AdJb Bestand N 151

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Diefenbach, Karl Wilhelm (1851-1913) u. Familie von Spaun

Bestandsdaten

Bestandsgeschichte 

Zugang 86/2011.
Depositum des Vereins "Spaun & Diefenbach", Verein für Familienforschung in Seewalchen am Attersee.

2009 hat die Kunsthistorikerin Dr. Claudia Wagner die erste größere Ausstellung in München unter dem Titel „Lieber sterben, als meine Ideale verleugnen!“ (Zitat K.W. D.) zu Karl Wilhelm Diefenbach kuratiert und damit eine Wiederentdeckung des Künstlers eingeleitet. Der Ausstellungskatalog dokumentiert das dem Symbolismus zuzuordnende künstlerische Werk Diefenbachs, würdigt seine reformerischen, pazifistischen und visionären Überzeugungen und zeigt die Stationen seines bewegten Lebens auf. Zudem wird der Einfluss Diefenbachs auf seine Schüler Hugo „Fidus“ Höppener, František Kupka und Gusto Gräser thematisiert.

Nach dem Ende der Ausstellung, die auch in Wien gezeigt wurde, entschloss sich der Nachfahre Harald Spaun, diesen Nachlass zusammen mit der weitergehenden Sammlung zur Familiengeschichte der Spauns in ein öffentliches Archiv abzugeben.
Die umfangreiche Sammlung war von seinem Großvater Fridolin von Spaun (1901–2004), einem Enkel Diefenbachs, Sohn von Diefenbachs Tochter Stella und ihrem Ehemann Paul von Spaun, angelegt worden. Fridolin von Spaun hatte sich über vierzig Jahre lang mit der Familiengeschichte der Spauns befasst, Stammbäume zusammengestellt und Unterlagen zu herausragenden Familienmitgliedern gesammelt, die vor allem im 18. und 19. Jahrhundert in österreichischen Militärdiensten, als Unternehmer oder Kunstmäzene Herausragendes geleistet hatten.
Unterlagen aus der Provenienz des Fridolin von Spaun selbst, seiner zweiten Ehefrau Maria geb. Gamboni sowie der Brüder Paul und Wilhelm Anton von Spaun stellen Schwerpunkte der Spaun’schen Überlieferung dar.
Fridolin von Spaun organisierte die Rückholung von Diefenbachs Nachlass aus Capri nach Dorfen bei Wolfratshausen (Bayern).
Dieser setzt sich mehrheitlich aus Korrespondenzen und Geschäftspapiere zusammen, aber auch Kopierbüchern (1883–1901), die Diefenbachs Postausgänge in seiner intensivsten Schaffensperiode dokumentieren, Fotografien, Tagebüchern, Abschriften, Sammlungsgut sowie einigen wenigen Gemälden.

Ende 2011 konnte das Archiv der deutschen Jugendbewegung den Nachlass Karl Wilhelm Diefenbachs und Familie von Spaun von Harald Spaun übernehmen.
Die Nutzung des Nachlasses ist auf wissenschaftliche Forschungsvorhaben beschränkt und muss den schutzwürdigen Belangen der in den Unterlagen genannten Personen und ihrer Angehörigen Rechnung tragen.
(S. Rappe-Weber)

Geschichte des Bestandsbildners 

K.W. Diefenbach, Künstler u. Lebensreformer.
Lebensdaten: * 24.2.1851 in Hadamar, + 15.12.1913 auf Capri.

Karl Wilhelm Diefenbach wurde 1851 als Sohn von Leonhard Diefenbach, Kunstmaler und -lehrer, in Hadamar geboren, wo er auch aufwuchs. Zeitlebens blieb er seiner Heimatstadt verbunden, ging aber nach dem Abitur zunächst nach München. Dort studierte er Kunst und fand Anschluss an die dortige Kunstszene.
Zeitweise arbeitete er in Fotografen-Ateliers und gewann daraus Anregungen zur Gestaltung von Schattenbildern.
Seine schwache Gesundheit führte ihn auf der Suche nach Genesung zu alternativen Diäten und Kuren. Er legte schließlich – nach einem Erweckungserlebnis 1878 – seine bürgerliche Kleidung ab, ging fortan nur noch in einer knöchellangen Wollkutte und vertiefte sich in viele Reformpraktiken wie Vegetarismus, Nacktkörperkultur und eine naturgemäße Lebensweise.
1885 siedelte er sich – inzwischen verheiratet und Vater zweier Kinder – mit der Familie in Höllriegelskreuth in der Nähe eines Steinbruchs an der Isar an und gründete die Kommune „Humanitas. Werkstätte für Religion, Kunst und Wissenschaft“, die sich einem vegetarischen und gewaltfreien Leben verschrieb.
In dieser Umgebung entstanden zahlreiche Werke; Jünger schlossen sich dem Meister an. Zusammen mit seinem Meisterschüler Hugo „Fidus“ Höppener gestaltete er sein monumentales Hauptwerk „Per aspera ad astra“.
1891 wurde eine umfassende Diefenbach-Ausstellung in München gezeigt, die anschließend auch in Wien zu sehen war. Diefenbach selbst siedelte schließlich nach Wien um, machte eine ausgedehnte Reise nach Italien und Ägypten und gründete anschließend 1897 die Kommune „Himmelhof“ bei Wien, in der sich u. a. der Lebensreformer Gusto Gräser einfand.
Wegen erheblicher finanzieller Schwierigkeiten infolge Betruges sah sich Diefenbach 1899 quasi zur Flucht gezwungen und gründete schließlich auf Capri eine neue Existenz. Manche berühmte Gäste wie Maxim Gorki oder Rainer Maria Rilke fanden ihren Weg in seine Künstler-Villa. Trotz schwieriger Familienbeziehungen – er hatte inzwischen drei Kinder – lebten seine spätere zweite Frau, Kinder und Anhänger, zeitweise auch Lebensgefährtinnen, hier für längere Zeit mit ihm zusammen. Noch einmal erlebte er eine kreative Schaffensperiode. 1913 starb Diefenbach in der „Casa Grande“ auf Capri.
(S. Rappe-Weber)

Literatur 

Claudia Wagner (Hg.): „Lieber sterben als meine Ideale verleugnen!“. Karl Wilhelm Diefenbach (1851-1913), München: Edition Minerva 2009 (Ausstellung des Museums Villa Stuck München vom 29.10.2009–17.1.2010)

Claudia Wagner: Die Diefenbach-Renaissance – Fall und Aufstieg eines Künstlers. Vortrag anlässlich einer Veranstaltung zu Diefenbachs 100. Todestag in seinem Heimatort Hadamar, in: Gudrun Fiedler u. a. (Hg.): Sammeln, erschließen, vernetzen. Jugendkultur und soziale Bewegungen im Archiv (Jugendbewegung und Jugendkulturen. Jahrbuch 10|2014), S. 143–159

Findmittel 

Online-Datenbank ArcInSys

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang 

118 Archivkartons

Bearbeiter 

Elke Hack

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Das Original des 68 m langen Frieses "Per aspera ad astra" sowie weitere Kunstwerke K.W. Diefenbachs befinden sich in dessen Geburtsstadt Hadamar im Landkreis Limburg-Weilburg (Stadtmuseum im Schloss).

Auf Capri werden Diefenbach-Werke in der ehemaligen Klosteranlage "Certosa" präsentiert.