HStAM Bestand Urk. 75 Nr. 1670

  • Drucken
  • Verlinken
  • Versenden
  • Verbessern

Beschreibung: Urkunde

Identifikation (Urkunde)

Datierung 

1587 Februar 9

Originaldatierung 

... so geben ist den 9ten monatstag Februarii anno Domini millesimo quingentesimo octuagesimo septimo

Vermerke (Urkunde)

(Voll-) Regest 

Wolfgang [von Dalberg], Erzbischof von Mainz, und Maximilian [III.], [erwählter König von Polen], Erzherzog von Österreich, [Hoch]Meister des Deutschen Ordens, kaiserlicher Kommissar und Administrator des Klosters Fulda, bekunden, dass zwischen ihnen Streitigkeiten über Unterleichtersbach (Niderleuchtersbach) bestanden haben. Die Verhandlungen wurden bereits von den Räten Erzbischof Wolfgangs und Heinrichs [von Bobenberg], Hochmeister des Deutschen Ordens, kaiserlicher Kommissar des Klosters Fulda, begonnen und anschließend von zwei Unterhändlern des Adels fortgesetzt, um eine schnelle und gütliche Einigung zu erreichen, die aber nicht zustande kam. Der Erzbischof Wolfgang und der Administrator Maximilian haben darauf ihre Räte angewiesen, die Verhandlungen wieder aufzunehmen, um den Streit mit einem Vergleich zu beenden. [1586] November 4 (des vierten Novembris styli novi) sind die strittigen Punkte von den Räten bei einem Treffen in Hammelburg erörtert worden [vgl. Nr. 1668]]. In dem folgenden Vergleich sind die Streitpunkte nun endgültig beigelegt worden. 1. Der Erzbischof meint, dass zwar dem Kloster Fulda die Zentgerechtigkeit mit den vier Rügen und den Zentfällen in Unterleichtersbach zusteht und die dortigen Einwohner dem Gericht in [Bad] Brückenau unterstehen, die Zivilgerichtsbarkeit (civil obrigkeidt) aber allein dem Erzbistum Mainz zukommt. Das Kloster beansprucht sowohl die niedere als auch die hohe Gerichtsbarkeit. Der Administrator und der Erzbischof haben sich geeinigt, dass, wenn jemand einen Einwohner in Unterleichtersbach oder die Einwohner sich untereinander verklagen wollen, dies vor dem zuständigen Beamten des Erzbischofs in Unterleichtersbach geschehen soll; der Beamte erhält auch die ihm zustehende Bezahlung. Ist die Klage nach sechs Wochen nicht erledigt, übernehmen diese die Beamten in [Bad] Brückenau auf Bitte des Klagenden. Zuvor ist jedoch von den Fuldaer Beamten der Mainzer Vogt zu fragen, ob er bei der Verhandlung der Klagesache anwesend sein will. Wenn er anwesend ist, soll er die Fuldaer Beamten bei der Rechtsprechung nicht behindern. 2. Wenn zwischen denen von Unterleichtersbach und auswärtigen Personen über liegende oder fahrende Habe gestritten wird, sollen zunächst Mainzer Beamte in Unterleichtersbach den Streit entscheiden. Wenn die streitenden Parteien weiterhin klagen wollen, sind sie an das Gericht in [Bad] Brückenau zu verweisen. Die Fuldaer Beamten sollen in Anwesenheit des Mainzer Vogts von Unterleichtersbach den Streit endgültig entscheiden; die Klagenden können an kein anderes Gericht appellieren. 3. Die Vormünder werden von den Mainzer Beamten bestellt. Die Fuldaer Beamten verpflichten die Vormünder in Anwesenheit des Mainzer Dieners. Es steht den Mainzer Beamten frei, von den Vormündern ebenfalls ein Handgelöbnis abzunehmen. Die Vormünder haben vor den Fuldaer Beamten in Anwesenheit des Mainzer Dieners Rechnung abzulegen. 4. Hinsichtlich der vier Personen (der vierer halb), die in Unterleichtersbach auch als [Grenz-]Steinsetzer fungieren, ist folgender Vergleich geschlossen worden: Die Ernennung eines oder mehrerer neuer Steinsetzer steht den Mainzer Beamten zu. Sie haben die Steinsetzer den Fuldaer Beamten bekannt zu geben. Die Fuldaer Beamten vereidigen (mit pflicht beladen) die Steinsetzer. Die Mainzer Beamten nehmen ihnen hinsichtlich der Besichtigung von Flurschäden, Schätzung fahrender und liegender Habe und anderer geringwertiger (geringschezige) Angelegenheiten die Gelübde ab. 5. Wenn sich jemand einem Entscheid dieser Vier widersetzt oder von Mainzer Beamten erlassenen Urteilen nicht Folge leistet, wird er von Mainzer Beamten mit einer Strafe bis zu fünf Gulden belegt. Wenn die Mainzer Beamten zur Durchsetzung der Strafe Gefängnis anordnen und der Geldstrafe wegen die Ehefrau und Kinder [des Straftäters] haftbar machen, sollen sie dem Amtmann in Brückenau übergeben werden. Der Amtmann hat sie nach Maßgabe der Mainzer Beamten und je nach Art des Verbrechens für einen oder mehrere, höchstens jedoch 14 Tage, ins Gefängnis zu sperren. Zur Entlassung der Gefangenen hat der Straftäter Mainz und Fulda Urfehde zu leisten, die dem Amtmann in Brückenau bekannt gemacht werden soll. 6. Es wird [vom Erzbischof] bestritten, dass die Vögte von Unterleichtersbach als Mainzer Diener und Verwalter jemals dem Zent[graf] von Brückenau geschworen haben und dem dortigen Zentgericht unterstellt gewesen sind. Es wird entschieden, dass sowohl der derzeitige als auch alle neu bestellten Vögte den üblichen körperlichen Eid, wie ihn die Untertanen des Klosters leisten, nicht mehr abzulegen haben. Jeder Vogt hat aber dem Fuldaer Amtmann in Brückenau mit Handgelöbnis die Treue zu versprechen. Der Vogt ist nicht wie andere Untertanen dem Zentgericht unterstellt. Wenn er eine Straftat an Leib und Leben begeht, wird diese jedoch vor dem Zentgericht verhandelt. 7. Obwohl die von Unterleichtersbach das Recht haben, in Fuldaer Wäldern Vieh zu weiden und Holz zu sammeln, sind sie daran gehindert worden. Es wird entschieden, dass die Gemeinde diese Rechte weiterhin ausüben darf; wenn kein Leseholz mehr vorhanden ist, dürfen sie Brennholz wie andere Fuldaer Untertanen erwerben. Das Mastgeld bzw. Dehemgeld haben die Mainzer Untertanen in Leichtersbach (Leuchterßbach) in derselben Höhe zu entrichten wie die Fuldaer Untertanen. 8. Hinsichtlich des Waldes Schmittrain ist beschlossen worden, dass die Fuldaer Beamten diesen künftig so bewirtschaften dürfen wie den Wald am Geiersberg. Bei der Aufforstung und Anlegung von Schonungen soll beachtet werden, dass der Viehtrieb der Gemeinde Unterleichtersbach nicht eingeschränkt wird. Die Forderung der Gemeinde, im Schmittrain kostenlos Holz schlagen zu dürfen, ist abgewiesen worden; wenn dort Holz geschlagen wird, darf die Gemeinde es kaufen. 9. Der [Erzbischof von] Mainz beansprucht die Jagdrechte in den Wäldern von Oberleichtersbach und Unterleichtersbach, Geiersnest, Dreistelz, der gesamten Gemarkung von Modlos, Breitenbach, Oberleichtersbach und Unterleichtersbach, den Feldern von Mitgenfeld und an anderen Orten des Amts Brückenau. Das Kloster Fulda will den Mainzer Dienern die Jagd in Unterleichtersbach aber nicht gestatten. Man hat sich geeinigt, dass dem Mainzer Amtmann in Hausen [?] (zue Haußen) und den Mainzer Räten, wenn sie in Unterleichtersbach sind, die Jagd in den Gemarkungen von Unterleichtersbach und Modlos, dem Vogt von Unterleichtersbach die Jagd in der dortigen Gemarkung gestattet wird. Auf die Jagdrechte an den anderen umstrittenen Orten hat [der Erzbischof von] Mainz verzichtet. 10. Die Frondienste der Untertanen aus Unterleichtersbach stehen dem Kloster zu. Die Frondienste sollen nicht erhöht werden. 11. Hinsichtlich der Weiderechte in der Berleite und auf dem Lindenfeld hat sich die Gemeinde Modlos beschwert, dass der Schäfer aus Unterleichtersbach ihnen den Zugang zu den Äckern auf dem Lindenfeld wegen seiner dortigen Weiderechte verweigert. Es wird entschieden, dass der Schäfer das Lindenfeld drei Wochen nach Michaelis [September 29] nutzt, die Weiderechte in der Berleite hingegen [allein] innehat. 12. Die Gemeinde Oberleichtersbach darf im Ersbach auf ihrer Gemarkung uneingeschränkt fischen und Flachsreusen aufstellen. Auf der Gemarkung von Unterleichtersbach darf sie bis zur Aspenmühle hingegen nicht fischen. 13. Wegen des umstrittenen Zehnten auf der Hube (uff der Hueb) sollen in Anwesenheit beider Streitparteien demnächst Grenzsteine gesetzt werden. Es folgt eine Lagebeschreibung der Grenzsteine. Dem Propst von Thulba steht zukünftig der Zehnt der Gebiete auf der linken Seite der Grenzsteine zu, dem Erzbistum Mainz der Zehnt auf der rechten Seite. Da einige Äcker unten an der Landstraße und am Leußbrunnen liegen, und der Zehnt hier ebenfalls umstritten ist, sollen neue Grenzsteine gesetzt werden. Es folgt eine Lagebeschreibung der Grenzsteine. Der Zehnt der Äcker, die auf der rechten Seite Richtung Unterleichtersbach liegen, steht dem Erbistum Mainz zu, der Zehnt der Äcker auf linken Seite Richtung Schönderling dem Propst von Thulba. Die bisherigen Weiderechte der Untertanen auf den dortigen Äckern und Birkenwäldern bleiben unverändert; die Wälder dürfen künftig nicht gerodet werden. Die Herrschaftsrechte des Klosters Fulda bleiben von der Steinsetzung unberührt. 14. Bei der Setzung der Grenzsteine für die Zuweisung der Zehntrechte ist festgestellt worden, dass die Gemarkungen der Dörfer Unterleichtersbach und Schönderling nicht eindeutig abgegrenzt und umstritten sind. Es folgt die Beschreibung der neuen Gemarkungsgrenze. Erzbischof Wolfgang und Administrator Maximilian nehmen den Vergleich in allen Punkten an. Von dem Vertrag sind zwei gleich lautende Urkunden ausgefertigt worden. Siegelankündigung. (siehe Abbildungen: Seite 1, Seite 2 und 3, Seite 4 und 5, Seite 6 und 7, Seite 8 und 9, Seite 10 und 11, Rückseite)

Siegler 

[Erzbischof Wolfgang, Administrator Maximilian]

Formalbeschreibung 

Kopie, Papier, unbesiegelt

Weitere Überlieferung 

Vgl. Nr. 1668 und Nr. 1669; StaM, Kopiare Fulda: K 444, f. 114r-123v

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Maximilian [III.] war von 1587-1598 erwählter König von Polen.

Die in eckigen Klammern eingeschobene Zählung der Streitpunkte ist in der Urkunde nicht enthalten.

Am linken Rand sind einige Korrekturen und Ergänzungen eingefügt worden. Inhaltliche Ergänzungen betreffen: Punkt 1: (auff des clagenten ahnsuchen) und Punkt 8: (waldt, so den Schmidtrain genendt wird).

Die vier Rügen bezeichnen die vier schweren Kapitalverbrechen Mord, Raub, Brandstiftung und Notzucht.

Mit den Vier ist wohl das Vierergericht gemeint.

Das (dehemgeld) bezeichnet eine Abgabe, die für die Waldmast [z. B. von Schweinen] fällig wurde, vgl. DRW II, Sp. 749-750.

Repräsentationen

Aktion Typ Bezeichnung Zugang Info
Detailseite Nutzungsdigitalisat JPG Digitalisat vorhanden
Detailseite Original Original