HStAM Bestand Urk. 75 Nr. 2159

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Beschreibung: Urkunde

Identifikation (Urkunde)

Datierung 

1723 Oktober 1 / 1724 März 24

Originaldatierung 

Geschehen Caßell den 1ten 8bris 1723 und Fulda den 24ten Mertz 1724

Vermerke (Urkunde)

(Voll-) Regest 

Es wird bekundet, dass es zwischen Konstantin [von Buttlar], Abt von Fulda, und Karl (Carl) Landgraf von Hessen[-Kassel] über die Landeshoheit und die Schutzrechte (schutzgerechtigkeith) über das Dorf Neukirchen an der Haun, die vom Landgrafen beansprucht worden sind, seit 1710 (von dem 1710ten iahr hero) zu Streitigkeiten gekommen ist. Der seit einiger Zeit vor dem Reichshofgericht geführte Prozess war so weit fortgeschritten, dass beide Seiten aufgefordert wurden, ihre Urkunden zur Anerkennung (ad recognoscendum) vorzulegen. Darauf haben die Streitparteien entschieden, ihre Streitigkeiten zur Aufrechterhaltung eines guten nachbarschaftlichen Einvernehmens gütlich beizulegen. Die am Schluss dieses Vergleichs genannten Bevollmächtigten beider Streitparteien haben sich in Bebra in Hessen getroffen und den vorliegenden Vergleich zur Ratifizierung durch die Streitparteien ausgehandelt. 1. Beide Streitparteien hätten die Streitigkeiten über Neukirchen lieber im Rahmen eines Tauschs beigelegt. Wegen der engen Verbindung des Orts mit dem Gericht Neukirchen hat sich dies jedoch als undurchführbar erwiesen. Auch der Tausch des gesamten Gerichts ist von beiden Streitparteien nicht befürwortet worden. 2. Der Landgraf von Hessen-Kassel hat daher dem Abt von Fulda die vollständige (in omnibus et per omnia) Landeshoheit über das Dorf Neukirchen dauerhaft abgetreten. 3. Der jährliche Schutzzins (schutzfrucht) in Höhe von vier Kammergulden, jeder Gulden zu 28 hessischen Albus, und acht hessischen Albus an Geld, acht Vierteln Getreide und drei Kammergulden und 14 hessischen Albus für die Weidenutzung, der vom Dorf Neukirchen an das Amt Hauneck gezahlt worden ist, steht weiterhin Hessen-Kassel zu. Der Abt von Fulda verzichtet im Gegenzug auf alle bislang ausgeübten Schutzrechte. Wenn die Untertanen des Abts im Dorf Neukirchen bedroht werden, muss der Abt von Hessen-Kassel den Schutz erbitten. 4. Es ist festgestellt worden, was der hessen-kasselische Rentmeister in Holzheim von 1710 bis zur Besitzabtretung (deoccupation) des Dorfs Neukirchen im vorigen Jahr [1722 oder 1723] eingenommen hat. Der Rentmeister hat eine Abrechnung zu erstellen und die Einnahmen an Fulda zu übergeben; ebenso hat er die an sich genommenen Urkunden des Dorfs und Gerichts Neukirchen auszuhändigen. Der vor dem Reichsgerichtshof anhängige Prozess ist hiermit aufgehoben. 5. Sobald für die beiden Höfe der von Romrod im Dorf Neukirchen die Nutzung des Pfandes durch den Gläubiger (antichresis et quantum crediti) festgestellt worden ist, wird Fulda den Empfang (annehmung) der Pfandsumme nicht weiter behindern (difficultirn). 6. Hessen-Kassel beansprucht Zinse und Dienste, die auf einem Haus auf dem Burggraben [in Neukirchen] ruhen und die im Register der von Romrod vermerkt sind. Die Zinse und Dienste sind zuvor nach Holzheim geleistet worden, stehen seit einiger Zeit aber aus; der Besitzer des Hauses muss deswegen aber noch befragt werden. Fulda sagt zu, die Angelegenheit unter Hinzuziehung des Rentmeisters in Holzheim umgehend zu untersuchen. 7. Die Grenze zwischen den Fuldaer Ämtern Burghaun, Fürsteneck und Geisa (Geyß) sowie den hessen-kasselischen Ämtern Hauneck, Landeck und Vacha soll begangen werden. Die unstrittigen Grenzabschnitte sollen mit Grenzsteinen markiert werden; die Kosten werden geteilt. Die strittigen Grenzabschnitte bedürfen der Zustimmung Fuldas und Hessen-Kassels. Die Grenzbegehung soll auch die Grenze des Oberamts Schwarzenfels beinhalten. Für die jährliche Grenzbegehung wird als Termin Mai 7 (der 7te Maii) festgelegt. Fehlt eine der beiden Parteien bei der Grenzbegehung, hat die andere das Recht, die Grenze allein zu begehen und gefundene Mängel zu beheben. Die Instandhaltungskosten der Grenzsteine werden geteilt. Sind Beamte einer Partei aus triftigen Gründen verhindert, sollen sie dies rechtzeitig mitteilen; es wird dann ein neuer Termin vereinbart, der innerhalb der nächsten vier Wochen liegen muss. Da sich die Grenzsteine im Lauf der Zeit absenken oder auch ganz verschwinden, sollen nicht nur die Distanz zwischen den einzelnen Grenzsteinen gemessen, sondern auch unveränderliche Geländemerkmale bei der Steinsetzung notiert werden. 8. Der Landgraf von Hessen-Kassel hat vor einiger Zeit von der Familie von Trott die Beiersmühle bzw. die Wüstung in Bernsdorf [Wüstung zwischen Süss und Richelsdorf] und von der Familie von Baumbach das große und kleine Vorwerk auf dem Berg bei Iba erworben. Der Abt von Fulda verspricht, an den Landgrafen und dessen Nachfolger keine lehnsrechtlichen Ansprüche auf diese Güter zu erheben. 9. Den Fuldaer und hessen-kasselischen Untertanen sollen durch diesen Vergleich keine Nachteile entstehen. Die Güter und Rechte der Untertanen in den jeweiligen Landesgebieten bleiben unbeeinträchtigt. Außerdem sollen den Untertanen keine widerrechtlichen Abgaben auferlegt werden. Ankündigung der Unterfertigung. Handlungsorte: Kassel/Fulda. (siehe Abbildungen: Seite 1, Seite 2 und 3, Seite 4 und 5, Seite 6 und 7, Seite 8, Rückseite; Siegel: Lacksiegel 1, Lacksiegel 2)

Unterschriften 

(Gerhard Georg von Schildeck / fürstlich fuldischer deputatus

Ioh[ann] Christoff Grusemann / furstlich hessischer / deputatus)

Siegler 

Gerhard Georg von Schildeck, Johann Christoph Grusemann

Formalbeschreibung 

Ausfertigung, Papier, zwei aufgedrückte Lacksiegel

Weitere Überlieferung 

Nr. 2162.

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Vgl. zur Wüstung Bernsdorf Reimer, Historisches Ortslexikon, S. 41.

Das zweite Datum (24ten Mertz 1724) wurde nachträglich hinzugefügt.

Die Siegelankündigung fehlt.

Ein Albus (= Weißpfennig) bezeichnet eine seit dem 14. Jahrhundert gebräuchliche Silberscheidemünze, die bis ins 19. Jhd. vor allem im Rheinland, später auch in Hessen geprägt wurde. Ein Albus galt in Hessen neun Pfennige.

Repräsentationen

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