedtexten und Gedichten auch seine Vertonungen derselben sowie Kompositionen für Instrumentalmusik.
Findmittel
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Weitere Angaben (Bestand)
Umfang
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28 Archivkartons
Bearbeiter
Bearbeiter
Kirsten Peuser und Marei Söhngen