Drucken

HHStAW Bestand 333

Beschreibung

Identifikation (kurz)

Titel

Herrschaft Reifenberg

Bestandsdaten

Bestandsgeschichte

Schon bei der Verpackung für den Transport, aber auch später bei der Einlagerung im Staatsarchiv, wurde festgestellt, dass sich der Bestand in einem weitestgehend ungeordneten und verwahrlosten Zustand befand, so dass sogar einige Kisten mit Urkunden, die zu stark vom Schimmel befallen waren, sofort verbrannt werden mussten.
Nach der Übernahme wurden die einzelnen Pertinenzen des Bestandes, Bayern, Koblenz und Wiesbaden, voneinander getrennt. Die Wiesbadener Pertinenz (ca. 180 Fach) wurde wie folgt herkunftsmäßig aufgeteilt:
Abteilung 3/9: Herrschaft Kransberg (bis 1810)
Abteilung 123: Bassenheimische Haus-und Familiensachen
Abteilung 124: Grafen von Ostein
Abteilung 333: Herrschaft Reifenberg (bis 1810).
Ein kleinerer Rest wurde als wertlos erachtet und mit Einverständnis des Grafen Heinrich von Waldbott-Bassenheim, was ihm als Recht beim Abschluss des Kaufvertrags zugestanden worden war, 1933 kassiert.
Für Abt. 333 wurden Findbücher des Bassenheimer Archivs mit übernommen, die zum Teil heute noch als Findmittel für die Urkunden und einen Teil der Akten verwendet werden.

Akten
Bei der Verzeichnung wurden grundsätzlich nur die Akten ab Beginn des 17. Jahrhundert berücksichtigt, es sei denn, dass Kopien von einzelnen älteren Stücken oder auch vereinzelte Originale in einer ansonsten jüngeren Akte enthalten waren. Außerdem wurden die Akten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und einige wenige Einzelstücke nicht mit verzeichnet. Die oben erwähnte Vorordnung konnte in ihren groben Zügen beibehalten werden. Nur auf Ebene der einzelnen Aktenpakete mussten öfters Umordnungen vorgenommen werden, vor allem bei den häufig vorhandenen Ansammlungen loser Blätter, die ihrem Inhalt nach - soweit dies möglich war - zu Akten formiert oder anderen zugeordnet wurden. Nur wenige Akten mussten dem Bestand aufgrund eines fehlenden Provenienzbezuges entnommen werden. Einen sehr gut sortierten Komplex innerhalb der Aktenüberlieferung stellten die Akten zur Hohen Mark dar. Diese waren scheinbar schon in dem Bassenheimer Archiv als eine Art eigener Bestand behandelt, mit Faszikelnummer und Aktentiteln versehen und in einem eigenen Findbuch, das unter der Nummer 1947 erhalten ist, verzeichnet worden. Diese Aktentitel wurden in einigen Fällen präzisiert und modernisiert, bzw. dem Inhalt der Akten entsprechend geändert. Die Faszikelnummern des Vorgängerarchivs wurden in HADIS (jetzt Arcinsys) mit aufgenommen.

Rechnungen
Nach dem Aussterben der Wetterauer Linie der niederadligen Herren von Reifenberg fiel die ritterschaftliche Herrschaft im Jahre 1686 an die Grafen Waldbott-Bassenheim. Im Jahre 1806 wurde sie dem Herzogtum Nassau einverleibt. Die Rechnungen der Herrschaft Reifenberg setzen im 16. Jahrhundert mit Kirchenrechnungen ein. Ab dem 17. Jahrhundert sind Rentei- und Gemeinderechnungen regelmäßig erhalten, die sich im 18. Jahrhundert mit Rechnungsbeilagen verdichten. Hinzu kommen Bergwerks-, Forst- und Gestütsrechnungen. Einzelne Serien reichen bis in die nassauische Zeit hinein. Einige der Rechnungsserien stammen aus dem bereits im 19. Jahrhundert gebildeten Pertinenzbestand. Sie wurden mit den Rechnungsserien vereinigt, die im Jahre 1926 vom Grafen Ludwig Waldbott von Bassenheim dem Archiv übergeben wurden.

Urkunden
Die Urkunden (Nr. 1-1264) wurden 2017/2018 vom Altfindmittel des 18. Jahrhunderts retrokonvertiert, und nur behutsam wurden (Orts-)Namen modernisiert. Die Erschließung der Urkunde ist unzureichend, so dass eine Überarbeitung notwendig würde. Namen sind abzugleichen, die Stilistik ist zu modernisieren, die Datierung zu vervollständigen und die Formalangaben nachzutragen.

Geschichte des Bestandsbildners

Die Herrschaft Reifenberg erstreckte sich nordöstlich vom Taunus und umfasste die vier Gemeinden Reifenberg, Schmitten, Arnoldshain und Seelenberg. Im Süden schloss sich die Herrschaft Kronberg und im Westen die Herrschaft Eppstein an. Nördlich wurde die Herrschaft von dem Stockheimer Gericht begrenzt und östlich von der Hohen Mark.! Die Herrschaft Reifenberg gehörte zu einer großen Anzahl von Grafschaften und Herrschaften im Mittelrheingebiet, die oft noch mehrfach unterteilt waren und deren einzelne Splitter sich über das ganze Gebiet verteilten. So ist die Geschichte der Herrschaft sehr stark geprägt von vielen Fehden und Besitzstreitigkeiten mit benachbarten Landesherrn. Einige dieser Besitzstreitigkeiten zogen sich über Jahrhunderte hin und wurden noch von den Erben der beteiligten Parteien weiter ausgefochten. So kam es beispielsweise mit den Herren von Hattstein immer wieder zu Streitigkeiten um die Rechte an der gemeinsamen Burg Hattstein und dem Dorf Arnoldshain, die sich nicht selten in Plünderungen und Verschleppungen von Dorfbewohnern äußerten. Ein anderes großes Streitobjekt war auch das Stockheimer Gericht. Die Herren von Reifenberg hielten von Kurpfalz ein Drittel des Gerichts zu Lehen, das übrige Lehen teilten sich die Herren von Hattstein und die Grafen von Nassau-Usingen. Hierüber kam es vor allem mit den Nassau-Usingern zum Prozess, der weit über die Mediatisierung der Herrschaft hinaus und noch im 20. Jahrhundert gegen den Rechtsnachfolger Preußen weitergeführt wurde. So mussten sich im Jahr 1686 auch die Freiherrn bzw. Grafen von Waldbott-Bassenheim nach dem Tod des Freiherrn Philipp Ludwig von Reifenberg, dem letzten der Reifenberger Wetterauer Linie, die zuletzt die alleinige Herrschaft über Reifenberg ausübte, gegen fremde Ansprüche auf die Herrschaft Reifenberg durchsetzen. Sie führten deshalb ab 1686 einen Prozess gegen alle Gläubiger und Erbinteressenten der Herrschaft Reifenberg, der mit manchen sehr bald durch Vergleiche beendigt werden konnte und sich mit anderen, vor allem der Weller Reifenberger Linie bzw. ihrer Erben und wie schon oben erwähnt mit Nassau-Usingen, bis ins 19. und 20. Jahrhundert hinzog. Über diese verschiedenen Streitigkeiten und Prozesse sowohl der Freiherren von Reifenberg als auch ab 1686 ihrer Erben der Grafen von Waldbott-Bassenheim ist eine große Menge an Akten produziert worden, die nicht nur über die Prozesse, sondern auch über die Familiengeschichte und die Familienbesitzungen der beteiligten Landesherrn detaillierte Auskünfte geben. Im Jahr 1806 wurde die Herrschaft Reifenberg, obwohl sie in der Rheinbundakte nicht erwähnt ist, zum Herzogtum Nassau mediatisiert, wogegen der damalige Graf von Waldbott-Bassenheim jedoch erfolglos protestierte. Sie wurde als Amt Reifenberg in das Herzogtum eingegliedert; die Grafen von Waldbott-Bassenheim erhielten mit herzoglicher Deklaration vom 7. Juli 1823 die Rechte als Standesherrn des Herzogtums Nassau zugesprochen. Die letzten Rechte an der Standesherrschaft Reifenberg verkauften die Grafen von Waldbott-Bassenheim im Jahr 1852 zusammen mit ihrem Eigengut an das Herzogtum Nassau.

Freiherren von Reifenberg
Die Herren von Reifenberg sind ein schon im 10. Jahrhundert erwähntes Adelsgeschlecht. Bereits im 13. Jahrhundert teilte sich die Familie in zwei Linien. Als Stammvater der älteren sog. Weller oder Westerwälder Linie wird Marsilius von Reifenberg (+ vor 1368) und als Stammvater der jüngeren sog. Wetterauer Linie Gottfried von Reifenberg (+ 1321) angesehen. Diese beiden großen Linien teilten sich in der Folge noch mehrmals in verschiedene Zweige. In diesem Zusammenhang muss jedoch erwähnt werden, dass beide Reifenberger Linien ursprünglich Rechte an der Burg und somit auch an der Herrschaft Reifenberg besaßen. Doch die Angehörigen des Reifenberger Zweiges der Wetterauer Linie verdrängten sowohl die anderen Ganerben als auch ihre Vettern von der Weller Linie aus der Burg Reifenberg und brachten so die Herrschaft Reifenberg in ihren alleinigen Besitz. Nachdem zuletzt Johann Philipp von der Weller Linie, Zweig zu Sayn, 1686 versucht hatte, Ansprüche auf die Herrschaft Reifenberg geltend zu machen, wurde dieses Ansinnen von den Töchtern seines Sohnes Anselm Friedrich Anton bzw. ihren Ehemännern, dem Freiherrn Philipp Franz von Harff, dem Freiherrn Ludwig Wilhelm Joseph Boos zu Waldeck und Franz Ludwig von Eltz-Rübenach und deren Erben fortgesetzt. Dieser Prozess ging jedoch Anfang des 19. Jahrhundert wegen Verjährung verloren. Auch Elisabeth Emmerentia von Reifenberg, geborene von Buden, die Witwe des Johann Schweickhardt von dem Zweig zu Wien der Weller Linie, erhob 1653 bei einer kurmainzischen Kommission Ansprüche auf die Herrschaft Reifenberg, die bereits während des 30-jährigen Krieges für kurzes Zeit von ihrem Mann in Besitz genommen worden war. Im Jahr 1658 schloss Elisabeth Emmerentia jedoch mit Philipp Ludwig von der Wetterauer Linie den Vergleich ab, dass sie, auch stellvertretend für ihre Kinder und für alle Angehörigen der Weller Linie, die Ansprüche auf die Burg und die Herrschaft Reifenberg für eine Zahlung von 7000 Gulden abtrete. Dieser Vergleich wurde im Jahr 1681 durch die Freiherrn von Waldbott-Bassenheim erneut bestätigt. Der letzte Vertreter des Reifenberger Zweiges der Wetterauer Linie war, wie schon oben erwähnt, Freiherr Philipp Ludwig von Reifenberg. Er machte sich als Domherr in Mainz verdient, indem er die Stadt Erfurt für den Kurfürsten von Mainz zurück gewann, und wurde dort 1665 als Statthalter eingesetzt. Er fiel jedoch in Ungnade und wurde zu lebenslanger Haft auf der Festung Königstein verurteilt. Ob die Anschuldigungen gegen ihn berechtigt waren oder nicht, ist in der Literatur umstritten. Nach seiner Haftentlassung von 1673-1677 starb er schließlich 1686 in geistiger Umnachtung auf Königstein. Sein Erbe ging auf die Söhne seiner bereits 1651 verstorbenen Schwester Johanna Walpurga über, die mit dem Freiherrn Johann Lothar von Waldbott-Bassenheim verheiratet war.

Freiherren bzw. Grafen von Waldbott-Bassenheim
Die Freiherrn bzw. Grafen von Waldbott-Bassenheim gelten als letztes der früher so zahlreichen Adelsgeschlechter im Taunus. Der Stifter der Waldbott-Bassenheimer Linie war Sifrid I.; 'seit 1294 Waldpode von Koblenz, nennt sich 1299/1300 Walpode von Waltmanshausen, später Walpode von Bassenheim'. Die Bezeichnung Bassenheim leitet sich von der gleichnamigen Herrschaft, in der Nähe von Koblenz gelegen, her. Mit Heinrich Waldpot erhielt die Familie Anfang des 13. Jahrhundert den Titel 'Erbritter des Hohen Deutschen Ordens'. Am 16. April 1638 wurde Damian von Waldbott-Bassenheim mit seiner ganzen Nachkommenschaft von Kaiser Ferdinand III. in den Reichsfreiherrenstand erhoben. Durch seinen Sohn Johann Lothar von Waldbott-Bassenheim bzw. dessen Heirat mit Johanna Walpurga, geborene von Reifenberg, gelangte wie oben erläutert die Herrschaft Reifenberg an das Haus Waldbott-Bassenheim. Johann Lothar hatte seine Besitzungen unter seine Söhne Franz Emmerich und Casimir Ferdinand Adolph so aufgeteilt, dass Ersterer die linksrheinischen und Letzterer die rechtsrheinischen Gebiete, also die Herrschaften Kransberg und Reifenberg, erhalten sollten. Franz Emmerich legte in seinem Testament von 1714 die Unteilbarkeit des bassenheimischen Besitzes fest, der immer an den jeweiligen 'Hausältesten des Laienstandes' vererbt werden sollte. Für die übrigen Nachkommen wurde ein Fideikommiss gegründet. Casimir Ferdinand Adolph trat im Jahr 1686 als erster Waldbott-Bassenheimer die Herrschaft über Reifenberg an. Da er dem Zölibat verpflichtet war, trat er dem Fideikommiss seines Bruders bei, wodurch auch seine Besitzungen an den Erben des Franz Emmerich übergingen. Die Verdienste des Casimir Ferdinand Adolph für die Herrschaft Reifenberg waren nicht gering. Er galt als 'Wohltäter der Armen, insbesondere seiner Reifenberger Untertanen', unter ihm wurden die Kirche in Seelenberg und das Bassenheimer Schloss in Reifenberg gebaut und auch für die Einführung des Nagelschmiedehandwerks in der Herrschaft Reifenberg ist er verantwortlich. Beide Brüder wurden am 23. Mai 1720 von Kaiser Karl IV. in den Reichsgrafenstand erhoben. Graf Rudolph Johann, Sohn des Franz Emmerich, trat das Erbe seines Vaters 1723 und das seines Onkels 1729 an. Er herrschte jedoch nur drei Jahre über die Herrschaft Reifenberg, da er bereits 1731 bei einem Duell ums Leben kam. Daraufhin übernahm seine Witwe Maria Antonetta für den erst nach dem Tod seines Vaters geborenen Sohn für die nächsten 20 Jahre die Vormundschaftsregierung. Ihr Sohn Johann Rudolph Maria trat also im Jahr 1751 die Herrschaft über die Waldbott-Bassenheimer Besitzungen an. Schon vorher im Jahr 1747 war er als Burgmann in die Burg Friedberg aufgenommen worden, wurde 1763 zum Präsidenten des Reichskammergerichts zu Wetzlar berufen und war Hauptmann der Mittelrheinischen Reichsritterschaft. Auf diese Positionen verzichtete er jedoch, als er sich um die Stelle des Burggrafen von Friedberg bewarb und als solcher 1777 ernannt wurde. Er verstarb im Jahr 1805, kurz bevor seine Herrschaft Reifenberg durch Mediatisierung an das Herzogtum Nassau fiel. Besonders belastend für die Herrschaft Reifenberg waren während der Regierungszeit Johann Rudolph Marias die häufigen Truppendurchzüge und Stationierungen im Zuge der Revolutionskriege, worüber auch in den Akten genaue Auskunft gegeben wird. Schon sehr bald waren alle Bassenheimer Besitzungen von französischen Truppen besetzt und die Gemeinden durch die hohen Kontributionszahlungen und Fouragelieferungen bis zum Äußersten belastet.

Literatur

Hellmuth Gensicke: Der Adel im Mittelrheingebiet, in: Deutscher Adel 1430-1555, Darmstadt 1965, S. 127-152.

Hellmuth Gensicke: Die von Reifenberg, in: Hessische Familienkunde 18 (1986/1987), Sp. 147-164 und 19, 1988/1989, Sp. 185-196.

Hannappel: Geschichte der Herrschaft und Burg Reiffenberg im Taunus, in: Nassauische Annalen (Annalen des Vereins für Nassauische Alterthumskunde und Geschichtsforschung) 4 (1855), S. 3-62.

Otto Renkhoff: Nassauische Biographie, 2. Auflage, Wiesbaden 1992.

Stammtafel des medatisierten Hauses Waldbott von Bassenheim, hrsg. von dem Verein der deutschen Standesherren, bearb. von Fritz Tarrasch, 2. Auflage, 1914.

Friedrich Stöhlker: Die Grafen Waldbott von Bassenheim als Herren von Reifenberg (1686-1852) und Grafen von Buxheim im Allgäu (1810-1926), in: Burgfesthefte 1983, S. 17-35.

Karl Wild: Philipp Ludwig von Reifenberg - ein Staatsmann des 17. Jahrhunderts, in: Veröffentlichungen zur Geschichte des Hochtaunusgebietes, Heft 2, Schmitten (Ts.) 1975.

Findmittel

Repertorien von Arnold Hagemann, 4 Bände, 1886/1887 (hs.)

Repertorium von Claudia Brack, 2003 (Teilbestand)

Rechnungen: Repertorium von Bernhard Post, 1992

Online-Datenbank (Arcinsys)

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang

36,675 m

Bearbeiter

Bernhard Post, 1992

Claudia Brack, 2003

Rouven Pons, 2018