HStAM Bestand Urk. 75 Nr. 1652

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Beschreibung: Urkunde

Identifikation (Urkunde)

Datierung 

1578 Februar 18

Originaldatierung 

... das im jare nach Cristi unsers lieben Herrn undt Seligmachers geburt alß man zalt funffzehen hundert siebentzigk undt acht jars in der sechsten roemer zinszal indictio zu latin genant bey regierung undt herrschung des allerdurchlauchigsten grosmechtigsten undt erwelten erwirdilichtsen fursten undt herrn Rudolffen diesses namen des andern erwoelten romischen kaysers ... irer kayserlicher maiestat reich deß romischen im andern des ungarischen in sechsten und des behemischen im dritten jaren uff Dienstagk nach Invocavit welcher wars der achtzehendi monatstagk Februarii zwischen neun undt zehen uhre vor mittagk zu Fulda uff furstlicher cantzley in der stuben gegen dem schloßgraben ...

Vermerke (Urkunde)

(Voll-) Regest 

Erasmus Manß von Hanau (Hanaw), öffentlicher Notar kraft kaiserlicher Autorität und geschworener Stadtschreiber in Steinau an der Straße (Steinaw an der strassen), verliest vor versammelten Zeugen den Inhalt einer Protestation, die zuvor mündlich angezeigt wurde, sowie das Antwortschreiben und die Gegenprotestation Balthasars [von Dernbach], Abt von Fulda, seines Statthalters und seiner Räte. Der Notar bekundet, dass alle diese Handlungen vor ihm persönlich geschehen sind, er alles gesehen und gehört hat und er kraft Amtes darüber mit eigener Hand ein Notariatsinstrument ausfertigt, dieses unterschrieben und mit seinem Notarszeichen versehen hat. Auf Seiten der Protestpartei erscheinen vor dem Notar für sich selbst und stellvertretend für andere Angehörige der Ritterschaft in der Buchen die Adligen Melchior Anarck von der Tann, Eberhard von Buchenau, Wilhelm Rudolf von Haun, Johann von Merlau, Vitel Friedrich (Fritz) von Romrod und Jan Valentin (Valtin) von Trümbach (Trubenbach). Melchior Anarck von der Tann wehrt sich in seiner Funktion als gewählter kaiserlicher Statthalter und Rat des Klosters Fulda mit und vor seinen Verwandten öffentlich mittels einer Protestation gegen die Türkensteuer (turkenschatzung), die gegen die Ritterschaft des Buchenlandes seitens der kaiserlichen Kommissare erlassen wurde. Er verlangt, diese in Abwesenheit des Statthalters oder anderer fuldischer Hofräte zu verlesen. Es folgt die wörtliche Wiedergabe der Protestation Melchior Anarcks von der Tann: Darin wird den kaiserlichen Kommissaren des Klosters Fulda Heinrich [von Bobenhausen], Hochmeister des Deutschen Ordens, und Johann Achilles Ilsung von Kunberg (Kumbergk) und Linda (Lindaw) vorgehalten, dass sie von Gütern und Leuten der Ritterschaft in der Buchen Steuern erhoben hätten. Als Mitglieder der freien fränkischen Ritterschaft im Einzugsbereich des Klosters Fulda seien sie jedoch nur zu Steuerzahlungen direkt an den Kaiser selbst verpflichtet, von dem sie auch das entsprechende Privileg erlangt hätten; Zahlungen an einen anderen Ort seien hingegen ausdrücklich verboten. Ihren Steueranteil zahlten sie daher in die Truhe der Ritterschaft (ritter truge) ein, auf die die kaiserlichen Steuereinnehmer Zugriff besitzen. Außerdem verweist die freie Ritterschaft darauf, dass die adligen Freiheiten vor allem in steuerlichen Dingen bereits unter Abt Balthasar beschnitten worden wären; überhaupt seien davon sowohl religiöse als auch profane Dinge betroffen, besonders aber der Zwang zur Landsässigkeit und zur Unterwürfigkeit, was jedoch schon kraft kaiserlicher Autorität befohlen worden war. Ausdrücklich wird betont, dass die Ritterschaft nicht zur Steuerzahlung an den Abt verpflichtet ist, was vor der Erläuterung dieser Sache im übrigen auch das Reichskammergericht bestätigt hat. So war dieses Privileg schon lange vor den Neuerungen Abt Balthasars zum Gewohnheitsrecht (ius percipuendi vel quasi colligendi collectus) geworden. Durch das eben Geschilderte sei es ihnen daher sehr schwer gefallen, dieser Besteuerung Folge zu leisten; daher hätten einige von ihnen dieser Verpflichtung auch keine Folge geleistet oder sie vergessen und daher dem kaiserlichen Mandat keine Folge geleistet. Sie verpflichten sich aus diesen Gründen, fortan sowohl dem Kaiser als auch dem jeweils regierenden Abt von Fulda Steuern zu zahlen, verlangen aber, nicht wie andere Untertanen oder Lehnsleute des Abtes die Land- oder Erbhuldigung leisten zu müssen, da sie keine Untertanen des Klosters seien. Zu den Privilegien gehört außerdem das Recht zur freien und öffentlichen Versammlung der Ritterschaft (ritter tage) auf dem Gebiet des Klosters, die durch einen speziellen Ausschuss vorbereitet wird; an diesen Versammlungen nehmem auch andere reichsfreie Adlige teil, besonders aus den Orten Rhön (Rhönn) und Werra (Wehrn). Ein weiteres gewohnheitsrechtliches Privileg besagt, dass sich Mitglieder der Ritterschaft jederzeit unter den Schutz eines neuen Herrn begeben können; solche Wechsel sind dann schriftlich anzuzeigen und vertraglich festzusetzen. Es wird nochmals betont, das der Eingriff des Abtes eigentlich einen Verstoß gegen das Privileg der Ritterschaft darstellt. Viele Mitglieder der Ritterschaft hätten die Türkensteuer statt an das Kloster Fulda in die Steuertruhe der Ritterschaft bezahlt. Dennoch wollen sie der Forderung des Abtes aus Verbundenheit und Treue nachkommen; dies soll aber im Sinne des Freiheitsprivilegs als freiwillige Hilfe angesehen werden und nicht zur rechtlichen Grundlage für spätere Handlungen werden. Zur Rückversicherung wird darüber hinaus auf frühere Schadlosbriefe (schadtloßbriefe), die bereits die Vorfahren erhielten, verwiesen. Aus diesen Gründen wird gefordert, die alten Privilegien der Ritterschaft in Zukunft zu respektieren. Man bekundet öffentlich, dass man zwar nun der verlangten Steuerzahlung nachkommt und sich treu gegenüber Abt und Kloster verhält, doch sei man von solchen Leistungen kraft kaiserlicher Autorität eigentlich befreit. Es wird betont, dass die Handlung der Ritterschaft deren guten Willen zur Schau stellt, weil sie letztlich dem Kaiser als unmittelbarem Schutzherren zu Treue und Gehorsam verpflichtet ist. Ferner verlangt die Ritterschaft mit dieser Protestation, dass die gewohnheitsrechtlichen Privilegien ihrer Mitglieder auch in Zukunft unangetastet bleiben. Diese Forderungen richtet sie für sich und ihre Mitgenossen öffentlich an den anwesenden Statthalter und die Räte und bittet den Notar wie auch die anwesenden Zeugen, diese zur Kenntnis zur nehmen. Nach Verlesung des Protestationszettels übergibt Melchior Anarck von der Tann diesen an den Notar und protestiert vor diesem und den Zeugen nochmals persönlich. Auf die Protestation antworten Statthalter und Räte des Klosters Fulda dem Notar in mündlich durch den Magister Johannes Volpart, legen diese Antwort aber auch Wort für Wort schriftlich nieder: Die Protestation der Ritterschaft hat man gehört und vermerkt; man antwortet ihr stellvertretend für die beiden kaiserlichen Kommissare in schriftlicher Form. Es wird besonders auf zwei Punkte der Protestation eingegangen: Zum ersten, dass die Ritterschaft ihre Landsässigkeit innerhalb der Klosterherrschaft Fuldas aufgeben und stattdessen Teil der fränkischen Ritterschaft werden will. Dieses Verlangen wird respektiert, doch dürfe eine solche Entscheidung nicht zum Nachteil des Klosters ausfallen. Zum zweiten wird der Protest der Ritterschaft gegen den Steuereinzug durch das Kloster zurückgewiesen. Man sei sich in dieser Sache keines rechtlichen Verstoßes bewußt; so wiesen etwa ältere Registereinträge nach, dass man schon früher entsprechend gehandelt habe. Das Einziehen der Türkensteuer erfolge laut kaiserlichem Befehl rechtmäßig durch das Kloster. Die Beklagten weisen daher die Protestation der Ritterschaft ab und widersprechen ihr öffentlich; durch diese Auseinandersetzung soll auch nichts für das Kloster präjudiziert werden. Die Steuereinnehmer (collectores) sollen wie gewohnt die Steuer einziehen; der Ritterschaft wird allerdings zugestanden, die Steuer von ihren Mitgliedern nach altem Gewohnheitsrecht selbst einzuziehen. Die Entscheidung wird dem Statthalter und den Räten übermittelt, auch der Abt wird die Sache nochmals zum Nutzen des Klosters bedenken und dann endgültig entscheiden. Sie beauftragen den Notar, über das eben Gesagte eine schriftliche Gegenprotestation anzufertigen und diese zu vervielfältigen und zu beglaubigen. Mit dieser Gegenprotestation sind die Vertreter der Ritterschaft nicht zufrieden, widersprechen ihr und halten einstimmig die Argumente ihrer Protestation aufrecht. Die Protestation wird wiederum dem Notar mitgeteilt; die Ritterschaft bittet ihn, diese ebenfalls im Notarsinstrument niederzuschreiben. Handlungsort: Fulda. (siehe Abbildungen: Vorderseite, Rückseite)

Unterschriften 

(Erasmus Musenlus Hanorensis et sacra imperiali auctoritate notarius publicus subscripsi)

Zeugen 

Jost Recken aus Dipperz (zum Dipparts)

Heinrich (Heintz) Wentzel, Schenkvogt von Niederkalbach (Niderkablbach)

Formalbeschreibung 

Ausfertigung, Pergament, Notarszeichen

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Johann Achilles I. Ilsung stammte aus einem Augsburger Patriziergeschlecht und stand zu Lebzeiten in mehreren Ämtern im Reichsdienst unter Maximilian II. und Rudolf II. Neben der Stellung eines Reichskommissars bekleidete er auch die Würde eines Landvogts in Schwaben und zu Neuburg am Rhein sowie das Amt des Reichspfennigmeisters; vgl. ADB 14, S. 34 f. und NDB 10, S. 142.

Repräsentationen

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