HStAM Bestand Urk. 75 Nr. 2132

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Beschreibung: Urkunde

Identifikation (Urkunde)

Kurzregest 

Konstantin [von Buttlar], Abt von Fulda, bekundet für die Untertanen und Getreuen des Klosters sowie alle Schuhmachermeister im Zentamt Flieden und in den Dörfern Rommerz, Hauswurz, Nieder- und Mittelkalbach sowie im Amt Sannerz (Sandertz), dass er den dort ansässigen Schuhmachern auf deren Bitten hin eine Zunftordnung gegeben hat.

Datierung 

1716 Mai 18

Originaldatierung 

So geschehen Fuld den 18ten Maii 1716

Vermerke (Urkunde)

(Voll-) Regest 

Konstantin [von Buttlar], Abt von Fulda, bekundet für die Untertanen und Getreuen des Klosters sowie alle Schuhmachermeister im Zentamt Flieden und in den Dörfern Rommerz, Hauswurz, Nieder- und Mittelkalbach sowie im Amt Sannerz (Sandertz), dass er den dort ansässigen Schuhmachern auf deren Bitten hin eine Zunftordnung gegeben hat. Diese war notwendig geworden, weil es in den genannten Orten mangels eines Zunft- oder Innungsbriefs des Öfteren zu Stümperei (stümpelereyen) und Streitigkeiten zwischen den ansässigen und den fremden Meistern und Gesellen gekommen war. Auch könnten ihre Nachkommen ohne eine Zunftordnung auf der Wanderschaft und danach auswärts nicht ihr Auskommen finden. Zur Aufrichtung einer funktionierenden Ordnung (pollicey) und für das Fortkommen des Handwerks hat Abt Konstantin den Schuhmachern die folgende Zunftordnung gegeben: 1. Wenn ein Meister vor versammelter Zunft einen Lehrjungen in das Handwerk aufnimmt, soll der Lehrjunge der Obrigkeit sechs Gulden bezahlen und der Zunft halb soviel; außerdem soll der Lehrjunge für eineinhalb Gulden Käse und Wecken für die Zunft kaufen. Die Lehrzeit beträgt drei Jahre. Vor seiner Aufdingung in die Zunft muss der Lehrjunge seine eheliche Geburt und einen tugendhaften Lebenswandel nachweisen. Ein Meister soll einen Lehrjungen nicht unter 25 Gulden Lehrgeld annehmen. Meistersöhne bleiben von der Aufdingung und Lossprechung befreit. 2. Ausgelernte Lehrjungen sind verpflichtet, im Anschluß an ihre Lehrzeit drei Jahre auf Wanderschaft zu gehen oder andernfalls der Herrschaft acht Gulden zu bezahlen, bevor sie sich häuslich an einem Ort niederlassen. Hat ein Geselle kein Meisterstück angefertigt, kann er ersatzweise auch drei Jahre lang bei einem Meister aus den genannten Orten arbeiten. Bei Verstößen gegen diese Regel sind der Herrschaft 20 und der Zunft zehn Gulden zu bezahlen. 3. Wenn ein Auswärtiger in einen der genannten Orte zieht, um dort das Handwerk auszuüben und dort eine Meistertochter zu heiraten, soll er 15 Gulden an die Herrschaft sowie zehn Gulden und ein Viertel Wein an die Zunft zahlen, um zugelassen zu werden. Ein Meistersohn muss mit Ausnahme des Viertel Weins halb soviel bezahlen. Ein völlig Fremder hat 40 Gulden an die Herrschaft und 30 Gulden an die Zunft zu entrichten. 4. Kein Meister darf mehr als einen Gesellen und Lehrjungen beschäftigen. Bei Verstößen sind der Herrschaft zwei und der Zunft ein Gulden zu bezahlen. 5. Meister, deren Lehrlinge nach ihrer Lehrzeit vor der versammelten Zunft losgesprochen werden, sollen in den darauf folgenden drei Jahren keinen Lehrjungen einstellen, ebenso keinen Jungmeister. Bei Verstößen gilt das in 4. genannte Strafmaß. 6. Wenn ein Lehrling einem Meister aufgedingt ist, diesen aber während seiner Lehrzeit ohne die Angabe von Gründen verläßt und so seine Lehrzeit unterbricht, muss er sich bei der Zunft neu aufdingen und die entsprechenden Gebühren entrichten. 7. Wenn ein Knecht zeitweilig bei einem Meister angestellt ist, diesen jedoch ohne Angabe von Gründen verläßt, soll ihm der Meister drei Wochenlöhne abziehen. Kein anderer Meister darf ihn dann wieder beschäftigen. Ebenso ist es untersagt, dass ein Meister einem anderen Meister dessen Knecht ausspannt. Bei Verstößen sind der Herrschaft zwei und der Zunft ein Gulden zu bezahlen. 8. Es ist keinem Meister erlaubt, von anderen als den Meistern in den genannten Orten Schuhe zu kaufen und wieder zu verkaufen. Bei Verstößen sind der Herrschaft zwei und der Zunft ein Gulden zu bezahlen, außerdem verliert der Schuldige seine Ware. 9. Die alten Meister werden verpflichtet, keine Lappen mit zweifachem Draht (trath) auf die Schuhe aufzusetzen und kein Leder zu schwärzen oder zu schmieren. Meister, die außerhalb ihrer Werkstätten Arbeiten annehmen (stöhr arbeit), sollen nicht weniger als sieben Böhmische [Groschen] für ein paar Schuhe verlangen. Zwei Meister sollen nicht zusammen in einer Werkstatt arbeiten. Bei Verstößen sind der Herrschaft zwei und der Zunft ein Gulden zu bezahlen. 10. Sonstige Angehörige der Zunft wie Witwen und Waisen sollen jährlich am zweiten Pfingstfeiertag, der zugleich auch der Jahrtag der Zunft ist, vor der Zunft erscheinen und dann zwei Böhmische [Groschen] entrichten. Zahlen sie diese Summe nicht innerhalb eines Jahres, werden sie aus der Zunft ausgeschlossen. 11. Bei jedem Jahrtag sollen zwei neue Meister in das Gremium der Viermeister gewählt werden. Die alten Meister müssen an diesem Termin Rechenschaft über die Einnahmen und Ausgaben des abgelaufenen Jahres ablegen. Die Rechenschaft soll vor der geöffneten Zunftlade im Haus des Oberviermeisters abgelegt werden; einer der Viermeister ist zuständig für die Verwahrung und Schließung der Lade. Der örtliche Beamte erhält von der Rechnungslegung einen Bericht; an den Beamten ist außerdem eine jährliche Gebühr von 20 Kreuzern zu entrichten. 12. Wenn Märkte in den genannten Ortschaften abgehalten werden, sollen die zünftig organisierten Meister dort Vorrang vor den auswärtigen Meistern haben. 13. Auf den Märkten sollen die Meister ihre Stände nebeneinander, nicht voreinander stellen. Die Standflächen werden vom jüngsten Meister mittels Los verteilt; zur Losstunde versammeln sich die Meister bei einem Viertel Wein. Kein Meister darf dem anderen seine Kundschaft abwerben. Bei Verstößen sind der Herrschaft ein und der Zunft ein halber Gulden zu bezahlen. 14. Durch den jüngsten Meister werden nach Anweisung durch die beiden Vormeister die Zunftversammlungen, einberufen. Jeder Meister hat das Recht, eine Zunftversammlung zu verlangen. Zur Abhaltung der Zunftversammlungen haben sich die Meister bei der Zunft einzufinden; wer dort nicht erscheint oder ohne Angabe von Gründen die Versammlung verlässt, muss der Zunft zur Strafe ein Viertel Wein bezahlen. 15. Alle bei solchen Versammlungen anwesenden Meister sollen sich friedlich verhalten und mit niemandem Streit anfangen. Wer dieser Anordnung zuwiderhandelt oder trotz des Friedensgebots des Obermeisters nicht schweigt oder sich ruhig verhält, muss der Herrschaft einen und der Zunft einen halben Gulden Strafe zahlen. 16. Wenn sich Mitglieder der Zunft gegenseitig beleidigen, soll die Strafe von der Obrigkeit festgelegt werden. 17. Wenn ein fremder Meister von den Vormeistern ein Gebot verlangt und die Zunft zusammenrufen lässt, soll er der Zunft einen Gulden für Wein geben. 18. Zu den von den Vormeistern einberufenen Versammlungen sollen Meister, Gesellen und Handwerksgenossen rechtzeitig kommen. Über die während solcher Versammlungen verkündeten Beschlüsse sollen sie schweigen und diese für sich behalten. Bei Verstößen ist ein halbes Viertel Wein zu zahlen. Sollte ein Meister oder ein Geselle zu diesen Versammlungen nicht erscheinen, wird ihnen die Ausübung des Handwerks solange untersagt, bis sie wieder an den Versammlungen teilnehmen. Außerdem müssen sie eine Strafe von zwei Gulden an die Herrschaft und von einem Gulden an die Zunft bezahlen. 19. Zur Vermeidung von Unordnung sollen auch die nichtzünftigen auswärtigen und einheimischen Schuhmacher dieser Zunftordnung unterliegen und daher ebenfalls zu den genannten Versammlungen erscheinen. 20. Bei der Zunftversammlung fungiert der jüngste Meister unentgeltlich als Knecht der Zunft. Er muss sich der Zunft gegenüber besonders ehrbar und treu verhalten. Sollten an seiner Amtsausübung Mängel festgestellt werden, muss er eine Strafe in Höhe von fünf Albus bezahlen. 21. Die Herrschaft behält sich vor, Änderungen an dieser Zunftordnung vorzunehmen, sie für ungültig zu erklären sowie unfähige durch fähige Personen zu ersetzen. Ankündigung des Sekretsiegels Abt Konstantins. Handlungsort: Fulda. (siehe Abbildungen: 1. Seite, 2. und 3. Seite, 4. und 5. Seite, Rückseite)

Siegler 

[Abt Konstantin]

Formalbeschreibung 

Ausfertigung, Pergament, unbesiegeltes

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Böhmische [Groschen] werden auch als Prager Groschen bezeichnet.

Ein Albus (= Weißpfennig) bezeichnet eine seit dem 14. Jahrhundert gebräuchliche Silberscheidemünze, die bis ins 19. Jhd. vor allem im Rheinland, später auch in Hessen geprägt wurde. Ein Albus galt in Hessen neun Pfennige.

Repräsentationen

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