HStAD Bestand J 4 Serie

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Beschreibung: Bestand-Serie

Identifikation (kurz)

Titel 

Hauptzollämter

Laufzeit 

1899-2020

Bestandsdaten

Aufsatz 

Die Hauptzollämter als Teil der Bundeszollverwaltung
Struktur und Entwicklung der deutschen Finanz- und Zollverwaltung
Die Geschichte der gesamtdeutschen Finanz- und Zollverwaltung beginnt 1919 mit der Errichtung der Reichsfinanzverwaltung im Rahmen der Reichsfinanzreform des damaligen Finanzministers Matthias Erzberger. Im nunmehr untergegangenen Kaiserreich von 1871 hatte es keine solche Finanzverwaltung auf Reichsebene gegeben, da die einträglichen direkten Steuern den Bundesstaaten zugeflossen und diesen auch die Verwaltung und Erhebung der dem Reich zustehenden Zölle und Verbrauchsteuern übertragen waren. Durch Erzbergers Reform, die durch das Gesetz über die Reichsfinanzverwaltung und eine Reihe von Steuergesetzen, unter anderem eine Abgabenordnung, 1919/20 umgesetzt wurde, lag die Verwaltung der Zölle und Reichssteuern nun erstmals beim Reich selbst, wofür ein umfassender, dreistufiger Verwaltungsapparat installiert wurde. Als oberste Behörde fungierte das Reichsfinanzministerium, dem als Mittelbehörden mehrere sogenannte Landesfinanzämter zugeordnet waren. Diese hatten wiederum die Aufsicht sowohl über die Finanzämter als auch über die Hauptzollämter (HZÄ) und Zollämter (ZÄ) als untere Finanzbehörden inne.
Dieser dreistufige Verwaltungsaufbau blieb auch während der Zeit des Nationalsozialismus bestehen; lediglich wurden 1937 die Landesfinanzämter in Oberfinanzpräsidenten umbenannt. Das Zollgesetz von 1939 löste zudem das bis dahin geltende Zollgesetz des Deutschen Zollvereins von 1869 ab.
Das Kriegsende 1945 bedeutete zunächst auch das Ende der deutschen Finanzverwaltung in ihrer damaligen Form: Nach der Verhaftung der Reichsregierung übernahm im Sommer 1945 der Alliierte Kontrollrat die Staatsführung und Gesetzgebung in Deutschland; auch die Finanzhoheit hatten nun die Alliierten inne. Während das Finanzministerium und die übrigen oberen deutschen Verwaltungsebenen aufgelöst wurden, waren vor allem die unteren, örtlichen Verwaltungsbehörden unverzichtbar für die Wiederherstellung der Ordnung und Wiederaufnahme der Alltagsgeschäfte. Auch die Mittelbehörden nahmen bereits im Sommer 1945 wieder ihre Arbeit auf. Im neu gegründeten Land Groß-Hessen wurde die Erhebung der Zölle von der amerikanischen Militärregierung noch 1945 dem hessischen Finanzministerium übertragen, welches spezielle Abteilungen für die Wahrnehmung dieser Aufgabe einrichtete. Nachdem 1946 die Oberfinanzpräsidien in Kassel und Darmstadt offiziell aufgelöst worden waren, bestand die Finanzverwaltung in Groß-Hessen bis zur Gründung der Bundesrepublik nur aus zwei Ebenen.
Im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom Mai 1949 nahm die Finanzverwaltung ein eigenes Kapitel ein. Der Bereich des Zolls wurde dabei eindeutig zur Bundesangelegenheit deklariert: Sowohl bekam der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über Zölle und Finanzmonopole zugesprochen, als auch die Verwaltung der Zölle, Verbrauchsteuern und Finanzmonopole, deren Erträge ebenfalls zum Großteil dem Bundeshaushalt zufließen sollten.
Bereits im September 1949 wurde das Bundesfinanzministerium begründet. Mit dem Ersten Gesetz über die Finanzverwaltung (Finanzverwaltungsgesetz) vom 6. September 1950 begann dann der Wiederaufbau der dreistufigen Finanzverwaltung: Als Mittelbehörden fungierten die 12 noch bestehenden Oberfinanzpräsidenten, nun als Oberfinanzdirektionen; zudem wurden mit den Oberfinanzdirektionen in Frankfurt, Freiburg, Tübingen, Koblenz und später Saarbrücken weitere Standorte geschaffen. Die Oberfinanzdirektionen stellten dabei Bundes- und zugleich Landesbehörden dar, da sie sowohl Aufgaben für die Finanzverwaltung der Länder als auch für die Bundesfinanzverwaltung die Verwaltung der Zölle, Monopole und Verbrauchsteuern übernahmen. Als untere Behörden der Bundesfinanzverwaltung blieben weiter die HZÄ mit ihren ZÄ bestehen.
Viele der bisherigen Gesetzesgrundlagen blieben zunächst in Kraft: erst 1962 wurde das Zollgesetz von 1939 durch ein neues ersetzt, die Reichsabgabenordnung von 1919 blieb sogar bis zum Inkrafttreten der neuen Abgabenordnung von 1977 bestehen. Das Zollgesetz von 1962 befasste sich hauptsächlich mit dem Warenverkehr, der Zollbehandlung und -verwaltung, außerdem wurde die Zollabfertigung einfacher und schneller gestaltet. Bereits 1951 war zudem mit einem neuen Zolltarifgesetz der Wertzoll eingeführt worden, der die bis dahin geltenden warenspezifischen Einfuhrzölle ersetzte.
Der beschriebene Aufbau der Finanz- und Zollverwaltung hatte sehr lange Bestand, wenngleich die, insbesondere durch die fortschreitende europäische Integration, sich wandelnden Aufgaben und Funktionen des Zolls immer wieder zu Umorganisationen, Auflösungen beziehungsweise Zusammenlegungen einzelner H-/ZÄ und anderen Rationalisierungsmaßnahmen führten. So wurde beispielsweise 1995/1996 die Anzahl der HZÄ in der Bundesrepublik verringert, da der Arbeitsumfang durch die Abschaffung der Binnengrenzkontrollen innerhalb der Europäischen Union geringer geworden war.
Die Entwicklung des europäischen Binnenmarktes war schließlich auch ein Grund für die bisher umfassendste Umstrukturierung in der Geschichte des Bundeszollverwaltung, die im Jahr 2000 als „Projekt Strukturentwicklung Zoll“ begann und erst 2008 ihren (vorläufigen) Abschluss fand. „Kern der Neustrukturierung“, die sich auf die mittlere und untere Verwaltungsebene konzentrierte und durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Finanzverwaltungsgesetzes und anderer Gesetze vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2897) umgesetzt wurde, war eine „Trennung der Aufgaben der Zollverwaltung nach strategischen und operativen Gesichtspunkten“. Wichtigste Neuerung war hierbei die Einrichtung von fünf Bundesfinanzdirektionen als neue Mittelbehörden der Bundeszollverwaltung, neben dem Zollkriminalamt, welche von den Oberfinanzdirektionen die Zuständigkeit für den Zoll- und Verbrauchsteuerbereich übernahmen – der dreistufige Verwaltungsaufbau blieb also bestehen. Die Zoll- und Verbrauchsteuerabteilungen der Oberfinanzdirektionen wurden aufgelöst, wodurch diese ihren Doppelcharakter als Landes- und Bundesbehörden verloren; sie bestanden, sofern sie im Zuge der Reform nicht vollständig aufgelöst wurden, als bloße Landesbehörden fort. Wichtigste Funktion der neuen Bundesfinanzdirektionen ist die eines „Bindeglied[s] zwischen den strategischen Vorgaben des BMF [Bundesfinanzministeriums, d. Verf.] und der operativen Aufgabenwahrnehmung durch die Ortsbehörden“, also die HZ- und ZÄ. Ihnen obliegt dabei nicht nur die Rechts- und Fachaufsicht über die ihnen nachgeordneten HZ- und ZÄ, sondern auch die Ausarbeitung fachlicher Maßstäbe für jeweils ein bestimmtes Aufgabengebiet.
Die Umsetzung dieser Maßstäbe und damit die Wahrnehmung und Durchführung der eigentlichen „operativen Aufgaben“ der Zollverwaltung wurde allein den örtlichen Behörden, also den HZÄ mit ihren ZÄ – sowie den Zollfahndungsämtern als nachgeordneten Behörden des Zollkriminalamts – übertragen.
Eine völlige Umstrukturierung erfuhr im Rahmen dieser Strukturreform auch der organisatorische Aufbau der HZÄ. Dieser stellte sich bis 2008 wie folgt dar:
Sachgebiet A: Allgemeine Verwaltung
Sachgebiet B: Grundsatzangelegenheiten; Abgabenerhebung (Zölle und Verbrauchsteuern)
Sachgebiet C: Fachaufsicht ZÄ; Abrechnungen, Nacherhebungen und Erstattungen
Sachgebiet D: Prüfungsdienst; Steueraufsicht; Mobile Kontrollgruppen
Sachgebiet E: Finanzkontrolle Schwarzarbeit
Sachgebiet F: Bußgeld- und Strafsachenstellen
Sachgebiet G: Vollstreckungsstellen
ZÄ mit Zollabfertigungsstellen
Zollkommissariate mit Grenzaufsichtsstellen
Zollzahlstellen mit Nebenzollzahlstellen
Im Zuge der Umstrukturierung wurden die Aufgaben nun neu verteilt und in einzelnen Sachgebieten konzentriert, beispielsweise alle Aufgaben im Bereich Ahndung in Sachgebiet F. Die Vollzugsdienste wurden in Sachgebiet C zusammengefasst, in dessen Kontrolleinheiten auch der bisher in Zollkommissariaten und Grenzaufsichtsstellen strukturierte Grenzaufsichtsdienst aufging. Der Aufbau eines heutigen HZA gestaltet sich demnach wie folgt:
Sachgebiet A: Allgemeine Verwaltung
Sachgebiet B: Zölle und Verbrauchsteuern (Abgabenerhebung und Abfertigung)
Sachgebiet C: Kontrolleinheiten – Verkehrswege, Prävention Schwarzarbeit, Grenznaher Raum, See, Flughafen etc. Sachgebiet D: Außenprüfung und Steueraufsicht
Sachgebiet E: Prüfung und Ermittlung Finanzkontrolle Schwarzarbeit
Sachgebiet F: Ahndungsaufgaben (auch im Bereich Schwarzarbeit)
Sachgebiet G: Vollstreckung
Zollämter mit Zollabfertigungsstellen
Zollzahlstellen mit Nebenzollzahlstellen
Führte diese Reform nach Ansicht des Bundesfinanzministeriums auch zu einer Aufwertung der HZÄ, so ging damit gleichzeitig auch eine drastische Reduzierung der HZÄ deutschlandweit von 84 auf 43 sowie der ZÄ von 388 auf 277 einher. Auch wurden die HZÄ für Prüfungen aufgelöst und in den Prüfungsdienst der übrigen HZÄ integriert.

Geschichte des Bestandsbildners 

Die Aufgaben der HZÄ im Rahmen der Bundeszollverwaltung
Nicht erst seit der Strukturreform von 2008, spätestens seit der Einrichtung der Bundesfinanzverwaltung liegt die eigentliche Durchführung der Aufgaben des Zolls maßgeblich bei den örtlichen, unteren Behörden, also den HZÄ und den ihnen nachgeordneten ZÄ. Schon das Finanzverwaltungsgesetz von 1950 sah die HZÄ „für die Verwaltung der Zölle, der Verbrauchsteuern […], für den Zollgrenzdienst, für die Überwachung der Ausfuhr und der Einfuhr von Zahlungsmitteln und für die ihnen sonst übertragenen Aufgaben zuständig.“ Diese abschließende Formulierung öffnete Tür und Tor für die Übertragung weiterer Aufgaben und tatsächlich hat sich der Aufgabenbereich des deutschen Zolls und damit der HZÄ seit damals merklich erweitert.
Das neue Zollgesetz von 1961 reagierte mit seinen Bestimmungen bereits auf einen zunehmenden Wandel in der deutschen Handelspolitik, die sich mehr und mehr einem freien Welthandel öffnete. Damit verbunden war vor allem auch eine Schwerpunktverlagerung in der Zollpolitik: Während nach dem Krieg zunächst weiter die Schutzzollpolitik großgeschrieben und der Schutz der heimischen Wirtschaft als wesentliche Aufgabe des Zolls betrachtet wurde, zeigte sich diese Strategie mit dem seit dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen der Vereinten Nationen von 1947 (GATT – General Agreement on Tariffs and Trade) stetig wachsenden Welthandel als immer weniger vereinbar. Beabsichtigte bereits das GATT vor allem den Abbau von Zoll- und anderen Handelsschranken, wurde dieses Ziel insbesondere für den europäischen Raum durch die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl 1951 und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 1957, die sich 1967, zusammen mit der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM), in der Europäischen Gemeinschaft (EG) vereinigten, konsequent weiter vorangetrieben. Hiermit verbunden war eine stetige Absenkung der Binnenzölle zwischen den Mitgliedsstaaten bis mit der Einführung eines gemeinsamen Außenzolltarifs gegenüber Nicht-Mitglied-Staaten 1970 schließlich die europäische Zollunion erreicht war. Auch in der Folgezeit wurden durch die EG weiterhin die Zölle auf gewerbliche Waren gesenkt, zudem existiert seit 1962 ein „Marktordnungssystem für den gemeinsamen europäischen Agrarmarkt“.
Insgesamt haben die EG und erst recht seit 1993 die Europäische Union sowohl das deutsche Zollrecht als auch die Zollverwaltung in ihrem Aufbau und ihren Funktionen entscheidend geprägt. Die Einführung des gemeinsamen Zollkodex 1994, der das deutsche Zollgesetz von 1961 ablöste, gemeinsamer Marktordnungen und Zollverfahren sowie der immer komplexere Außenwirtschaftsverkehr haben dem Zoll zahlreiche neue Aufgaben beschert; andere Aufgabenbereiche sind hingegen weniger wichtig geworden. So werden spätestens seit 1993 im innereuropäischen Waren- und Reiseverkehr keine Zollkontrollen mehr vorgenommen, was einen nicht unerheblichen Personalabbau an den Grenzen nach sich zog. Das Vorgehen gegen den professionellen Schmuggel, das in den frühen Jahren der Bundesrepublik eine maßgebliche Aufgabe des Zolls gewesen ist, verlor mit der Zeit an Bedeutung, was letztendlich zur Auflösung des Grenzaufsichtsdienstes als eigenen Verwaltungszweig führte. Andere Aufgabenbereiche wurden hingegen erweitert und verstärkt, neue kamen hinzu: So wurde dem Zoll 1981 die Vollstreckung von Geldforderungen für den Bund und Körperschaften des öffentlichen-Rechts übertragen, 2004 die Zuständigkeit für die Schwarzarbeitsbekämpfung in Deutschland; seit 2014 ist er außerdem für die Verwaltung und Erhebung der Kraftfahrzeugsteuer zuständig.
Auch diese Aufgaben werden von den HZÄ wahrgenommen, deren Zuständigkeiten dementsprechend in der aktuellen Fassung des Finanzverwaltungsgesetzes deutlich umfangreicher ausfallen als noch 1950: Demnach sind die HZÄ zuständig
„für die Verwaltung der Zölle, der bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuern einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer und der Biersteuer, der Luftverkehrsteuer, der Kraftfahrzeugsteuer, der Abgaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften, für die zollamtliche Überwachung des Warenverkehrs über die Grenze, für die Grenzaufsicht, für die Bekämpfung der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung und für die ihnen sonst übertragenen Aufgaben“ (§ 12 II Finanzverwaltungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. April 2006).
Als Finanzbehörden sichern die HZÄ damit wichtige Einkünfte, sowohl für den Bund als auch für Europa: etwa 50% der Bundessteuern werden vom Zoll eingenommen, die Einnahmen aus der Erhebung von Zöllen kommen hingegen der EU zugute. Die Aufgabe der Verwaltung der Verbrauchsteuern, hierzu zählen neben der Tabaksteuer, Branntweinsteuer, Alkopopsteuer, Kaffeesteuer, Biersteuer, Schaumwein- und Zwischenerzeugnissteuer auch die Energiesteuer, Stromsteuer und Kernbrennstoffsteuer, sowie des Branntweinmonopols umfasst auch deren zollamtliche Überwachung – sowohl des Warenverkehrs über die EU-Zollgrenzen als auch der Herstellung, Lagerung und Verwendung der jeweiligen Produkte. Die Zollbehandlung von Waren erfolgt heute mit modernen Verfahren, wobei die Warenabfertigung selbst den ZÄ übertragen ist, während die HZÄ unter anderem für die Fachverfahren in diesem Bereich zuständig sind. Die Umsetzung der europäischen Marktordnungen im Agrarbereich besteht aus der Einfuhrabgabenerhebung sowie der Bewilligung von Ausfuhrerstattungen für die jeweiligen Erzeugnisse. Der zollamtlichen Überwachung in Form von Zoll-Kontrollen unterliegen zudem neben dem Außenwirtschaftsverkehr und der Ein-, Aus- und Durchfuhr von Waren auch der internationale Bargeldverkehr und die Einhaltung von Handelsverboten und -beschränkungen. Der Zoll ist damit auch Teil der Vollzugsverwaltung und dient dem Verbraucher- und Artenschutz ebenso wie der Terrorismus- und allgemeinen Kriminalitätsbekämpfung, indem er gegen Produktfälschungen, Geldwäsche, Steuerhinterziehung, Schmuggel und Schwarzarbeit vorgeht. Der Prüfdienst der HZÄ führt neben steuerlichen Betriebsprüfungen im Sinne der Abgabenordnung und Zollprüfungen nach dem Zollkodex auch Präferenzprüfungen, Marktordnungsprüfungen und Außenwirtschaftsprüfungen sowie Prüfungen nach dem Branntweinmonopolgesetz durch.