HStAM Bestand Urk. 75 Nr. 2163

  • Drucken
  • Verlinken
  • Versenden
  • Verbessern
Alle Digitalisate anzeigen...

Beschreibung: Urkunde

Identifikation (Urkunde)

Datierung 

1724 Juli 14

Originaldatierung 

Geschehen Fulda den 14ten Iulii 1724

Vermerke (Urkunde)

(Voll-) Regest 

Es wird bekundet, dass es nach dem Tod Johann Hartmanns von Hutten zu Steckelberg als letztem männlichen Angehörigen der Familie von Hutten 1704 [Januar 14] [vgl. Nr. 2076] wegen des von ihm hinterlassenen Guts Sannerz (Sanderts) zwischen dem Kloster Fulda und der Grafschaft Hanau zu Streitigkeiten gekommen ist. Das Kloster hat das Gut Sannerz als Fuldaer Mannlehn angesehen und nach dem Tod Johann Hartmanns eingezogen. Der Pfarrer von Ramholz hat Sannerz als Filiale von Ramholz betrachtet, wogegen das Kloster Einspruch erhoben und dem Pfarrer die Ausübung der Pfarrrechte in Sannerz untersagt hat. Des Weiteren ist ein Grenzabschnitt bei Ramholz von Fulda beansprucht worden. Die Grafschaft Hanau hat dagegengehalten, dass das Dorf Sannerz mit allen geistlichen und weltlichen Rechten ein hanauisches Lehn ist, das den Freiherren von Degenfeld verliehen worden ist und zum Gericht Vollmerz gehört. Weiterhin hat Hanau darauf bestanden, dass dem Pfarrer von Ramholz die Pfarrrechte in Sannerz zustehen. Der von Fulda beanspruchte Grenzabschnitt sollte so belassen werden wie zuvor. Es ist zur gütlichen Beilegung der Streitigkeiten zwar umgehend eine Konferenz abgehalten worden; die damals getroffenen Vereinbarungen konnten wegen der Kriegswirren (kriegs troublen) jedoch nicht umgesetzt werden. Zur endgültigen Beilegung der Streitigkeiten hat Konstantin [von Buttlar], Abt von Fulda, auf Bitten des Philipp August Freiherr von Degenfeld als jetzigem Hanauer Lehnsträger des Gerichts Vollmerz und Bevollmächtigtem des Grafen von Hanau, den Christian Ignatius Gerlach, Lizentiat der Rechte, Fuldaer Hof- und Regierungsrat und Geheimer Sekretär, beauftragt, mit Philipp August einen Vergleich zu schließen. In Abwesenheit des Philipp August ist zudem mit dessen Bevollmächtigtem, dem Beamten Johann Adam Lichtenberger, der Vergleich durchgegangen und schließlich vollendet worden. 1. Der Pfarrer von Ramholz erhält die Pfarrrechte über die protestantischen Einwohner von Sannerz. Die Pfarrrechte beinhalten u. a. Begräbnis, Heiraten und Taufen gegen Zahlung der üblichen Stolgebühren; sie dürfen, wenn notwendig, auch in den Häusern der Untertanen ausgeübt werden. Die Untertanen haben die Kirche in Ramholz zu besuchen und werden auch in Ramholz bestattet. Die katholischen Untertanen im Dorf Sannerz besuchen künftig die Kirche in Herolz und werden in Herolz bestattet; der Pfarrer von Herolz übernimmt die Taufen, die Heiraten und nimmt alle sonstigen Pfarrrechte wahr; falls notwendig, kann er diese auch in den Häusern der Untertanen ausüben. Der Pfarrer von Ramholz hat keinerlei Ansprüche auf den Beichtpfennig oder sonstige Opfergelder der katholischen Untertanen. Der Abt von Fulda hat zugestimmt, dass die zwei rheinischen Gulden Erbzins, die bislang vom Haus Ramholz an das Herolzer Zinsregister gezahlt worden sind, in Zukunft den Freiherren von Degenfeld zukommen. Damit es zwischen den Pfarrern von Herolz und Ramholz wegen der Taufen und Heiraten nicht zu Streitigkeiten kommt, ist Folgendes beschlossen worden: sind Ehemann und Ehefrau katholisch, werden die Kinder vom Pfarrer von Herolz getauft; sind Ehemann und Ehefrau protestantisch, werden die Kinder vom Pfarrer von Ramholz getauft; ist der Ehemann protestantisch und die Frau katholisch, werden die Söhne vom Ramholzer Pfarrer getauft, die Töchter vom Herolzer Pfarrer; ist der Ehemann katholisch und die Frau protestantisch, werden die Söhne vom Herolzer Pfarrer getauft, die Töchter vom Ramholzer Pfarrer. Es ist jedoch jedem, der sein Jahr der Mündigkeit (annus discretionis) erreicht, freigestellt, seine Religion nach seinem Gewissen zu wählen. Außerdem sollen die Angehörigen beider Konfessionen vor dem Gesetz gleich behandelt werden. Hinsichtlich der Heirat ist Folgendes entschieden worden: ist der Ehemann protestantisch, geschieht die Heirat vor dem Ramholzer Pfarrer; ist der Ehemann katholisch, geschieht die Heirat vor dem Herolzer Pfarrer. Bei den vor einigen Jahren in Sannerz eingeführten katholischen Feiertagen dürfen die protestantischen Untertanen leise (still) in ihren Häusern arbeiten oder öffentlich auf dem Feld anderer Gemeinden, die protestantisch sind. Hinsichtlich des Beitrags der Untertanen aus Sannerz zum Bauerhalt (bau kosten) der Kirche und des Pfarr- und Schulhauses in Ramholz und ihre diesbezüglichen Frondienste, die sie wie die Ramholzer und Vollmerzer Untertanen leisten müssen, haben die Freiherren von Degenfeld auf die Frondienste bestanden; der Abt hat jedoch vorgebracht, dass dies zukünftig nur zu Streitigkeiten und Behinderungen beim Bauerhalt führen wird und daher die Zahlung einer gewissen Summe vorgeschlagen. Man hat sich darauf geeinigt, dass der Abt von Fulda nach Ausfertigung und Tausch dieses Vergleichs der Kirche in Ramholz 100 rheinische Gulden für den Bauerhalt auszahlt; das Geld wird angelegt und der Zins für den Bauerhalt verwendet. Dafür sind die Untertanen aus Sannerz künftig von allen Abgaben und allen Spanndiensten für die Kirche und das Pfarr- und Schulhaus befreit. Der Beitrag der Untertanen aus Sannerz für die Schule und die Besoldung des Schulmeisters ist dahingehend geregelt worden, dass der Abt, beginnend mit 1724 November 11 (auf Martini dieses 1724ten iahrs), jährlich am Fest des hl. Martin [November 11] zehn rheinische Gulden an Ramholz zahlt. Die Sannerzer Untertanen sind künftig von allen Zahlungen an die Schule und den Schulmeister befreit; ausgenommen sind die Gebühren (accidentien), die dem Schulmeister für seine Tätigkeiten bei Heiraten, Begräbnissen und Taufen zukommen. Die von Degenfeld verzichten auf die ausstehenden Beiträge für die Schule aus den letzten Jahren. Die protestantischen Einwohner von Sannerz sehen den Schulmeister von Ramholz als ihren rechtmäßigen Schulmeister an und müssen ihre Kinder nicht auf andere Schulen schicken. Die katholischen Einwohner dürfen ihre Kinder künftig auf eine katholische Schule schicken oder einen eigenen Lehrer (informator) in Sannerz unterhalten. Die protestantischen Einwohner dürfen ebenfalls einen eigenen Lehrer in Sannerz unterhalten; die von Degenfeld haben sich aber vorbehalten, dass daraus der Schule in Ramholz keine Nachteile entstehen dürfen. Die Kinder der protestantischen Einwohner des Gerichts Vollmerz sind weiterhin zum Besuch der Schule in Ramholz verpflichtet. 2. Die Grenze zwischen Ramholz, Vollmerz und Sannzerz wird in ihrem Verlauf teilweise geändert. Es folgt eine Grenzbeschreibung. Es sollen neue hohe Grenzsteine gesetzt werden, in die die Jahreszahl und die Wappen eingemeißelt werden sollen. Weiterhin soll aufgeschrieben werden, wie viele Ruten jeder Stein von dem nächsten entfernt steht und auf wessen Acker oder Wiese er sich befindet; die Beschreibung ist diesem Vergleich anzufügen. Alle Gebiete, die von Sannerz aus gesehen rechts liegen, unterstehen der Gerichtsbarkeit der von Degenfeld; mit inbegriffen sind alle Rechte und Einkünfte wie Jagd- und Fischrechte. Alle Gebiete, die von Sannerz aus gesehen links liegen, unterstehen mit allen Rechten und Einkünften dem Kloster Fulda. Von der Grenzziehung bleiben die Privatrechte (iura privatorum) der Untertanen aus Sannerz und Ramholz hinsichtlich der Koppelweide, wie sie bereits in einem Vergleich geregelt worden sind, unberührt; unberührt bleiben auch die Zehntrechte des Hauses Ramholz an Äckern unterhalb des wilden Weidensteins. Zwei Grenzsteine oberhalb der Gerlingsmühle, die zu Vollmerz gehört, werden unterhalb der Mühle neu gesetzt; das dadurch abgetretene Gebiet untersteht künftig den von Degenfeld. Das Kloster Fulda kompensiert damit Zugeständnisse der von Degenfeld. Weiterhin verzichtet das Kloster Fulda auf die im Vergleich von 1702 Januar 17 [vgl. Nr. 2066 und 2067] dem Kloster vorbehaltenen vier Hauptrügen, die nunmehr dem Gericht Vollmerz zustehen. Der Vergleich, der vom verstorbenen Vorgänger Abt Konstantins, Adalbert [von Schleifras], 1702 Januar 17 (den 17ten Ianuarii ermelten 1702ten iahrs) geschlossen worden ist, bleibt in Kraft und wird mit diesem Vergleich nochmals beiderseits bestätigt. Die Besteuerung der Untertanen bleibt bei der bisherigen Regelung; keine Herrschaft darf die Untertanen der anderen Herrschaft besteuern. Wenn künftig Besitzungen oder Rechte von Untertanen der einen Herrschaft durch Erbschaften, Schenkungen oder Verkäufe an die Untertanen der anderen Herrschaft gelangen, fallen die Steuern und Abgaben an die Herrschaft, in deren Gebiet die Besitzungen und Rechte liegen. 3. Hinsichtlich der von der Grafschaft Hanau beanspruchten Gerichtsbarkeit und Lehnrechte in Sannerz hat man sich nach langwierigen Verhandlungen geeinigt. Bereits 1704 hat das Kloster Fulda erklärt, der Grafschaft für dessen Ansprüche die Lehnrechte über fünf Bauerngüter in Vollmerz abzutreten. Die von Degenfeld haben vorgebracht, dass sie diese fünf Fuldaer Lehngüter bereits 1698 von Johann Hartmann von Hutten erworben und seitdem drei Mal von Fulda damit belehnt worden sind; da sich die Einkünfte (condition) der Lehngüter seitdem nicht verbessert haben, möchten die von Degenfeld gegen Zahlung eines Geldbetrages ihre Ansprüche auf Sannerz abtreten und die fünf Bauerngüter von der Grafschaft Hanau als Lehn empfangen oder zum Nutzen der fünf Lehn einsetzen. Der Abt von Fulda hat dem Vorschlag der von Degenfeld zugestimmt und wird den von Degenfeld dafür 1800 rheinische Gulden, jeder Gulden zu 15 Batzen oder sechzig Kreuzern, nach dem Austausch der ausgefertigten Vergleiche zahlen. Philipp August von Degenfeld hat für sich und seine Erben auf alle Ansprüche auf die Gerichtsbarkeit in Sannerz und alle anderen dortigen Lehn der Grafschaft Hanau verzichtet; ausgenommen sind die in diesem Vergleich behandelten Pfarrrechte und die Rechte bezüglich der Kirche und der Schule in Ramholz. Philipp August verspricht, die Zustimmung des Lehnsherrn, dem Grafen von Hanau, einzuholen. Für den Fall, dass die Gerichtsbarkeit oder die Lehnsrechte des Klosters Fulda bezüglich Sannerz künftig beeinträchtigt werden sollten, leistet er dem Kloster Währschaft. Das Kloster Fulda leistet wiederum dem Philipp August von Degenfeld Währschaft. Beide Seiten versprechen, den Vergleich uneingeschränkt einzuhalten und allen weltlichen und geistlichen Beamten und Untertanen zu befehlen, nicht gegen die Bestimmungen des Vergleichs zu verstoßen. Bei Verstößen hat der Verursacher alle entstehenden Unkosten zu tragen und entsprechende Strafzahlungen zu leisten. - Der Vergleich ist zweifach ausgefertigt worden. Ankündigung der Unterfertigung und der Siegel des Abts und des Konvents von Fulda. Ankündigung der Unterfertigung und der Siegel der Brüder Philipp August von Degenfeld und Christoph Martin Graf von Degenfeld-Schonburg (Degenfeldt-Schönburg). Die Zustimmung des Grafen von Hanau ist eingeholt [?] (beygefügt) worden. Handlungsort: Fulda. (siehe Abbildungen: Seite 1, Seite 2 und 3, Seite 4 und 5, Seite 6 und 7, Seite 8 und 9, Seite 10, Rückseite; Siegel: Avers 1, Avers 2, Avers 3, Avers 4)

Unterschriften 

(Constantin pr[inceps] ab[bas] F[uldensis] manu propria

Philipp August freyherr / von Degenfeldt manu propria

Amandus von Buseck dechant / undt geßambteß capitul / deß fürstlichen stifftß Fulda

Christoph Martin graff / von Degenfeldt Schonburg manu propria)

Siegler 

Abt Konstantin, Philipp August von Degenfeld, Konvent von Fulda, [Christoph Martin von Degenfeld-Schonburg]

Formalbeschreibung 

Ausfertigung, Pergamentlibell, vier mit blau-gelber Seidenschnur angehängte Siegel in Holzkapseln (Siegel Nr. 4 verloren)

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Vgl. Nr. 2066, 2067, 2076.

Die Kriegswirren beziehen sich vermutlich auf den Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714).

(annus discretionis), Entscheidungsjahr oder Jahr der Mündigkeit: i. d. R. das 14. Lebensjahr, in dem eigenständig über die Religionszugehörigkeit entschieden werden kann.

Die in Artikel 2 angekündigte Beschreibung der Grenzsteine ist dem Vergleich nicht angefügt worden.

Repräsentationen

Aktion Typ Bezeichnung Zugang Info
Detailseite Nutzungsdigitalisat JPG Digitalisat vorhanden
Detailseite Original Original