HStAM Bestand Urk. 75 Nr. 1982

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Beschreibung: Urkunde

Identifikation (Urkunde)

Datierung 

1684 August 30

Originaldatierung 

So geschehen Fulda den 30ten Augusti 1684

Vermerke (Urkunde)

(Voll-) Regest 

Es wird bekundet, dass es zwischen dem Kloster Fulda und den Freiherren von Riedesel zu Eisenbach seit längerer Zeit zu Streitigkeiten insbesondere über die verpfändete Stadt Lauterbach und das Gericht Freiensteinau gekommen ist. Wegen der Streitigkeiten sind an Gerichten mehrere Prozesse anhängig. Zur Beilegung der Streitigkeiten hat Placidus [von Droste], Abt von Fulda, mit Zustimmung des Konvents von Fulda mit den Freiherren von Riedesel zu Eisenbach und Ludwigseck folgenden Vergleich geschlossen. 1. Von Fuldaer Seite wird behauptet, dass nicht nur die Stadt Lauterbach sondern auch die Zentvogtei über die Stadt und die um die Stadt gelegenen Güter zur Pfandschaft Lauterbach gehören. Laut einer Urkunde von 1419 hat der damalige Mitbesitzer, der Ritter Rorich von Eisenbach, die Zentvogtei und die Güter dem Kloster verkauft; derselbe Ritter hat sie darauf 1427 dem Erzbistum Mainz verpfändet [!]; vom Erzbistum sollen sie an den Ritter Hermann Riedesel weitergegeben (transferirt) worden sein. Die von Riedesel behaupten, dass der genannte Verkauf des Rorich von Riedesel niemals rechtskräftig geworden ist; die Urkunde ist zwar im Original vorhanden, aber zerschnitten und somit ungültig (cassirt) gemacht worden; Übergabe (traditio) und Bezahlung (numeratio) der Zentvogtei und der Güter sind nicht zu beweisen; ohne Zustimmung der Lehnsherren und der Verwandten (agnaten) konnte der Verkauf nicht rechtskräftig werden; die Zentvogtei und andere eisenbachische Güter sind keine Lehen des Erbistums Mainz, sondern laut eines uralten Rechtsanspruchs (titulus) Lehen der Grafen von Ziegenhain und Hessen gewesen; die Tochter des Rorich von Riedesel als dessen Erbin hatte zudem Anspruch auf die Zentvogtei und Güter. Da die von Riedesel die Pfarrlehen und alle geistlichen Lehen nicht nur von Hessen, sondern auch von Fulda als Lehen tragen, und die Aufteilung der Lehen weitere Rechtsprozesse und Auseinandersetzungen mit dem hessischen Fürsten nach sich ziehen würden, hat der Abt mit Zustimmung des Konvents dauerhaft auf alle Ansprüche auf die verpfändete Stadt Lauterbach und auf die Zentvogtei Lauterbach mit allem Zubehör verzichtet. Die von Riedesel haben aber die Stadt Lauterbach mit allen Rechten und Einkünften von Fulda als Lehen zu empfangen; bei einer Belehnung ist kein Handlohn (lehentax) zu zahlen; es fällt lediglich eine Schreibgebühr für die Ausfertigung der Lehnsurkunde an. Der Abt Placidus sagt für sich und seine Nachfolger zu, die Freiherren von Riedesel bei der Nutzung der Stadt Lauterbach nach Maßgabe der Reichsverfassung und der Gesetze in keiner Weise zu beeinträchtigen. Sollte es trotzdem zu Streitigkeiten kommen, dürfen die von Riedesel Prozesse vor dem kaiserlichen Kammergericht in Speyer oder dem Reichshofgericht anstrengen. Der Abt behält sich die von der Pfandschaft Lauterbach nicht berührten Lehnsrechte, die das Kloster bisher ausgeübt hat, ausdrücklich vor. 2. Der Besitz des Gerichts Freiensteinau mit allen Rechten ist den Freiherren von Riedesel in einem Prozess vor dem kaiserlichen Kammergericht in Speyer rechtskräftig zuerkannt worden; dem Kloster Fulda sind nur Eigentumsklagen (petitorium) sowie das Abtsgericht vorbehalten worden. Der Abt Placidus verzichtet auf alle Ansprüche auf das Gericht Freiensteinau mit Ausnahme der drei Dörfer [Hauswurz, Rebsdorf und Neustall]; ausgenommen sind laut Passauer Vertrag Fälle von Religionsvereinigung [= Konfessionswechsel ?]. Der Abt wird die Freiherren von Riedesel in keiner Weise im Besitz des Gerichts und bei der Ausübung der Gerichtsbarkeit behindern. Die dem Kloster Fulda bisher zustehenden Einkünfte innerhalb des Gerichts werden von den Freiherren gegen gleichwertige Einkünfte getauscht. 3. Die Freiherren von Riedesel treten an Abt und Kloster die bisher zum Gericht Freiensteinau gehörenden Dörfer Hauswurz, Rebsdorf und Neustall (Newenstall) mit allen Gemarkungen, Einkünften und Rechten dauerhaft ab. Sie versprechen, die Zustimmung ihres Lehnsherrn, [Karl von Pfalz-Simmern], Kurfürst von der Pfalz, einzuholen [vgl. Nr. 1984], und leisten Währschaft. Der Abt sichert den Untertanen der drei Dörfer die Religionsfreiheit laut den Bestimmungen des Westfälischen Friedens zu. 4. Das Kloster Fulda schuldet den Freiherren von Riedesel 16000 Gulden von der Pfandschaft Lauterbach und aus (destitutions uncosten) [?]. Das Kloster fordert wiederum Einkünfte des Gerichts Freiensteinau, die ihm durch kaiserliches Urteil (execution) zugesprochen worden sind, sowie eine Entschädigung für Kriegsschäden, die sich auf 13000 Gulden belaufen; die geforderte Gesamtsumme wird mit etwa 17000 Gulden beziffert. Es wird entschieden, dass sowohl die 16000 Gulden als auch die 17000 Gulden nicht gezahlt werden müssen und auch künftig nicht gefordert werden dürfen. 5. Die von Riedesel zu Eisenbach sagen zu, nach Inkrafttreten dieses Vergleichs an den Abt und das Kloster 9000 Reichstaler zu zahlen; die Belehnungen und notwendigen Anweisungen sollen gleichzeitig (pari passu) gegeben werden [?]. 6. Die am kaiserlichen Kammergericht in Speyer wegen der Pfandschaft Lauterbach und des Gerichts Freiensteinau anhängigen Prozesse werden von beiden Streitparteien eingestellt. 7. Die von Riedesel haben bislang im Dorf [Bad] Salzschlirf die Erbhuldigung besessen; ihr Schultheiß in Angersbach hat an den Sitzungen der drei Gerichte teilgenommen. Laut eines Vertrags von 1511 erhalten die von Riedesel von den Strafsachen, die mit Geldbußen geahndet werden, und vom Einzugsgeld [?] und Schankgeld (zapffengeldt) jeweils den dritten Pfennig. Das Drittel der niederen Gerichtsbarkeit haben die von Riedesel vom Haus Hessen als Lehen empfangen. Das Kloster Fulda beansprucht hingegen die Ausübung der Gerichtsbarkeit. Zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten treten die von Riedesel die genannten Rechte an das Kloster ab und versprechen, die Zustimmung ihres Lehnsherrn einzuholen. Die Rechte am Fischgrund sowie die Jagdrechte werden erst nach erfolgter Grenzfestlegung mit einem Vergleich geregelt. 8. Zur Vermeidung künftiger Streitigkeiten wird zudem vereinbart, dass im Verlauf des Jahres in Anwesenheit beider Streitparteien die beiderseitigen Grenzverläufe mit Steinen markiert werden sollen. Beide Streitparteien versprechen bei Treu und Glauben sowie Verpfändung ihrer Güter diesen Vergleich stets und uneingeschränkt einzuhalten; des Weiteren verzichten sie auf die Einlegung jedweder geistlicher und weltlicher Rechtsmittel. Ankündigung der Unterfertigung und Besiegelung. Handlungsort: Fulda. (siehe Abbildungen: Seite 1, Seite 2, Seite 3 und 4, Seite 5 und 6, Seite 7 und 8, Seite 9 und 10, Seite 11 und 12, Seite 13 und 14, Seite 15, Rückseite; Siegel: Papiersiegel 1, Papiersiegel 2, Papiersiegel 3, Papiersiegel 4)

Unterschriften 

(Placidus manu propria

Adalbert von / Schleifraß dechant / meo totiusque capituli nomine manu propria

Iohann Riedeßel / freyherr zu Eysenbach / vor mich undt meine linie manu propria

Georg Riedesell / freiherr zu Eysenbach / und Germasbach [?] / vor mich undt / meine linie / manu propria)

Siegler 

Abt Placidus, Dekan Adalbert von Schleifras und der Konvent von Fulda, Johann Riedesel zu Eisenbach, Georg Riedesel zu Eisenbach und Germersbach

Formalbeschreibung 

Ausfertigung, Papier, vier aufgedrückte Papiersiegel (Siegel Nr. 1, 2 und 4 beschädigt)

Weitere Überlieferung 

StaM, Kopiare Fulda: K 445, f. 46r-51r

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Die Urkunde von 1419 ist nicht im Bestand Urk. 75 enthalten.

Passauer Vertrag von 1552 August 2: Formale Anerkennung des Protestantismus durch König Ferdinand I.

Die Bedeutung von Einzugsgeld ist unklar; vielleicht ist mit Einzuggeld eine Zahlung bei Aufnahme ins Bürgerrecht gemeint, vgl. DRW II, Sp. 1500.

Vgl. Nr. 1983, Nr. 1984 und Nr. 1989.

Repräsentationen

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