HStAM Bestand Urk. 75 Nr. 2062

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Beschreibung: Urkunde

Identifikation (Urkunde)

Datierung 

1701 Juni 29

Originaldatierung 

So geschehen Fulda den tag der beyden heiligen bodten Petri und Pauli im jahr nach der seeligmachenden geburth Christi ein tausendt siebenhundert undt eins

Vermerke (Urkunde)

(Voll-) Regest 

Wilhelm Balthasar Bodt, Amtsverweser im Zentbezirk Fulda und im Amt Giesel (Gießell) sowie Stadt- und Landhauptmann, bekundet im Namen seines Herrn, Adalbert [von Schleifras], Abt von Fulda, dass zu ihm ins Zentamt mehrere Vertreter des Dorfs Neuenberg (Neubergk), das im Zentbezirk Fulda liegt, gekommen sind. Die Vertreter Neuenbergs teilten mit, dass ihre Gemeinde im Besitz einer in verschiedene Punkte unterteilten Dorfeinigung ist, deren Original zwar verloren ging, von der sie jedoch Abschriften auf Grundlage von Kopien der Jahre 1511 und 1556 angefertigt haben. Um nachbarschaftliche Streitigkeiten zu vermeiden, haben sie nun um Bestätigung und Erneuerung dieser Dorfeinigung gebeten. Wilhelm Bodt hat ihnen daraufhin die einzelnen Punkte dieser Einigung bestätigt: 1. Jedes Jahr werden im Wechsel zwei Heimer (heymer) [Hausbesitzer] bestimmt, die der Gemeinde vorstehen. Alle Vorfälle, die an sie gelangen, sollen sie anzeigen oder beobachten. Falls es zu Übertretungen der innerhalb der Gemeinde beschlossenen Gebote und Verbote kommt, muss ein Nachbar zehn, ein Heimer [Hausbesitzer] 20 Groschen Buße bezahlen. Falls jemand nicht zu einem angesetzten Termin erscheint, muss er einen Böhmischen [Groschen] bezahlen. 2. Jährlich an Walpurgis [Mai 1] und am Andreastag [November 30] sollen unter dem Baum eines Heimers oder eines Nachbarn und, falls nötig, mit Rat und Hilfe der Herren, zwei gemeinsame Mähler abgehalten werden. Nach altem Brauch darf bei diesen Mählern keiner der Anwesenden ohne Erlaubnis der beiden Heimer das Wort ergreifen, aufstehen, sich setzen oder auf- und abgehen; Zuwiderhandlungen werden mit einer Buße von einem Böhmischen [Groschen] geahndet. Wer diesem Mahl aber fernbleibt, den darf die Gemeinde willkürlich bestrafen. 3. Denjenigen, die nur eine halbe Hofstelle beziehungsweise einen halben Herd (halbfeyer) [?] besitzen, ist es vom ersten Sonnabend nach Walpurgis bis zum Sonnabend vor dem Bartholomäustag [August 24] nicht erlaubt, nach 15 Uhr auf dem Feld zu arbeiten, zu düngen oder das Vieh auszumisten; nach 18 Uhr darf Futter für das Vieh herangeschafft werden. Bei Verstößen sollen Taglöhner oder andere eine Buße entrichten, Fuhrleute jeweils 20 Gnacken, Handarbeiter hingegen zehn Gnacken. 4. Sobald man sich zu den genannten Mählern gesetzt hat und alle Anwesenden von den beiden Heimern nach der Zahl ihres Viehs gefragt werden, sollen die Gemeindemitglieder wahrheitsgemäß antworten und weder einen Ochsen noch anderes Vieh verschweigen. Falls ein verheimlichtes Tier nicht noch am selben Tag bis Sonnenuntergang gemeldet wird, muss der Besitzer zwei oder drei Schock Geld zur Verfügung stellen, dass auf seine Kosten vertrunken wird. 5. Wegen der Unterhaltung der Hirten (hirttenshutt) wird bestimmt, dass jedes bewirtschaftete oder unbewirtschaftete Haus und Gut des Dorfs an Walpurgis und am Andreastag zwei Metzen Roggen geben muss. Aus dem Garten, den im Jahr 1556 Sebastian Dornheck besaß, der jetzt aber keiner Person mehr zugeordnet werden kann, erhalten die Hirten an Walpurgis sieben Maß Roggen. Wegen der Übergabe (sal) von Schweinen in die Obhut der Hirten vergleicht sich die Gemeinde gesondert. 6. Bei Zusammenkünften sollen die Heimer den Nachbarn die Ursachen für Streitigkeiten auseinandersetzen. Sollte es im Falle von Geboten oder Verboten nicht zu einer Einigung kommen, soll eine Abordnung (abtritt) von sieben oder zehn Männern eine verbindliche Entscheidung herbeiführen. 7. Nachbarn, die im Ort Kälber aufziehen oder kaufen, dürfen diese nach dem zweiten Lebensjahr nicht mehr auf die Weide lassen. Das Weideverbot gilt auch für die Pferde von Juden. Diejenigen, die Pferde haben und sie weiden lassen wollen, müssen diese auf der Weide anbinden (mit kneplen spannen) und von einem Hirten beaufsichtigen lassen, damit dem anderen Vieh kein Schaden geschieht. 8. Jährlich an Aschermittwoch werden von den Nachbarn gemeinsam die Hörner des Viehs begutachtet. Schadhafte Hörner werden dem Vieh abgesägt. Am gleichen Termin soll man auch die Schornsteine der Häuser begutachten, um der Feuergefahr vorzubeugen. 9. Will jemand einen neuen Zaun, der an den gemeinen Weg oder die Straße stößt, errichten, muss er diesen zuvor von der Gemeinde genehmigen lassen. Es ist verboten, auf solchen Zäunen einen Dornenwall anzubringen. Reisig und Dornen, die bei der Pflege der Gärten anfallen, dürfen unter Androhung einer Strafe nicht auf den gemeinen Weg geworfen werden. 10. Wenn jemand durch die Gemeinde bestraft wird, so muss er seine Buße nach altem Brauch bereits am selben Tag ableisten. Am selben Tag wird der entsprechende Betrag vertrunken; wer diesem Umtrunk fernbleibt, fällt seinerseits unter die nachbarschaftliche Strafe und Buße. 11. Männern, Frauen und Kindern ist es untersagt, mit unsauberen Gefäßen aus dem Brunnen (born) zu schöpfen. Der Brunnengraben, der an den Häusern entlangführt, ist sauber zu halten. Verstöße unterliegen den nachbarschaftlichen Strafen und Bußen. 12. Zur Verdingung eines Hirten soll jede Hausgemeinschaft (haußgeseß) einen Batzen für den Kauf von Wein, der Hirte selbst außerdem einen halben Gulden geben. 13. Wenn ein Fremder ins Dorf einheiratet und sich dort niederläßt, muss er der Gemeinde einen Gulden zahlen; ein Einheimischer, der heiratet, einen halben Gulden; zieht jemand innerhalb des Dorfes um, muss er 15 Kreuzer bezahlen. - Wilhelm Bodt bestätigt nochmals die genannten Punkte der Dorfeinigung von Neuenberg; dem Abt wird die Aufhebung der Regelungen vorbehalten. Um den Regelungen der Dorfeinigung Geltung zu verschaffen, bestimmt Wilhelm Bodt, Widerstände gegen die dörflichen Bußen und Strafen beim Zentamt anzuzeigen, wobei die Strafsummen zugunsten des Zentamts verdoppelt werden. Ankündigung der Unterfertigung. Siegelankündigung. Handlungsort: Fulda. (siehe Abbildungen: Vorderseite, Rückseite; Siegel: Avers)

Unterschriften 

(Wilhelmus Balthasarus Bodt manu propria)

Siegler 

Wilhelm Balthasar Bodt

Formalbeschreibung 

Ausfertigung, Pergament, mit Pergamentstreifen angehängtes Siegel in Holzkapsel

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Die beiden erwähnten Kopien der Dorfeinigung von 1511 und 1556 sind nicht überliefert.

Böhmische [Groschen] werden auch als Prager Groschen bezeichnet.

Gnacken sind geringhaltige Groschen.

Repräsentationen

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