104

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HWA, 104

Fonds


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Title Title
Haas & Sohn, Sinn

Fonds data


Custodial history Custodial history
Nach dem Konkurs der Firma Haas & Sohn wurde die schriftliche Überlieferung des Unternehmens allen Interessierten frei zugänglich gemacht und unter die Mitarbeiter, aber auch die Bevölkerung von Sinn zerstreut. Ein Teil dieser Unterlagen wurde in der Folgezeit an das Hessische Wirtschaftsarchiv abgegeben. Aus rechtlichen Gründen war es erforderlich, die Überlieferung von Haas & Sohn, die einen Gesamtumfang von 22,5 lfd. Metern hat, in drei verschiedenen Beständen (Abt. 104, 137 und 151) zu verwahren.
Die auf dem Werksgelände verbliebenen Unterlagen wurden am 24. Januar 1993 durch das Hessische Wirtschaftsarchiv gesichtet. Der archivwürdige Teil, der vor allem Vorstandsakten der 1930er und 1940er Jahre sowie Unterlagen der Betriebskrankenkasse vor 1914 umfasste (53 Umzugskartons), wurde am 15. Februar 1993 als Abt. 104 in das Hessische Wirtschaftsarchiv als Eigentum übernommen. Im September 1993 wurden in mehreren Tresoren Abrechnungsunterlagen der Gesellschafter und Bilanzunterlagen, sowie eine Beschäftigtenkartei gesichtet, die kurz darauf ebenfalls in den Bestand 104 aufgenommen wurden, der nun einen Umfang von 16 lfd. Meter hat.
Bereits während des Konkurses von Haas & Sohn hatte der Förderkreis Sinn e.V., Abteilung Kultur-, Heimat-, Geschichts- und Denkmalpflege, einen umfangreichen Teil der Überlieferung gesichert. Durch einen Vertrag vom 17. Juni 1996 wurde der größte Teil dieser Überlieferung, der im wesentlichen Geschäftsbücher, Geschäftskorrespondenz und Werbematerialien umfasste, als Depositum im Hessischen Wirtschaftsarchiv hinterlegt, während die gleichfalls vorhandenen Fotos in Sinn verblieben. Das Depositum bildet im Hessischen Wirtschaftsarchiv die Abt. 137 mit einem Umfang von 6,25 lfd. Metern.
Ein weiterer Teil der Firmenüberlieferung wurde von Alfred Benner, dem Geschäftsführer der als Vertriebsgesellschaft weiter bestehenden Haas + Sohn Ofentechnik GmbH, mit Vertrag vom 23. September 1997 ebenfalls als Depositum hinterlegt. Dieser Bestand, der auf 0,25 lfd. Metern Geschäftsbücher sowie eine Reihe von Fotos enthält, wird als Abt. 151 geführt.
Die Bestände Abt. 104 und 137 wurden von März 1995 bis März 1997 durch Dieter Koch verzeichnet. Die Verzeichnung des kleinen Bestandes 151 sowie die Klassifizierung aller Bestände und die redaktionelle Überarbeitung der Verzeichnung erfolgte seit dem Sommer 1998 durch Ute Mayer. Wegen der Zersplitterung der Überlieferung in mehrere Bestände wurde ein bestandsübergreifendes Findbuch erstellt.
Die Abteilungen 137 und 151 wurden mittlerweile in den Bestand 104 integriert. Die entsprechende alte Archivsignatur sowie die Provenienz wird ausgewiesen
History of creator History of creator
Wilhelm Ernst Haas sen. (1787-1864) stammte aus einer bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Dillenburg nachweisbaren Familie. Sein Vater Johann Daniel Haas (1731-1798) gründete dort neben einer Wein- und Kolonialwarenhandlung auch die älteste nassauische Tabakfabrik Joh. Dan. Haas. Nach seinem Tode gingen die Firmen zunächst an seine drei Söhne Johann Daniel, Johann Carl und Wilhelm Ernst über, bis Johann Daniel im Jahre 1813 das Unternehmen allein weiterführte, nachdem er seine Brüder ausbezahlt hatte. Über die Tätigkeit von Wilhelm Ernst in den folgenden Jahren ist nur bekannt, dass er ebenfalls im Bereich Weinhandel und Tabakfabrikation tätig war, bis er 1832 zusammen mit zwei Teilhabern die Tabakfabrik W. Ernst Haas & Co. gründete. Dieses Unternehmen, das er seit 1862 allein betrieb, wurde nach 1865 an die Firma Joh. Dan. Haas verkauft.
Schon früh engagierte sich Wilhelm Ernst Haas auch im Bereich des Eisenhüttenwesens. Im Jahre 1822 hatte er gemeinsam mit seinem Verwandten Ludwig August Göbel die Burger Hütte gekauft, die von nun an Göbel & Haas firmierte. Zusätzlich war Wilhelm Ernst Haas in den Jahren 1831 - 1838 Pächter des Herzoglich Nassauischen Eisenhammers in Niederscheld. Außerdem beteiligte er sich zeitweise an der Gewerkschaft des Schelder Eisenwerks. Seit 1852 betrieb er jedoch die Veräußerung seiner Anteile an Göbel & Haas, und kaufte schließlich am 26. Mai 1854 zusammen mit seinem Sohn Wilhelm Ernst Haas jun. (1815-1865) und dessen Ehefrau Magdalene, geb. Silbereisen (1821 - 1896), die Neuhoffnungshütte zum Preis von 185.500 nassauischen Gulden.
Die Neuhoffnungshütte war 1818 von dem aus Oberroßbach im Dillkreis stammenden Daniel Treupel (1766 - 1840) gegründet worden, nachdem er von dem herzoglich nassauischen Amt in Dillenburg die Genehmigung zur Errichtung einer Eisenhütte in der Nähe von Hof Sinn erhalten hatte. Der Standort war wegen der nahe gelegenen Eisensteingruben günstig, weil die umliegenden Wälder und das Gefälle der Dill für den Betrieb der Hütte genutzt werden konnten. Nach dem Tode Daniel Treupels ging das Unternehmen auf seine Söhne Johann Heinrich und Daniel über, die das Unternehmen schließlich an die Familie Haas verkauften. Zum Zeitpunkt des Verkaufs umfassten die Werksanlagen einen Holzkohlenhochofen, eine Eisengießerei, zwei Puddelöfen, einen Schmelzofen, ein Walzwerk, eine Reihe von Grubenfeldern und ein Wohnhaus. Die neuen Besitzer führten das Unternehmen, das von nun an unter "W. Ernst Haas & Sohn" firmierte, als offene Han-delsgesellschaft, bis es in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt wurde.
Die Mitbegründerin und Mitgesellschafterin Magdalene Haas trat erst nach dem frühen Tode ihres Mannes, der seinen Vater nur um ein Jahr überlebte, offiziell in Erscheinung und bewies in der Folgezeit einen ausgeprägten Geschäftssinn. Gemeinsam mit ihrem Schwager Friedrich (Fritz) Haas, der erst seit 1859 als Gesellschafter in die Firma eingetreten war, lenkte sie in den kommenden Jahrzehnten erfolgreich die Geschicke der "Hütte". Vor allem stellte sie in ihrem Testament von 1894 die Weichen für die künftige Entwicklung des Unternehmens und sorgte dafür, dass es in Familienbesitz blieb. Sie verfügte, dass sämtliche Geschäftsanteile - die Erben von Fritz Haas traten nicht in die Firma ein - auf ihre Kinder übergehen sollten. Dementsprechend verteilten sich die Geschäftsanteile auf zunächst sieben und dann, nach dem Erlöschen des einen Erbstammes, auf sechs Erbstämme. Bis zum Verkauf des Unternehmens im Jahre 1979 waren alle der zeitweise bis zu über siebzig Gesellschafter Nachkommen von W. Ernst jun. und Magdalene Haas. Auch die Geschäftsleitung lag stets in Händen der Familie, wobei die Zahl der geschäftsführenden Gesellschafter auf maximal drei begrenzt war. Auf diese Weise blieb die Neuhoffnungshütte bis zum Schluss in jeder Hinsicht ein reines Familienunternehmen mit allen Vor- und Nachteilen, die eine derart weitgehende Einflussnahme einer Familie auf ein Unternehmen mit sich bringt.
Haas & Sohn war ursprünglich vorwiegend ein Grundstoffbetrieb mit Erzbergbau auf 168 eigenen Grubenfeldern, Hochofen und Stahlwerk. Die Produktion war in der ersten Zeit aufgrund der unentwickelten Verkehrsverhältnisse und des dadurch bedingten verhältnismäßig kleinen Absatzgebietes noch recht bescheiden. Erst durch den Anschluss Sinns an die neu erbaute Bahnstrecke Deutz-Gießen der Cöln-Mindener Eisenbahngesellschaft im Jahre 1862 war es möglich, die Produktion zu steigern. In der Folge wurden die Werksanlagen ständig erweitert und 1874 durch einen eigenen Bahnanschluss ergänzt. Diese Entwicklung wurde durch den allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Deutsch-Französischen Krieg und die damit verbundene gestiegene Nachfrage nach Eisen und Eisenprodukten stark begünstigt. Die Zahl der Beschäftigten nahm nun kontinuierlich zu: Waren es im Jahr 1854 erst 70, so stieg ihre Zahl über bereits 312 im Jahr 1872 auf 605 im Jahr 1893. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges beschäftigte Haas & Sohn 856 Arbeiter und Angestellte.
Auf Dauer konnte jedoch das im Holzkohlehochofen erzeugte Roheisen nicht mit dem wesentlich billigeren Koksroheisen konkurrieren. Für den Bau eines Kokshochofens fehlte das Kapital. Hinzu kam, dass die zersplitterte Lage der Grubenfelder, die jahrzehntelang das wirtschaftliche Rückgrat des Unternehmens darstellten, einen rationellen Abbau nicht mehr zuließen. Zudem führten nicht alle Gruben so hochwertige Erze, als dass man damit noch länger der ausländischen Konkurrenz hätte begegnen können. 1892 fand daher die letzte Ofenreise des Holzkohlehochofens, des letzten seiner Art in Deutschland, statt. Obwohl das Unternehmen ohne Hochofen eigentlich kein Hüttenwerk mehr war, wurde der alte Namen beibehalten. Die Produktion verlagerte sich nun ganz auf die Weiterverarbeitung. Hier ist vor allem die 1893 aufgenommene Ofenfertigung zu nennen, mit der Haas & Sohn dank ständiger Anpassung an den jeweils neuesten Stand von Technik und Design stets führend auf dem Weltmarkt war. So entwickelte das Unternehmen auch in den fünfziger Jahren unseres Jahrhunderts trotz der Skepsis des Fachhandels und des Publikums als erster deutscher Hersteller einen ölbeheizten Zimmerofen, der dann tatsächlich zu einem großen Erfolg werden und ganz entscheidenden Anteil am Aufschwung des Unternehmens nach dem Zweiten Weltkrieg haben sollte. In der Folge wurde entsprechend den Anforderungen des Marktes die Produktpalette mit der Herstellung von Stahlheizkesseln, Stahlradiatoren, Zentralheizungen, Schnellwaschgeräten für Kraftfahrzeuge und Maschinen, Großkochanlagen, Schrankküchen, Laboreinrichtungen und anderen ständig erweitert. Die Anpassung des Produktionsprogramms an die wechselnden Märkte bescherte dem Unternehmen kräftige Umsatzzuwächse, so dass 1970 der Umsatz 107 Millionen DM überstieg und die Zahl der Arbeiter und Angestellten einen Höchststand von 2.300 erreichte.
Natürlich blieb auch Haas & Sohn nicht von der Stahlkrise in den siebziger Jahren verschont. Die Produktion ging stark zurück, die Belegschaft musste drastisch reduziert werden. Schließlich beschloss die Gesellschafterversammlung 1979 den Verkauf an die Deutsche Anlagenleasing (DAL) in Mainz. Diese führte die Neuhoffnungshütte 1981 in den Konkurs, in dem die noch verbliebenen 859 Beschäftigten ihren Arbeitsplatz verloren. Das Werksgelände wurde verpachtet. Der Anschlusskonkurs 1991 bedeutete das endgültige Aus für das Sinner Traditionsunternehmen.
Literature Literature
Ingrid Bauert-Keetman/Helmut Prawitz, Geschichte des Eisenwerkes Neuhoffnungshütte und der Firma W. Ernst Haas + Sohn in Sinn/Dillkreis, Sinn 1963.
Helmut Prawitz/Wolfgang Rathscheck, Abriss der Werksgeschichte, um 1942 (in: HWA Abt. 137, Nr. 5).
W. Ernst Haas & Sohn. Neuhoffnungshütte bei Sinn, in: Historisch-biographische Blätter. Industrie Handel und Gewerbe, Der Regierungsbezirk Wiesbaden, Berlin 1913.
Finding aids Finding aids
Findbuch, bearb. von Dieter Koch und Ute Mayer, 1999