ISG FFM Bestand A.40.02

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften

Laufzeit 

1901 - 1941

Siehe

Korrespondierende Archivalien 

Zur Geschichte der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften befinden sich weitere Unterlagen Archiv der Universität Frankfurt, im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden im Bestand 405 (Preußische Regierung Wiesbaden) sowie im Hessischen Staatsarchiv Marburg im Bestand 150 (Oberpräsidium der Provinz Hessen-Nassau) und im Bestand 152 (Provinzialschulkollegium).

Bestandsdaten

Bestandsgeschichte 

Der Bestand enthält Anmelde- und Kollegienregister, laufende Listen, Namensverzeichnisse zu den Besuchern, Hospitanten und Hörern, sowie Exmatrikelbücher. Die Laufzeit des Bestandes
reicht von 1901 - 1941, d.h. über das Bestehen der Akademie hinaus, da Schriftwechsel betr. Besucher zu den Personalbögen hinzugefügt wurden.

Provenienz und Zugangsdatum des Bestandes konnten aufgrund fehlender Eintragungen in den Zugangsbüchern nicht ermittelt werden.

Geschichte des Bestandsbildners 

Die Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften wurde am 21. Oktober 1901 im Festsaal des Dr. Hochsehen Konservatoriums im Beisein von Oberbürgermeister Dr. Franz Adickes feierlich eröffnet.

Entscheidende Initiative für die Gründung der Akademie ging vom Frankfurter Kaufmann Wilhelm Merton aus und dem von ihm 1896 ins Leben gerufenen Institut für Gemeinwohl. Der Magistrat setzte für die Erarbeitung von Vorschlägen für eine Akademie eine Kommission ein, der neben Oberbürgermeister Dr. Franz Adickes die Stadträte Dr. Karl Flesch, Otto Grimm, Heinrich Flinsch und Joseph Baer angehörten. Diese Kommission legte der Stadtverordnetenversammlung am 06. Juni 1899 eine Denkschrift über eine in Frankfurt a.M. zu errichtende "Akademie für Staatswissenschaften und Wirtschaftslehre (Sozial- und Handelswissenschaften)" vor.
An den Beratungen waren auch Dr. Andreas Voigt, Sekretär des Instituts für Gemeinwohl, sowie Alfred von Neufville und Max von Guaita für die Handelskammer zu Frankfurt beteiligt. Bereits 1897 hatte die Frankfurter Handelskammer die Errichtung einer Handelshochschule erwogen. Um zunächst Erfahrungen auf diesem Gebiet zu sammeln, wurden am 22. Nov. 1897 "Akademische Kurse für junge Kaufleute" im Saal der Effectensozietät durch Dr. Hatschek, Syndikus der Handelskammer, eröffnet.
In ihrer Sitzung vom 11. Juli 1899 genehmigte die Stadtverordnetenversammlung den vorgesehenen städtischen Zuschuss von 30.000 Mark. Am 12. Sept.1900 wurde dann ein Vertrag zwischen der Stadt und dem Institut für Gemeinwohl über die Gründung einer Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften in der Börsenstraße 19 von Oberbürgermeister Dr. Adickes und Stadtrat Dr. Willy Levin für die Stadt, sowie von Wilhelm Merton und Dr. Andreas Voigt, unterzeichnet.
Gemäß ihrer Satzung übernahm die Akademie die Aufgaben einer Handelshochschule für Kaufleute und Industrielle auf dem Gebiet der Sozial- und Handelswissenschaften. Ferner wurden Verwaltungsbeamten, Richtern, Anwälten und anderen Gelehrten die Möglichkeit zu vertiefenden und erweiterten volks- und rechtswirtschaftlichen sowie sozialpolitischen Studien geboten. Darüber hinaus hatten im Berufsleben stehende Personen die Gelegenheit, ihr Wissen auf den genannten Gebieten zu vertiefen. Insbesondere konnten sich Lehrer für eine Lehrtätigkeit an Handels-, Gewerbe- oder Fortbildungsschulen weiterbilden lassen.
Im Bedarfsfall wurden auch Kurse für städtische Beamte und Angestellte zur Einführung in die Reichsversicherungsordnung und für Konsularassessoren des Auswärtigen Amtes abgehalten.

Träger der Akademie waren die Stadt Frankfurt und das Institut für Gemeinwohl mit einem jährlichen Beitrag von je 30.000 Mark sowie die Handelskammer und die Gesellschaft zur Beförderung nützlicher Künste und deren Hilfswissenschaften (Polytechnische Gesellschaft) mit einem jährlichen Beitrag von je 5.000 Mark.
Die Akademie war dem Minister für geistliche, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten sowie für Handel und Gewerbe unterstellt.
Die staatliche Oberaufsicht wurde dem Oberpräsidenten der Provinz Hessen-Nassau übertragen.
Die Verwaltung lag in den Händen eines Großen Rats, der sich aus folgenden Mitgliedern zusammensetzte: Der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt und zwei weitere vom Magistrat zu
wählende Mitglieder, drei von der Stadtverordnetenversammlung, sechs vom Institut für Gemeinwohl, zwei von der Handelskammer und ein von der Polytechnischen Gesellschaft zu wählendes Mitglied. Dazu kamen die mit Sitz im Großen Rat angestellten Lehrer der Akademie. Die Mitglieder wurden auf drei Jahre gewählt, ebenso der aus ihrer Mitte gewählte Vorsitzende und sein Stellvertreter.
Ausführendes Organ war der aus Mitgliedern des Großen Rats gewählte Verwaltungsausschuss, dessen Vorsitz der Oberbürgermeister führte. Er bestand aus acht bis zehn Mitgliedern, von denen mindestens eines dem Lehrkörper angehörte, drei aus den von den städtischen Behörden und drei aus den vom Institut für Gemeinwohl entsandten Mitgliedern des Großen Rats entnommen sein mussten. Anstelle eines an Handelshochschulen üblichen Studiendirektors erhielt die Akademie, ähnlich den Universitäten, einen Rektor mit zweijähriger Amtszeit, die jeweils am 21. Oktober begann, ab 1911 am 1. Oktober.

Rektoren der Akademie waren:
1901 - 1903 Prof. Dr. Heinrich Morf
1903 - 1905 Prof. Dr. Kurt Buchard
1905 - 1907 Prof. Dr. Ludwig Fohle
1907 - 1909 Prof. Dr. Martin Freund
1909 - 1911 Prof. Dr. Berthold Freudenthal
1911 - 1913 Prof. Dr. Friedrich Panzer
1913 - 1914 Prof. Dr. Richard Wachsmuth

Zulassungsbedingung war, abgesehen von Personen mit akademischer Vorbildung, das Abitur oder ein entsprechender Abschluss. Auch Kaufleute, Industrielle, Versicherungsangestellte und andere Berufstätige mit Berechtigung zum einjährigen freiwilligen Dienst und mindestens zweijähriger Praxis sowie in Seminaren ausgebildete und für ein Lehramt befähigte Lehrer und Ausländer, deren Vorbildung nach den Bestimmungen des Verwaltungsausschusses für genügend erachtet wurde, konnten als Besucher zugelassen werden. Eine Mindestzahl von acht Wochenstunden war zu belegen. Wer dieses Stundensoll nicht erfüllen konnte, konnte sich als Hospitant einschreiben. Außerdem konnten auch Personen, die den o.g. Anforderungen nicht entsprachen, aber mindestens 20 (1907 herabgesetzt auf 18) Jahre alt waren, als Hörer zu den Vorlesungen zugelassen werden.

Dank der Georg und Franziska Speyerschen Studienstiftung sowie einer Stiftung der Familien Lucius und Meister von 1901 konnten neue Lehrstühle im Rahmen der philosophischen Fakultät begründet und unterhalten werden. Eine 2-Millionen-Stiftung der Brüder August und Franz Jügel zum Gedächtnis ihres Vaters Carl Christian Jügel fiel am 17. Febr. 1901 an die Stadt. Diese verwendete man zum Bau und Betrieb einer höheren Unterrichtsanstalt in der Jordanstraße 17, die zum Gedächtnis des Stifters "Jügelhaus" genannt wurde, sowie zur Unterhaltung von vier Dozenten für Geschichte, Philosophie, deutsche Sprache und Literatur. Am 21. Okt. 1906 konnte die Akademie nach ihrem Umzug von der Börsenstraße 19 in die Jordanstraße das neue Gebäude einweihen.
Durch weitere Stiftungen, v.a. von Eugen Tornow, Arthur von Weinberg, Dr. Varrentrapp, Otto und Ida Braunfels und Julius Wertheimer, sowie die räumliche und fachbezogene Nähe des Physikalischen Vereins konnte der Fächerkanon stetig erweitert werden: Zu den wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Kernfächern kamen Vorlesungen auf einigen Gebieten der Naturwissenschaften, Rechtswissenschaften, neuere Sprachen, Geschichte, Philosophie, Psychologie, Kunstgeschichte und Völkerkunde.

Unter den Lehrkräften der Akademie befanden sich v.a. anerkannte Frankfurter Wissenschaftler:
- Prof. Dr. Heinrich, erster Stadtkämmerer (Statistik und Versicherungswissenschaften),
- Hofrat Dr. Bernhard Hagen, Leiter der Völkerkundemuseums (Völkerkunde),
- Dr. Gottlieb Schnepper-Arndt, Privatgelehrter (Wirtschaftsgeschichte und Statistik),
- Prof. Dr. Richard Schwemer, Oberlehrer am Frankfurter Goethegymnasium (allgemeine Geschichte der neuesten Zeit),
- Dr. Georg Swarzenski, Direktor des Städelschen Kunstinstituts, Generaldirektor der Frankfurter Museen (Kunstgeschichte),
- Prof. Dr. Heinrich Weizsäcker, Direktor des Städelschen Kunstinstituts (Geschichte der bildenden Kunst in Frankreich im 19. Jh.).

So kam Oberbürgermeister Dr. Adickes seinem Ziel näher, in Frankfurt eine Universität zu begründen. Er dachte dabei an einen Zusammenschluss der Institute und Bibliotheken aller wissenschaftlich interessierten Gesellschaften und Vereine.

Am 28. Sept. 1912 schlossen dann folgende Parteien einen Vertrag mit dem Willen zur Gründung einer Universität:
1. Die Stadt Frankfurt, vertreten durch ihren Magistrat, gleichzeitig auch als Inhaberin der unter 2. -4. Genannten Stiftungen,
2. für die Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften,
3. für die Carl Christian Jügel-Stiftung,
4. für die Stiftung Theodor Sternsches Medizinisches Institut,
5. das Institut für Gemeinwohl,
6. die Georg und Franziska Speyersche Studienstiftung,
7. der Physikalische Verein,
8. die Senckenbergische Stiftung,
9. die Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft,
10. die Stiftung Carolinum,
11. Prof. Dr. med. Ludwig Edinger, der hierbei für das von ihm errichtete und ihm zustehende Neurologische Institut handelte.

Nachdem schließlich alle finanziellen und organisatorischen Probleme gelöst waren, bestimmte Kaiser Wilhelm II. den 18. Okt. 1914 als Gründungstag der Stiftungsuniversität. Die Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften kann somit als Vorgängerin der Johann Wolfgang Goethe-Universität betrachtet werden, und ihr Name lebte fort in der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät.

Im Zuge der Universitätsreform erfolgte im Juli 1971 die Aufspaltung der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät in die Fachbereiche Wirtschaftswissenschaften und Gesellschaftswissenschaften. Im Juni 1982 wurde der im Aug. 1977 gegründete Fachbereich
Ökonomie dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften eingegliedert.

Literatur 

Auffarth, Franz Benjamin: Geschichte der Akademie für Sozial und Handelswissenschaften. In: Frankfurter Hochschulkalender 1913/14, S. 25-38, FfM.

Hammerstein, Notker: Die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Von der Stiftungsuniversität zur staatlichen Hochschule; 1914-1950. Frankfurt 1989.

Die Errichtung der Akademie und ihre Entwicklung zur Universität. In: Frankfurter Universitätsreden 1926. Universitätsdruckerei Werner und Winter GmbH.

Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler in FfM. Hsg. Bertram Schefold, Marburg 1982.

Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften: Bericht des Rektors. 1901-05, 1907-11. Fischer Verlag, Jena.

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang 

135 Verzeichnungseinheiten (Stand 2022)

Benutzung 

Lagerort: BO