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ArS MR Bestand 1

Beschreibung

Identifikation (kurz)

Titel

Nachlass Johannes Papritz

Laufzeit

1928-1973

Siehe

Korrespondierende Archivalien

Staatsarchiv Marburg Bestand 340 Papritz

Bestandsdaten

Bestandsgeschichte

In seinem am 18. Dezember 1970 aufgesetzten Testament setzte Johannes Papritz die Archivschule Marburg, die zu diesem Zeitpunkt noch Teil des Hessischen Staatsarchivs Marburg war, zum Erben für sein Familienarchiv einschließlich seines darin eingegliederten persönlichen schriftlichen Nachlasses, seiner Sammlung von archivwissenschaftlichem Material und seiner Fachbücherei zur Archivwissenschaft ein. Nach dem Tod von Johannes Papritz am 20. Juli 1992 ging sein Nachlaß in das Eigentum der Archivschule Marburg über. Da 1988 eine institutionelle Trennung vom Staatsarchiv erfolgt war, wurde auf Vorschlag von Werner Moritz, damals Dozent an der Archivschule, der Nachlass geteilt und das Familienarchiv einschließlich der persönlichen Unterlagen dem Staatsarchiv überlassen. Der im Staatsarchiv Marburg verwahrte Teilbestand (Bestand 340 Nachlass Johannes Papritz) enthält nunmehr die persönlichen Unterlagen im engeren Sinne, daneben vieles zu seiner Tätigkeit als Leiter der Publikationsstelle (PuSte) am Geheimen Staatsarchiv (GStA), da Papritz den Nachlass mit Kopien aus der Dienstregistratur der PuSte und des GStA angereichert hatte. Das Findbuch hierzu stammt aus seiner Hand. Der bei der Archivschule verwahrte Teilnachlass enthält als Kern die Archivwissenschaftliche Kartei mit Fundstellennachweisen, außerdem Manuskripte und Typoskripte von Papritz' Veröffentlichungen zwischen 1928 und 1973, Berichte von seinen archivkundlichen Auslandsreisen und Unterlagen zum Thema Archivtechnik. Daneben befinden sich in ihm auch Materialien zum archivwissenschaftlichen Unterricht an der Archivschule in Form von Sonderdrucken aus Zeitschriften, Texten von Gesetzen und Verordnungen, Fotokopien, Zeitungsausschnitten, Prospekten, Mitschriften von Gastvorlesungen, diversen Abschriften und Materialproben. Zusätzlich finden sich im Wissenschaftlichen Nachlass auch einige wenige Unterlagen aus dem privaten Bereich, aus Papritz' Tätigkeit als Leiter der PuSte und des Staatsarchivs Marburg sowie als Mitglied der Johann-Gottfried-Herder-Gesellschaft in Marburg. Das Gros der Unterlagen aus letzterer Tätigkeit wird im Herder-Institut Marburg verwahrt. Um den Wissenschaftlichen Nachlaß wieder nutzbar zu machen, erfolgte im Sommer- und Herbsttrimester 2002 dessen Ordnung und Verzeichnung durch den 39. Fachhochschulkurs der Archivschule Marburg unter Anleitung der Dozenten Nils Brübach und Stefanie Unger. Die Ordnung folgte der Struktur der vorgefundenen Unterlagen. Bei den Klassifikationspunkten 'Internationales Archivwesen' und 'Archivwissenschaftliche Forschung' konnten die ursprünglichen von Papritz angewandten Ordnungsprinzipien rekonstruiert werden. Die Indizierung erfolgte stets im Singular, geographische Begriffe wurden unter Länder ausgewiesen. Der Bestand umfasst 491 Nummern. Eine von Fritz Wolff erstellte Bibliographie zu Papritz' Veröffentlichungen ist in 'Archivische Erschließung, hg. von Angelika Menne-Haritz (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg, 30)' abgedruckt

Enthält

Wissenschaftlicher Nachlass, Archivwissenschaft

Literatur

Nils BRÜBACH, Johannes Papritz - eine Archivarsbiographie, in: Archivische Erschließung, hg. v. Angelika MENNE-HARITZ (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg, 30), S. 25-38.

Michael BURLEIGH, Germany turns eastwards. A Study of Ostforschung in the Third Reich, Cambridge u.a. 1989.

Fritz WOLFF, Archivwissenschaft und Archivpraxis bei Johannes Papritz, in: Archivische Erschließung, hg. v. Angelika MENNE-HARITZ (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg, 30), S. 11-24.

Findmittel

Maschinenschriftliches Findbuch

Online-Findbuch bei der Archivschule Marburg, siehe http://pcas23.archivschule.uni-marburg.de/papritz/index.htm

Weitere Angaben (Bestand)

Bearbeiter

39. Fachhochschulkurs der Archivschule Marburg, Nils Brübach, Stefanie Unger, Marburg 2003

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen

Biographie von Johannes Papritz

1. Studium, Ausbildung und beruflicher Beginn

Johannes Papritz wurde am 19. April 1898 in Berlin-Charlottenburg als Sohn des Kaufmanns Richard Papritz und seiner Frau Anna geboren. In Berlin-Charlottenburg absolvierte er auch seine Schulausbildung, im November 1916 wurde er eingezogen und war bis zum Januar 1919 Soldat bei verschiedenen Artillerieeinheiten. Im Sommersemester 1919 nahm Papritz an der Berliner Universität sein Geschichtsstudium auf, das Sommersemester 1921 verbrachte er in Jena. Er promovierte im November 1922 bei dem Wirtschaftshistoriker Dietrich Schäfer über die Bedeutung des Stettiner Handelshauses Loitz für den Boisalzhandel im Oderraum in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Nach Ablegung des Staatsexamens für den höheren Schuldienst im Oktober 1923 nahm Papritz am Archivlehrgang 1923/25 beim Preußischen Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem teil. Am GStA erhielt Papritz ab dem 1. Oktober 1925 auch seine erste Anstellung, wurde aber schon Anfang 1926 zum Brandenburg-Preußischen Hausarchiv überwiesen, wo er ein Verzeichnis aller Findbücher zur Neugliederung des Archivs nach dem Provenienzprinzip anlegte. Im Mai 1927 wurde er zu Provenienzbestimmungen und Ordnungsarbeiten an Beständen preußischer Verwaltungseinrichtungen des 19. Jahrhunderts an das Staatsarchiv der Freien Stadt Danzig abgeordnet. Nach seiner Rückkehr an das GStA am 1. März 1929 wurde Papritz mit der Neuorganisation des Archivwesens in den Teilen der ehemaligen Provinzen Westpreußen und Posen beauftragt, die nach 1919 bei Preußen verblieben waren. Das unter seiner Leitung als Teil des 'Ostprogramms' der preußischen Archivverwaltung neu aufgebaute und 1929 eröffnete Staatsarchiv Grenzmark-Posen-Westpreußen bildete eine Abteilung im GStA und unterhielt in Schneidemühl eine Außenstelle. Papritz organisierte dazu die Archivpflege in der Rumpfprovinz. Die Einrichtung des Staatsarchivs Grenzmark-Posen-Westpreußen durch die preußische Archivverwaltung hatte keinesfalls nur archivische Gründe, sondern auch politische und ist vor dem Hintergrund einer revisionistischen Politik des Deutschen Reiches gegenüber seinem östlichen Nachbarn zu sehen.

2. Organisator und Archivar: Mitarbeiter der 'Ostforschung'

Zum Aufbau einer eigenen 'Ostforschung' unter der Ägide der preußischen Archivverwaltung wurde am 1. Januar 1932 beim Geheimen Staatsarchiv eine 'Publikations- und Forschungsstelle' eingerichtet, deren zunächst nur nebenamtlicher Leiter Johannes Papritz wurde. Aufgabenbereiche und Personal der 1933 in 'Publikationsstelle' (PuSte) umbenannten Einrichtung erweiterten sich bis 1941 stetig. Die Arbeitsergebnisse - insbesondere die Übersetzungen von Presse- und Zeitschriftenartikeln und Siedlungskarten - wurden zahlreichen Stellen zur Verfügung gestellt, darunter auch einer ganzen Reihe von Behörden und Parteistellen der NSDAP. Ende des Jahres 1933 war Papritz in Berlin an der Gründung der 'Nordostdeutschen Forschungsgemeinschaft' (NODFG) beteiligt, deren Geschäftsführer er später wurde und die eine ähnliche Zielsetzung wie die PuSte verfolgte. Er galt in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre als führender Experte für Polen und das Baltikum und als hervorragender Organisator. 1938 wurde die PuSte räumlich und organisatorisch vom GStA getrennt, Papritz als deren Leiter zum Archivdirektor ernannt. Im Jahr 1939 wurde die PuSte der Abteilung VI des Reichsinnenministeriums direkt unterstellt. Papritz wurde im Herbst 1939 zum Leiter der deutschen Archivkommission, die die Siedlungstätigkeit der deutschen Bevölkerungsteile in Estland und Lettland dokumentierte. Daneben war er auch als Gutachter bei regionalen Grenzziehungsfragen im okkupierten Polen beteiligt. Im August 1943 wurde die PuSte der Abteilung VIg beim Reichssicherheitshauptamt zugeordnet, forschte nun nicht mehr historisch, sondern hatte unmittelbar dem SD und anderen SS-Stellen zuzuarbeiten und analysierte dabei politisch verwertbares Material über polnische und tschechische Exilorganisationen in England und Vergleichbares. Im April 1945 wurden die Bestände der PuSte von der amerikanischen Besatzungsmacht beschlagnahmt. Papritz wurde 1947 in das 'King Intelligence Camp' bei Frankfurt gebracht, wo er zusammen mit anderen Mitarbeitern der PuSte an der Ordnung und Nutzbarmachung der Bestände der PuSte für die Amerikaner arbeitete. Im Juli 1948 wurde das Material nach Washington überstellt. Später kam es in die Library of Congress und wurde schließlich in den sechziger Jahren der Bibliothek des Herder-Insituts in Marburg übergeben. Papritz wurde im August 1948 aus dem amerikanischen Lager entlassen.

3. Neuanfang in Marburg

Zum 1. Januar 1949 wurde Papritz als Staatsarchivrat beim Staatsarchiv Marburg eingestellt. Zu seinen Aufgaben hier gehörte von Beginn an die Betreuung der Archivschule, die am 2. Juni 1949 eröffnet wurde. Papritz´ Aufgabe war die des Studienleiters, er lehrte u.a. in den Fächern Archivwissenschaft und Archivgeschichte und war für die Durchführung von Behördenbesuchen mit der Durcharbeitung von Aktenplänen und Aktenordnungen und von Verzeichnungsübungen in den Referendarkursen, ab 1951 auch den Lehrgängen für den gehobenen Archivdienst zuständig. Es waren ganz besonders die registraturgeschichtlichen Untersuchungen in der Vorbereitung dieser Verzeichnungsübungen, aus denen Papritz wichtige Anregungen für die entsprechenden Abschnitte der 'Archivwissenschaft' erhielt. Zum Fach Archivwissenschaft gehörten für ihn vor allem die starke Berücksichtigung der vorarchivischen Schriftgutverwaltung, Ordnungsmethodik und Ordnungstechniken, Archivtechnik und Reprographie sowie Bestandserhaltung. Mit der neuen Themenstellung war von Anfang an der unmittelbare Bezug auf die Praxis verbunden. Daneben arbeitete er unter Nutzung seiner Vorkriegskontakte an der Gründung des Johann-Gottfried-Herder-Forschungsrates und des gleichnamigen, in Marburg ansässigen Instituts mit, die am 29. April 1950 erfolgte (http://www.uni-marburg.de/herder-institut). Papritz wurde in das Präsidium gewählt und führte viele der laufenden Geschäfte. Seine Arbeit für den Forschungsrat regte ihn anscheinend zu seinem Beitrag zur Umrechnung alter Kartenmaßstäbe an, dem später die Erschließungsrichtlinie zur Kartentitelaufnahme im Archiv nachfolgte