HStAM Bestand Urk. 75 Nr. 888

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Beschreibung: Urkunde

Identifikation (Urkunde)

Datierung 

1661 Mai 28

Originaldatierung 

… der geben ist in unßer statt Fuldt Sambstag den achtunndtzwanzigsten May im sechzehenhundert Ein und sechzigsten Jahr

Vermerke (Urkunde)

(Voll-) Regest 

Johann [von Gravenegg], Abt von Fulda, bekundet, dass er auf Bitten der Schuhmacherzunft zu Hünfeld die nachfolgend aufgeführten Statuten für ihre Zunft errichtet und bestätigt hat. 1. Wer vor Aufnahme in die Zunft mit einem Mitglied der Zunft Streitigkeiten [?] hat, soll diese vor seinem Eintritt klären. 2. Wer nicht Sohn eines Schuhmachermeisters ist oder die Tochter oder die Witwe eines Schuhmachermeisters geheiratet hat, hat mit einer Urkunde seine eheliche Geburt, einen redlichen Lebenswandel und eine zweijährige Ausbildung bei einem zünftigen Meister nachzuweisen. 3. Vor der Zusage der Aufnahme in die Zunft hat der Bewerber den Meistern drei Kannen des besten Weins zu entrichten. Nach der Zusage hat der Bewerber dem Abt von Fulda zwei Gulden, jeder Gulden zu 44 Albus gerechnet, zwei Kannen des besten Weins und zwei Pfund Wachs, der Zunft aber halb soviel zu entrichten. Ein neuer Meister hat dem Abt und der Zunft einen Bankzins in der Höhe zu entrichten, mit der nach altem Herkommen der jährliche Ertrag eines Meisters beziffert wird; dazu kommen noch die Zahlungen, die Meister üblicherweise zu leisten haben. 4. Wenn ein Meister einen Lehrjungen annehmen will, hat dieser zwei Jahre in die Lehre zu gehen und nicht länger. Der Lehrjunge hat dem Abt von Fulda zwei Gulden, zwei Pfund Wachs und zwei Kannen des besten Weins zu entrichten und der Zunft halb soviel; dazu Käse und Weck sowie 32 Maß Wein. 5. Niemand darf innerhalb einer Bannmeile von Hünfeld das Schuhmacherhandwerk ausüben, wenn er nicht der Zunft angehört; davon ausgenommen sind die drei Jahrmärkte an Walpurgis [1. Mai], Jakobi [25. Juli] und Kreuzerhebung [14. September]. 6. Kein Meister der Zunft soll von einem anderen Meister oder von außerhalb Schuhe kaufen und diese wieder verkaufen, um seinen Zunftmitgliedern nicht zu schaden. Zuwiderhandlungen werden beim ersten Mal mit einer Strafe von einem Gulden für den Abt von Fulda und einem halben Gulden für die Zunft, beim zweiten Vergehen mit demselben [sic!] Strafmaß geahndet. 7. Wer in die Zunft aufgenommen wird, hat zu beschwören, nicht gegen die Interessen der Zunft, des Abtes von Fulda oder der Gemeinde (dem gemainen nutzen) zu handeln und verstoßen und die Geheimnisse der Zunft keinem Fremden mitzuteilen, auch nicht seiner Ehefrau oder seinen Kindern. Verstöße werden mit einer Buße von einem Gulden an den Abt von Fulda und zwei Kannen Wein an die Zunft geahndet. Davon unberührt bleibt das Recht, bei der Obrigkeit Beschwerde einzulegen. 8. Wenn ein Meister einen Gesellen (Jungen) aufnehmen will, der nicht in Hünfeld gelernt hat, kann er dies mit Zustimmung der Meistermänner nach Erprobung des Aufzunehmenden tun. Bei Zuwiderhandlung ist eine Buße von einem Gulden an den Abt von Fulda und zwei Kannen Wein an die Zunft zu zahlen. 9. Kein Meister soll an einen anderen Meister der Zunft Groß- oder Kleinaufträge (daß hundert oder pfennningwerckh zu arbeiten geben) vergeben. Zuwiderhandlungen werden mit einer Buße von einem Gulden an den Abt von Fulda und zwei Kannen Wein an die Zunft geahndet. 10. Kein Meister darf Schwerter oder Degen bei Versammlungen und Gelagen (zech) der Zunft tragen. Zuwiderhandlungen werden mit einer Buße von einem Gulden an den Abt von Fulda und einer Kanne Wein an die Zunft geahndet. 11. Wer bei Versammlungen oder Gelagen der Zunft, bei denen von den Meistermännern Friede geboten wird, stört, etwa durch mutwilliges auf den Tisch klopfen oder Nichteinhalten des Stillschweigens, hat für jedes Vergehen an den Abt von Fulda einen Gulden und an die Zunft zwei Kannen Wein zu entrichten. 12. Wenn ein Meister einen anderen Meister der Lüge bezichtigt, verfällt er den unter Punkt 11 genannten Bußen. 13. Auf dem Markt sollen die Meister ihre Stände nebeneinander, nicht voreinander stellen. Kein Meister darf dem anderen die Kundschaft abwerben, weder durch Deuten, Rufen noch Winken. Bei Verstößen sind an den Abt von Fulda ein Reichstaler und an die Zunft zwei Kannen Wein zu entrichten. 14. Wenn ein Geselle (knecht) einem Meister zugesagt hat, ein halbes oder ein Jahr bei ihm zu arbeiten, und ohne Anführung schwerwiegender Gründe vor Ablauf der zugesagten Arbeitszeit aufhört, darf der Geselle von keinem anderen Meister dieser Zunft angestellt werden. Vom Lohn des Gesellen sind drei Wochenlöhne einzubehalten. Kein Meister soll einem anderen Meister dessen Gesellen abwerben. Bei jedem Verstoß sind an den Abt von Fulda ein Gulden und an die Zunft zwei Kannen Wein zu entrichten. 15. [Nicht lesbar aufgrund verblasster Schrift und Faltung des Pergaments]. 16. Wer Mitglied der Zunft ist, aber das Handwerk nicht ausübt, und weiterhin der Zunft angehören will, hat jährlich am Crispins-Tag [25. Oktober] zwei Gnacken an die Meistermänner zu zahlen; dies gilt auch für Witwen und Waisen. Wer den Zahlungstermin aus schwerwiegenden Gründen nicht einhalten kann, darf die Zahlung innerhalb eines Jahres nachholen; andernfalls ist die Mitgliedschaft in der Zunft beendet. Wer sich außer Landes befindet, verliert die Zugehörigkeit zur Zunft ebenfalls, sofern nicht jemand anderes für ihn die Gebühr bezahlt; eine Wiederaufnahme in die Zunft ist aber möglich, wenn derjenige bei seiner Rückkehr die Gründe für seine Abwesenheit erläutert und alle versäumten Jahresgebühren nachträglich entrichtet. 17. Wenn ein Meister in einem anderen Flecken oder einer anderen Stadt der Herrschaft Fulda auf dem Markt verkaufen will, haben die dortigen Schuhmachermeister den Vorrang, wie es Herkommen ist. 18. Der jeweils jüngste Meister der Zunft fungiert als Zunftknecht. Er erhält für seine Tätigkeit keinen Lohn. 19. Ein neu aufgenommener Meister, sei er Sohn eines Meisters oder habe die Tochter eines Meisters geheiratet oder habe sich in die Zunft eingekauft, hat dem Abt von Fulda zwei Gulden, jeder Gulden zu 44 Albus gerechnet, zwei Pfund Wachs und zwei Kannen des besten Weins zu entrichten und der Zunft halb soviel; dazu Käse und Weck sowie 32 Maß Wein; dazu kommen Reichnisse für den Schreiber und Knecht der Zunft. 20. Jeder Meister darf nur einen Gesellen und einen Lehrling anstellen. Wenn ein Meister zwei Söhne angestellt hat, darf er keinen Gesellen mehr anstellen, es sei denn, einer der Söhne sei auf Wanderschaft. Kommt der Sohn von der Wanderschaft zurück und hat der Vater zwischenzeitlich einen Gesellen eingestellt, muss der Geselle entlassen werden. Bei Verstößen gegen dieses Statut hat der Meister einen Gulden an den Abt von Fulda und einen halben Gulden an die Zunft als Buße zu zahlen. 21. Jeder Meister, der das Schuhmacherhandwerk ausüben will, hat die üblichen Bankzinse am Crispins-Tag [25. Oktober] zu entrichten. Weigert er sich, darf er das Handwerk bis zur Zahlung der Bankzinse nicht mehr ausüben. 22. [Teilweise unleserlich] Wer bei den vom Zunftknecht anberaumten Zunftversammlungen ohne Angabe schwerwiegender Gründe fehlt, hat an die Zunft als Buße ein halbes Maß Wein zu entrichten. 23. Kein Meister darf die anberaumten Zunftversammlungen vorzeitig verlassen. Bei Zuwiderhandlung ist eine Buße von zwei Kannen Wein an die Zunft zu entrichten. 24. Die bislang geltenden Rechte und Gewohnheiten der Zunft werden durch diese neue Zunftordnung nicht aufgehoben, sondern bestätigt. 25. Jeder fremde Geselle, der in der Hünfelder Schuhmacherzunft sein Meisterstück anfertigen und als Meister zugelassen werden will, muss zuvor zwei ganze Jahre bei einem Hünfelder Meister gearbeitet haben. Damit soll verhindert werden, dass die Zunft von fremden Gesellen überlaufen wird, die Qualität der Handwerksarbeit und die Zunft selbst Schaden nimmt und die Schuhmacher geringere Einkünfte erzielen (einer mit dem andern verarmen). 26. Wer aus einer Hünfelder Schuhmacherfamilie stammt und die Tochter oder Witwe eines Schuhmachermeisters oder auch außerhalb der Zunft heiratet, hat wie ein fremder Geselle ein Meisterstück anzufertigen. Johann [von Gravenegg], Abt von Fulda, behält sich für sich und seine Nachkommen vor, diese Zunftordnung zu ändern, zu verbessern, in Teilen oder vollständig aufzuheben oder auch völlig neu zu verfassen. Der Abt gebietet allen Zunftmitgliedern nachdrücklich, die Zunftordnung zu beachten, damit es nicht notwendig werde, die Einhaltung der Ordnung durch Bußen und Strafen seitens der Orbigkeit durchzusetzen. Siegelankündigung (Sekretsiegel) des Abtes Johann [von Gravenegg]. Ausstellungsort: Fulda.

Siegler 

Johann [von Gravenegg], Abt von Fulda (Sekretsiegel)

Formalbeschreibung 

Ausfertigung, Pergament, mit Pergamentstreifen angehängtes Siegel in Holzkapsel (restauriert)

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Nachtrag zum Bestand Urk. 75.

Die Datierung ist fehlerhaft. Der 28. Mai 1661 war kein Samstag, sondern ein Dienstag. Aufgrund der teilweise stark verblassten Schrift sind einige Statuten nicht mehr vollständig zu erschließen.

Vgl. zu der Urkunde auch HStAM Bestand 98 d Nr. 2781.

Ein Albus (= Weißpfennig) bezeichnet eine seit dem 14. Jahrhundert gebräuchliche Silberscheidemünze, die bis ins 19. Jhd. vor allem im Rheinland, später auch in Hessen geprägt wurde. Ein Albus galt in Hessen neun Pfennige.

Gnacken sind geringwertige Groschen.

Repräsentationen

Aktion Typ Bezeichnung Zugang Info
Detailseite Nutzungsdigitalisat JPG Digitalisat vorhanden
Detailseite Original Urkunde