HHStAW Bestand 3004 Nr. B 10

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Beschreibung: Sachakte

Identifikation

Titel 

Glaubenslehre, Biblische Erörterungen (Johanes) [Niederländische Bilderhandschrift]

Laufzeit 

15. Jh.

Provenienz

(Vor-) Provenienzen 

Kloster Arnstein

Vermerke

Deskriptoren 

Arnsteiner Codex

Arnsteiner Kodex

Niederländische Bilderhandschrift

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Niederländische Sammelhandschrift mit Andachts- und Erbauungstexten Flandern, 1390-1410 XXII + 153 Blätter Papier (131) bzw. Pergament (22) von ursprünglich 161 (vgl. Kolophon) - 28,5-29,5 x 20,5- 21 cm - zwischen 1390 und 1410 geschrieben; die separat eingefügten Grisaillen und kolorierten Federzeichnungen nicht ursprünglich für diesen Band entstanden, sondern später hinzugefügt.

Im Hauptstaatsarchiv Wiesbaden wird eine mittelniederländische Sammelhandschrift mit Andachtstexten aufbewahrt, die der Forschung seit langem bekannt und in zahlreichen Veröffentlichungen publiziert ist, die aber immer noch sowohl von ihrer äußeren Geschichte, durch ihre Zusammenstellung verschiedener religiöser Texte als auch durch die herausragende künstlerische Qualität ihrer Illustrationen viele Fragen aufgibt. Der Sammelband umfasst insgesamt 33 Texte in mittelniederländischer Sprache. Der umfangreichste ist 'Die spieghel van den kersten ghelove' (fol. 2r-44v), ein geistliches Kompendium zur Lebensführung von Laien. Es folgen 32 Texte geistlich-erbaulichen Inhalts mit vergleichbarer Ausrichtung. Darunter finden sich Auslegungen der 10 Gebote, der Apokalypse, zahlreiche Andachtstexte zu Maria und allen Heiligen, zu den Sieben Sakramenten, den Sieben Worten Jesu am Kreuz bis hin zu Auslegungen von Sentenzen Senecas und Meister Eckarts. Ein ursprünglicher Grundbestandteil an Texten ist mehrfach erweitert worden, was man deutlich anhand der verschiedenen Schreiberhände sehen kann.

Mit Recht betrachtet die mittelniederländische Sprachforschung den Wiesbadener Codex als einen Hauptzeugen für geistliche Texte des beginnenden 15. Jahrhunderts in der Volkssprache. Wer der Auftraggeber des Ursprungsbandes war und auf wessen Veranlassung dieser stetig erweitert wurde, ist nicht bekannt. Ein Eintrag auf dem zweiten Blatt ist sorgfältig ausradiert; lesen kann man nur noch 'Desen boec es I' [Rest ausradiert], dann folgt die Datierung 'Anno domini .m.cccc. ende x. iaer' - also 1410 für diesen Teil des Buches, und sogar eine Umfangsangabe 'Ende hi hout .c.lxj. bladeren': 161 Blätter umfasste der Band ursprünglich. Für die Benutzungssituation der Handschrift eindrücklich ist eine mittelniederländische Eintragung, die - ins Deutsche übersetzt - den Leser bittet: 'Nach der Lektüre das Buch bitte umgehend zurückbringen'. Die Adressaten der zahlreichen Andachtstexte sind wahrscheinlich in einem flandrischen Frauenkloster oder Beginenkonvent zu suchen. Zur Säkularisationszeit befand sich der Band in der Bibliothek des Prämonstratenserstiftes Arnstein an der Lahn und kam nach der Säkularisation ins Wiesbadener Archiv. Wie der flandrische Codex nach Arnstein kam, ist ungeklärt.

Genauso bedeutend wie die Textsammlung ist die Ausstattung des Bandes mit 14 Silberstiftzeichnungen und dreiundzwanzig Federzeichnungen. Auch hier ist ein ursprünglicher Bestand einige Male erweitert worden. Auf lose Blätter gezeichnet, sind die Zeichnungen zwischen den Texten eingefügt und aufgeklebt worden, sicheres Zeichen dafür, dass der Sammelband ursprünglich ohne jede malerische Ausstattung gedacht war. Später wurde diese Idee aufgegeben und den Texten Zeichnungen von hoher künstlerischer Qualität an die Seite gestellt: der fromme Beter konnte sich durch die Texte zu geistlicher Betrachtung anregen lassen oder durch die Betrachtung der Andachtsbilder. Stilkritisch datiert, sind wohl einige Zeichnungen in den 1380er Jahren entstanden, also vor der Zusammenstellung der Texte. Wie der Text, so entstanden auch die Zeichnungen sukzessive. Auch hier sind viele Themen vertreten: Propheten, Apostel, die Kirchenväter und zahlreiche Heilige sind genauso verbildlicht wie Themen der Heilsgeschichte: Moses mit den Gesetzestafeln, die Auferstehung der Toten beim Jüngsten Gericht, Mönch und Nonne - diese mit einem kleinen Beutelbuch am Gürtel -, aber auch der studierende Seneca am Buchpult. Auch die Zeichnungen sind von unterschiedlicher Qualität. Von ganz herausragender Bedeutung und zeichnerische Höchstleistung stellen die Prophetenfiguren dar; hier lassen sich auch stilistische Verbindungen erkennen zu anderen Hauptwerken niederländischer Zeichenkunst wie der ‚Concordantia Caritatis' in Budapest (Zentralbibliothek der Piaristen, Cod. CX 2), im Jahr 1413 entstanden.

Literatur: Hans Kienhorst: 'Nach der Lektüre das Buch bitte umgehend zurückbringen'. Über die merkwürdige Entstehungsgeschichte der mittelniederländischen Sammelhandschrift Wiesbaden, Hessisches Hauptstaatsarchiv, Hss.-Abt. 3004 B 10. In: Das Mittelalter 7, 2002, 48-73 (mit der älteren Lit.).

Hans Kienhorst und Kees Schepers (Bearb.): Het Wiesbadense handschrift. Hs. Wiesbaden, Hessisches Hauptstaatsarchiv, 3004 B 10. Hilversum, Verloren 2009 (Middeleeuwse Verzamelhandschriften uit de Nederlanden XI).

Maurits Smeyers: Flämische Buchmalerei. Vom 8. Jahrhundert bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Die Welt des Mittelalters auf Pergament. Stuttgart 1999.

Till-Holger Borchert (Hrsg.): Jan van Eyck. Grisallas. Fundación Colección Thyssen-Bornemisza, Madrid 2009. 324 S. m. 151 Farbabb., Texte auch in Englisch, Pb. € 40,-. ISBN 978-84-96233-85-0.

Repräsentationen

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