StadtA KS Bestand A 3.38

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Haftprüfungsamt

Laufzeit 

1945-1947

Bestandsdaten

Aufsatz 

Im Zuge des Kriegsendes und der Entnazifizierung waren im Laufe des Frühjahrs und Sommers 1945 in den drei westlichen deutschen Besatzungszonen rund 182.000 Personen durch einen sogenannten „Automatischen Arrest“ ohne Prüfung des Einzelfalls verhaftet und in Internierungslagern untergebracht worden, weil sie einer bestimmten, durch das westalliierte Oberkommando SHAEF definierten Personengruppe angehörten. Ziel war dabei natürlich in erster Linie die Verhaftung von Kriegsverbrechern, aber auch die möglichst rasche Entmachtung und Zerschlagung der NSDAP. Ab September 1945 wurden für viele Personengruppen jedoch Einzelfallprüfungen möglich gemacht, auch, um ein juristisches Vorgehen gegen Kriegsverbrecher u. A. zu ermöglichen. Mit einer Verfügung der Amerikanischen Militärverwaltung vom 15. November 1945 wurde so bestimmten Internierten ermöglicht, einen Antrag auf Haftentlassung zu stellen. Ausgenommen hiervon waren u.a. Kriegsgefangene sowie Personen, die eines Kriegsverbrechens beschuldigt wurden oder einer der Kriegsverbrechen beschuldigten Organisation (u.a. SA, SD, SS, Oberkommando der Wehrmacht, politische Führung der NSDAP) angehörten.
Zur Prüfung dieser Haftentlassungsanträge wurden durch eine Verordnung der amerikanischen Militärregierung vom 21. November 1945 relativ kurzfristig, zum 1. Dezember 1945, in der amerikanischen Besatzungszone „Deutsche (Sicherheits-)Nachprüfungsämter“ eingerichtet. Diese, auch „Haftprüfungsausschüsse“ genannten, Ämter mussten den entsprechenden amerikanischen Behörden zuarbeiten: Reichte ein Häftling einen Antrag auf Freilassung ein, prüfte zunächst die Haftprüfungsstelle der Militärregierung, ob der Antragsteller antragsberechtigt war, also keiner der ausgeschlossenen Personengruppen angehörte. War das der Fall, ging der Antrag weiter an das jeweils zuständige Haftprüfungsamt am eigentlichen Wohnort des Häftlings bzw. an dem Ort seiner Haupttätigkeit. Die „deutschen Nachprüfungsämter“ arbeiteten also nur auf Antrag und auf Zuweisung der Militärregierung. Sie mussten den Freilassungsantrag des Häftlings sowie dessen Erklärung prüfen, außerdem jegliches Beweismaterial; dazu durften sie Akten einsehen und Zeugen verhören. Abschließend entschieden sie allerdings nicht über die Haftentlassung, sondern gaben nur eine Empfehlung („Die Haftentlassung wird empfohlen“ / „Die Haftentlassung kann nicht empfohlen werden“) samt Begründung ab. Die endgültige Entscheidung lag bei der amerikanischen Haftprüfungsstelle, der auch sämtliche Unterlagen zu den geprüften Einzelfällen zuzuleiten waren. Auch waren die deutschen Haftprüfungsstellen in ihrem Vorgehen eng an Vorgaben der Militärregierung gebunden, die Verfügung vom 15.11.1945 war ihre bindende Entscheidungsgrundlage. Die Amerikaner strebten zudem eine schnelle Erledigung der Angelegenheit an und forderten von den deutschen Haftprüfungsämtern rasche Entscheidungen: Innerhalb einer Woche musste über einen Haftentlassungsantrag entschieden werden.

Bestandsgeschichte 

Wann der Bestand des Haftprüfungsamts in das Stadtarchiv kam, ist ebenso unklar, wie der Zeitpunkt seiner ersten archivischen Bearbeitung. Die Verzeichnungen sowie die Bestandsinformationen wurden im Februar 2019 grundlegend überarbeitet.
Der Bestand hat mit nur acht Verzeichnungseinheiten einen sehr geringen Umfang. Es fällt auf, dass die Einzelfallakten mit Haftentlassungsantrag, Erklärung des Antragstellers und der im Rahmen der Prüfung angefallenen Unterlagen nicht überliefert sind. Vermutlich ist dies durch die Berichtspflicht gegenüber dem amerikanischen Nachprüfungsamt begründet, dem die Akten mit der ausgesprochenen Empfehlung übergeben werden mussten. Einzig die Akte zur Philipp Prinz von Hessen, unter den Nationalsozialisten Oberpräsident Hessen-Nassaus, ist in dem Bestand enthalten und dokumentiert einen prominenten Einzelfall. Dennoch lässt sich insbesondere anhand der überlieferten Sitzungsprotokolle die Arbeitsweise des Amtes bzw. der mit der Prüfung im Wesentlichen befassten Zweiten Kammer gut nachvollziehen. Auch die Einzelfälle werden durch die Protokolle in Verbindung mit der alphabetischen Übersicht zumindest grob dokumentiert. Hier fallen noch weitere bekannte Namen, wie zum Beispiel, Gerhard Fieseler ins Auge. Die Akte A 3.38 Nr. 7 enthält zudem Dokumente (Abschriften) zu Oscar R. Henschel, in erster Linie Zeugenaussagen bzw. Leumundszeugnisse. Der Fall wurde aber nicht vom Haftprüfungsamt Kassel bearbeitet, da es ein Spruchkammerverfahren gegen Henschel gegeben hat (siehe hierzu HHStAW 520/22 Nr. 20057 bis 20070).

Geschichte des Bestandsbildners 

Gemäß der Verordnung der Militärregierung vom 21.11.1945 wurde bei der Stadtverwaltung Kassel zum 1.12.1945 ein „(Sicherheits-)Nachprüfungsamt“ für den Regierungsbezirk Kurhessen eingerichtet. Hierzu wurden die in Kassel, wie auch in Wiesbaden, Frankfurt und Darmstadt, bereits zuvor eingerichteten Hauptausschüsse zur „politischen Bereinigung der gewerblichen Wirtschaft“ gleichzeitig zu „deutschen Nachprüfungsämtern“ erklärt. In Kassel bestand das „Deutsche Zentralsicherungsnachprüfungsamt für den Regierungsbezirk Kurhessen“ aus zwei Kammern mit je einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern. Den Vorsitz führten Magistratsrat Dr. Friedrich Schebitz bzw. Oberlandesgerichtsrat a.D. Benno Biermann, vertreten wurden diese von Rechtsanwalt Dr. Erich Rocholl sowie Rechtsanwältin Dr. Elisabeth Selbert. Offenbar tagte in Fragen der Haftentlassung nur die Zweite Kammer; zumindest sind nur von ihr Niederschriften überliefert. Den Akten ist zu entnehmen, dass die Haftprüfungen an die Zweite Kammer übertragen worden waren, da die Erste Kammer zu sehr mit „anderen Aufgaben“ beschäftigt war. Obwohl sich in den Akten keine Hinweise auf eine Auflösung des Amtes finden, kann anhand der Aktenlaufzeiten gefolgert werden, dass das Amt nur längstens bis in das Jahr 1947 hinein Bestand hatte. Da bereits im Laufe des Jahres 1946 der größte Teil der 1945 internierten Personen entlassen worden war und auch die Protokolle des Haftprüfungsamtes nur bis Ende Oktober 1946 datieren, kann davon ausgegangen werden, dass die Prüfung der Anträge von Häftlingen aus der Provinz Kurhessen bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen und die Aufgabe des Kasseler Haftprüfungsamts damit erledigt war.

Literatur 

Artikel „Automatischer Arrest“, Wikipedia (Zugriff am 6.2.2019)

A 3.38 Nr. 1 und 2

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang 

8 Akten

Referent 

Falanga