Anmelde- und Vorprüfstelle (Betreuungsstelle) zur Durchführung des Entschädigungsgesetzes

Gliederung (Klassifikation)


Identifikation (Gliederung)


Titel Titel
Anmelde- und Vorprüfstelle (Betreuungsstelle) zur Durchführung des Entschädigungsgesetzes
Laufzeit Laufzeit
1945-1955
Aufsatz Aufsatz
Zunächst wurde am 10. Juli 1946 ein "Gesetz über die Bildung eines Sonderfonds zum Zwecke der Wiedergutmachung" erlassen. Aus diesem Fonds konnten politisch, rassisch und religiös Verfolgte „vorläufige Zahlungen und andere Entschädigungen“ erhalten, wenn sie sich in einer „wirtschaftlichen Notlage“ befanden. Die Gelder speisten sich teilweise aus eingezogenem NS-Vermögen auf Grundlage des Gesetzes zur Befreiung von Militarismus und Nationalsozialismus vom 05. März 1946. Diese Gelder bzw. Sachentschädigungen wurden wohl auf Kreisebene durch die dort eingerichteten Betreuungsstellen verteilt, die im November 1946 auf Grundlage der "Verordnung über die Bildung und das Verfahren der Betreuungsstellen in Groß-Hessen" eingerichtet worden waren, so auch im Landkreis Wolfhagen (vgl. Best. 180 Wolfhagen Nr. 2711, 2740, 2742, 2752, 2762). Auf Ebene der Regierungsbezirke wurden drei Hauptbetreuungsstellen in Darmstadt, Kassel und Wiesbaden eingerichtet, die bei den Regierungspräsidien angesiedelt waren. Wolfhagen gehörte zum Regierungspräsidium Kassel, Vorsitzender der Betreuungsstelle war der jeweils amtierende Landrat. Als oberste Entschädigungsinstanz fungierte in Hessen 1945/1946 sowie von 1949 bis 1970 der Hessische Minister des Inneren, von 1946 bis 1949 der Minister für politische Befreiung.

Leiter der Betreuungsstelle wurde zunächst Friedrich Loose, Sachbearbeiter der Lehrer i. R. Joseph Schreiber. Joseph Schreiber, der als SPD Mitglied selbst von politischer Verfolgung betroffen und in verschiedenen Konzentrationslagern inhaftiert gewesen war, übernahm die Leitungsposition im November 1948 und führte diese Tätigkeit bis zur Abwicklung der Stelle 1955 fort (vgl. Best. 180 Wolfhagen Nr. 2751).

Eine Aufgabe dieser lokalen Betreuungsstellen für politisch, rassisch oder religiös Verfolgte, war es festzustellen, ob überhaupt eine Verfolgung und Schädigung durch den Nationalsozialismus und seiner Akteure stattgefunden hatte, hierzu finden sich einige ausgefüllte Fragebögen in den verschiedenen Sach- und Fallakten. Wurde dies festgestellt, erhielten die Personen einen Sonderausweis, der ebenfalls in einigen der Akten zu finden ist.

Am 26. April 1949 wurde zoneneinheitlich das "Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (Entschädigungsgesetz – USEG)" erlassen, das im August 1949 durch besondere Landesgesetze in Bayern, Bremen, Baden-Württemberg und Hessen verkündet wurde. Dieses Gesetz war darauf ausgelegt, nicht nur ad hoc Hilfen zu leisten oder nur finanzielle Schäden zurückzuerstatten, sondern auch die Wiedergutmachung von Schäden an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit sowie im wirtschaftlichen Fortkommen. Die AntragstellerInnen mussten neben einem Nachweis der NS-verfolgungsbedingten Schädigung auch bestimmte Voraussetzungen mit Bezug auf ihren Wohnort erfüllen. Mit der Entgegennahme und Vorprüfung der Anträge, die auf Grundlage dieses Gesetzes gestellt werden konnten, sowie der Beratung der AntragstellerInnen wurden die bereits bestehenden Betreuungsstellen in Hessen betraut, die seitdem den zusätzlichen Namen „Anmelde- und Vorprüfstelle (Betreuungsstelle) zur Durchführung des Entschädigungsgesetzes“ trugen. Aus dieser Phase stammt der Großteil der Akten, die seitdem vor allem fallbezogen angelegt wurden (alphabetische Gliederung nach AntragstellerInnen (vgl. Best. 180 Wolfhagen Nrn. 2716, 2734, 2741, 2753, 2759, 2763, 2844, 2856) nicht mehr chronologisch oder gar nicht sortiert). Die Fallakten enthalten normalerweise ein Deckblatt, den ausgefüllten Antragsvordruck sowie teilweise weitere Anlagen, wie Eidesstattliche Erklärungen, Auszüge aus Personenstandsregistern, Haftentlassungsbescheide, aber auch Einsprüche, falls die Anträge in erster Instanz abgelehnt worden waren. Für den gesamten Zeitraum finden sich zudem statistische Auswertungen sowie Listen der Verfolgten oder über Leistungen im Kreis Wolfhagen (vgl. Best. 180 Wolfhagen Nrn. 2681, 2711, 2715, 2741, 2743-2746, 2758).

Am 1. Oktober 1953 trat das erste bundeseinheitliche Entschädigungsgesetz ("Bundesergänzungsgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (BEG)") in Kraft. Im Anschluss daran finden sich zwei Akten, die formlose Anträge zur Geltendmachung von Ansprüchen aus diesem Gesetz enthalten (vgl. Best. 180 Wolfhagen Nr. 2857, 2861). Mit diesen Anträgen sowie einigen Nachträgen aus den Jahren 1955 endet die Überlieferung der Betreuungsstelle.

In der Abteilung 518 des Hessischen Hauptstaatsarchivs Wiesbaden finden sich die eingereichten Anträge aus Wolfhagen teilweise wieder, wo die Überlieferung aus den Entschädigungsbehörden seit 1986 übernommen wurde. Da sie dort alphabetisch nach Nachnamen der Geschädigten verzeichnet sind, wurde diese Struktur zur Sicherstellung der Übereinstimmung für die Vorprüfstelle Wolfhagen ebenfalls übernommen. Die Aktenführung der Betreuungsstelle unterliegt in diversen Fällen keiner rekonstruierbaren Logik oder Struktur.