Vollständige Signatur

ISG FFM, W1-79

Bestand


Identifikation (kurz)


Titel Titel
Kunsthaus Wilhelm Ettle
Laufzeit Laufzeit
1900-1964

Siehe


Korrespondierende Archivalien Korrespondierende Archivalien
ISG FFM Best. A.02.01 (Magistratsakten) Nr. 7862
ISG FFM Best. A.41 (Kulturamt) Nr. 915

Bestandsdaten


Bestandsgeschichte Bestandsgeschichte
Der Bestand wurde dem Institut für Stadtgeschichte im November 2023 von Reto Krüger geschenkt, der die Dokumente im Nachlass seines Vaters gefunden hatte. Die Familie Ettle war nach dem Krieg aufgrund der Restaurierung des Maulbronner Retabels und der Bekanntschaft mit der Industriellenfamilie Schenk nach Maulbronn gekommen und wohnte in deren Villa. In den 1970er Jahren schenkte Anni Ettle, Wilhelm Ettles Witwe, Herrn Krüger die Unterlagen.

Zum Bestand gehören auch 15 Kataloge des Auktionshauses Rudolf Bangel aus den Jahren 1906-1927. Nach dem Konkurs des Auktionshauses 1929 war dessen letzter Inhaber, Gustav Adolf Bangel, von 1940 bis 1942 als Ausrufer und Buchhalter für die Kunsthandlung von Ettle tätig. Vermutlich gelangten die Kataloge in diesem Zusammenhang in den Nachlass Ettle.


Zugang: III/2023-121
Geschichte des Bestandsbildners Geschichte des Bestandsbildners
Wilhelm Ettle wurde 1879 in Württemberg geboren. Er wuchs in Ravensburg auf, wo er auch eine Lehre als Drechsler, Holz- und Elfenbeinschnitzer bei seinem Vater absolvierte. Später nahm er ein Kunststudium in Stuttgart auf (1903-1907) und bildete sich nach seinem Abschluss zum Restaurator weiter.

Einer seiner ersten Aufträge war 1907 die Restaurierung der Stuppacher Madonna (ursprünglich Mitteltafel des Aschaffenburger Marien-Schnee-Altars (1517-1519), die allerdings bereits 1926 erneut restauriert werden musste, da sich der Firnis zersetzt hatte. Dabei wurden auch Mängel vorangegangener Restaurierungen festgestellt.

Im Jahr 1920 zog Ettle nach Frankfurt, wo er unter anderem als Restaurator für das Städel, den Kunsthandel und private Kunstsammlungen tätig war, wodurch er sich nicht nur einen Namen machte, sondern auch einen Überblick über private Sammlungen im Raum Frankfurt erhielt.
Im Jahr 1926 eröffnete er seine erste Kunsthandlung (Katharinenpforte 6), die er jedoch bereits im Jahr 1931 aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten wieder schließen musste.

Ab 1929 war er Mitglied der SA und des Kampfbundes für deutsche Kultur in Frankfurt, dessen Vorsitzender der spätere Oberbürgermeister Friedrich Krebs war. Nicht zuletzt durch diese Mitgliedschaft baute er sich ein großes Netzwerk auf.
Bereits 1932 trat Ettle der NSDAP bei und trat in den folgenden Jahren als überzeugter Nationalsozialist auf.

1933 erhielt er den Auftrag, die Gemälde von Jörg Ratgeb im Karmeliterkloster zu reinigen und zu konservieren. Es entspann sich eine Diskussion darüber, ob Ettle die Restaurierung fachgerecht ausgeführt hatte - ähnliche Vorwürfe waren bereits bei der Restaurierung der Stuppacher Madonna gegen Ettle erhoben worden.

1938 erhielt Ettle die Zulassung als Kunstversteigerer der Reichskammer für bildende Kunst und mietete daraufhin Anfang 1939 von Josephine Guggenheim, einer renommierten Kunstsammlerin aus einer Familie von Frankfurter und Marburger jüdischen Privatbankiers, ein Haus in der Eschersheimer Anlage 35, das er bereits Mitte des Jahres erwarb. Dort eröffnete er seine Kunsthandlung, das "Kunsthaus Wilhelm Ettle" in der Eschenheimer Anlage 35, in dem er 1939 und 1940 Gemäldeausstellungen veranstaltete. Als Kunsthändler hatte er sich bereits betätigt, seitdem er nach Frankfurt gekommen war.

Ebenfalls 1938 konnte sich Ettle als offizieller Gutachter bei mehreren Institutionen etablieren: bei der Industrie- und Handelskammer für das Rhein-Mainische Wirtschaftsgebiet Frankfurt, der Devisenstelle S in Frankfurt, der Reichskammer der bildenden Künste sowie der Reichsfachschaft für das Sachverständigenwesen in der Deutschen Rechtsfront. Damit war er auch für die Überprüfung und Wertermittlung des Umzugsgutes von jüdischen Sammlern bei der Emigration aus dem Rhein-Main-Gebiet zuständig, eine Position, die er auch proaktiv nutzte, indem er die Behörden auf wertvolle Sammlungen hinwies und die Sammler auf diese Weise unter Druck setzte unter Wert 1zu verkaufen.

Nach 1940 wurde Ettle zusätzlich Sachverständiger beim Hauptzollamt Frankfurt. Dadurch erhielt er Zugang zu zahlreichen Kunstsammlungen von Personen jüdischer Herkunft, die vor dem Nationalsozialismus fliehen mussten oder gezwungen waren ihr Eigentum zu verkaufen. Zwischen 1941 und 1944 veranstaltete Ettle jährlich eine Kunstauktion, bei der auch beschlagnahmte Kunstwerke verkauft wurden.

1944 wurde Ettle nach Vorwürfen der „Begünstigung“ jüdischer Eigentümer und der Vorteilsnahme beim Verkauf von Sammlungsgut aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen. Das Verfahren war bereits aufgrund seiner ersten großen Auktion über die Sammlung des polnischen Industriellen und Kunstsammlers Max Brings 1941 angestrengt worden. Ähnliche Vorwürfe hatten bereits 1942 zu einem Parteiausschlussverfahren geführt.

Nach Kriegsende mussten sich Wilhelm Ettle und seine Ehefrau Anni wegen Denunziation, Erpressung in 41 Fällen und „Arisierung“ jüdischer Sammlungen vor Gericht verantworten. 1946 verurteilte sie ein amerikanisches Militärgericht in Frankfurt wegen „Beiseiteschaffung von Vermögen und Kunstgegenständen“ in Höhe von 200.000 M und Fälschung eines Fragebogens zu sieben Jahren Haft und dem Verlust von 70 Prozent ihres Vermögens. 1947 wurde Ettle aus gesundheitlichen Gründen begnadigt und war von 1952 bis zu seinem Tod 1958 wieder als Kunsthändler tätig.
Enthält Enthält
Kataloge des Auktionshauses Rudolf Bangel 1906 - 1927
Auktionskataloge anderer Firmen 1907-1964
Umsatzsteuerbuch des Kunsthauses Wilhelm Ettle 1939-1940
Kunsthistorische Zeitschriften und andere Publikationen, Fotografien und Drucke von Kunstwerken
Literatur Literatur
Anja Heuß: Vom Restaurator zum Kunsthändler. Wilhelm Ettle, in: Brockhoff, Evelyn und Kiermeier, Franziska (Hrsg.), Gesammelt, gehandelt, geraubt. Kunst in Frankfurt und der Region 1933 bis 1945, Frankfurt am Main 2019.
Franziska Kiermeier, Maike Brüggen und Anja Heuß (Hrsg.): Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten. Das Auktionshaus Rudolf Bangel in Frankfurt am Main 1873-1929 [Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst, Band 81], Frankfurt am Main 2024.

Weitere Angaben (Bestand)


Umfang Umfang
1 Regalmeter
Benutzung Benutzung
Benutzungsordnung des ISG
Lagerort: BO
Deskriptoren Deskriptoren
Personen: Bangel, Gustav Adolf; Bangel, Rudolf; Ettle, Anni; Ettle, Wilhelm
Sachbegriffe: Kunstgalerie; Kunsthandel; Provenienzforschung