LWV-Archiv Bestand P 46

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Jugendheim Staffelberg: Personalakten (unverzeichnet)

Bestandsdaten

Bestandsgeschichte 

Die Abgabe der Unterlagen erfolgte in den Jahren 1993 sowie 2008.

Geschichte des Bestandsbildners 

Das Jugendheim Staffelberg bei Biedenkopf wurde als kompletter Neubau für ältere, männliche Jugendliche durch den Landeswohlfahrtsverband Hessen (LWV) errichtet und am 25. September 1962 eröffnet. Konkrete Planungen für den Heimneubau begannen 1957 und waren durch die Überfüllung des Heilerziehungsheims Kalmenhof, wo seit 1952 schulentlassene männliche Jugendliche in öffentlicher Erziehungsfürsorge untergebracht waren, angestoßen worden. Der LWV verfolgte das Ziel, in die architektonische Anlage und in die Erziehungsarbeit des neu gegründeten Heims die neuesten erziehungswissenschaftlichen Erkenntnisse einfließen zu lassen. Aufgelockerter Pavillonbaustil und kleine Wohneinheiten sollten sich von den weitgehend aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert stammenden Gebäuden deutscher Jugendheime absetzen. In Werkstattbereichen erhielten die Jugendlichen eine an den aktuellen Erfordernissen der industriellen Arbeitswelt ausgerichtete berufliche Ausbildung. Sport- und kreative Freizeitangebote sollten die pädagogische Arbeit ergänzen. Die hessische Landesregierung unterstützte das ehrgeizige Ziel, das Jugendheim Staffelberg zu einem Vorzeigeerziehungsheim in dem sich strukturell und sozialpolitisch modernisierenden Hessen zu machen. Zur Eröffnung war die Aufnahme von 120 Jugendlichen zwischen 14 und 21 Jahren vorgesehen, um 1978 hatte der Staffelberg mit 30 Erziehern und zwölf Ausbildern sowie Psychologen und pädagogischen Fachkräften eine Kapazität von 109 Jugendlichen. Erster Leiter wurde der vom Kalmenhof versetzte Carl Böcker, seine Nachfolger waren Karl-Heinz Mathieu und Walter Glandorf.
Trotz oder wegen dieses betonten Reformansatzes wurde der Staffelberg im Juni 1969 zum ersten Ziel von APO-Aktionen gegen eine als repressive „schwarze Pädagogik“ verstandene Heimerziehung. In der Folge von Demonstrationen und Go-ins vornehmlich studentischer und linker Gruppen aus Frankfurt tauchten etwa 40 Jugendliche aus dem Heim in Frankfurter Wohngruppen des links-alternativen Milieus ab. Die Aktionen gegen die Jugendheime Staffelberg, Karlshof bei Wabern und dem Mädchenheim Fuldatal bei Kassel sowie die öffentlich geführte kritische Debatte über den Zustand der öffentlichen Fürsorgeerziehung in Deutschland stießen im LWV Reformmaßnahmen an, die zu einer tiefgreifenden Umstrukturierung der Kinder- und Jugendheime in seiner Trägerschaft führten. Deren Ziel sollte eine Koordination aller öffentlichen und privaten Aktivitäten in der Heimerziehung in Hessen werden. Landesjugendwohlfahrtsausschuss und Sozialministerium entwickelten auf methodischen Vorschlägen eines wissenschaftlichen Beirats für Heimerziehung einen Stufenplan. Mit erheblichem Aufwand wurden nun verbandsweit jene Ziele durchgeführt, die bereits um 1960 im LWV geplant, aber nur unvollständig durchgeführt worden waren: dezentrale Heime, verkleinerte und aufgelockerte Unterbringung, sozialpsychologische Betreuung, Aus- und Fortbildung des fachlich ausgebildeten Personals. So steht der Staffelberg mit der der sog. Heimkampagne in Hessen am Beginn der Heimreform in Hessen.
In den Folgejahren wurde die Öffnung des Jugendheims erweitert durch Aufnahme von externen Jugendlichen aus dem Landkreisgebiet in die heimeigenen Grundausbildungslehrgänge und berufsbildenden Kurse. 1984 bestanden in den Sparten Holz, Metall, Farbe und Elektro zehn Ausbildungsberufe. Auch nach der 1998 (?) vollzogenen Übertragung der öffentlichen Erziehung wieder in kommunale Hand in Kooperation mit dem Landesjugendamt und kommunalen Jugendämtern blieb Verwaltung und Trägerschaft des Jugendheims Staffelberg beim LWV.

Literatur 

Landeswohlfahrtsverband Hessen (Hg.), Jugendheim Staffelberg in Biedenkopf/Lahn. Ein Beitrag zur Heimpädagogik, erschienen zur Einweihung des Jugendheims am 25. September 1965 (Schriften des LWV Hessen, 7), Kassel o.J. [1962].

Karl-Heinz Deutsch, Grundsätze der Heimerziehung unter besonderer Berücksichtigung des Projektes Jugendheim Biedenkopf, in: Der Gemeindetag. Zeitschrift für die gemeindliche Selbstverwaltung, hg. vom Präsidium des Hessischen Städtetages, 13, H. 12, 1960, S. 246-252.

Jörg Westerburg, Über Stockholm zum Staffelberg? Zur Fotosammlung im Archiv des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, in: Christina Vanja (Hg.), Reichtum der Quellen. Vielfalt der Forschung. 30 Jahre Archiv des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen (Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen 17), Petersberg 2016, S. 95-97.