AdJb Bestand N 162

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Träder, Willi (1920-1981)

Siehe

Korrespondierende Archivalien 

siehe auch A 228
(im Bestand des Archivs der Jugendmusikbewegung befindet sich ebenfalls ein Teilnachlass Willi Träders)
https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction.action?detailid=g342673

Bestandsdaten

Aufsatz 

Willi Träder (geb. 24. 3. 1920 in Berlin, gest. 12. 11. 1981 in Hannover), Musikpädagoge, Chorleiter und Komponist

Schon in seiner Kindheit verlor Willi Träder, Sohn eines Reichsbahnbetriebswarts, bei einem Unfall einen Unterschenkel. Seine Behinderung brachte lebenslange Beeinträchtigungen mit sich, bewahrte ihn aber vor dem Wehrdienst. Von 1939 bis 1942 studierte er in seiner Heimatstadt Berlin Schulmusik und Geschichte, zu seinen musikalischen Lehrern zählte Hans Chemin-Petit. Anschließend war er als Leiter der HJ-Rundfunkspielschar beim Reichssender Berlin tätig und wurde Referent für Jugendmusik der Reichsrundfunkgesellschaft. Nach dem Krieg ergänzte Träder seine Ausbildung 1945/46 durch ein Kompositionsstudium bei Paul Höffer im Berliner Westsektor.

In dieser Zeit fing er als Chorleiter des „Jungen Chors" (auch: "American Church Youth Choir“) an, bekam aber bald Schwierigkeiten aufgrund seines Entnazifizierungsverfahrens. Zwar hatte er zunächst eine Tätigkeitserlaubnis für den britischen Sektor, doch 1946 wurde ihm Dirigierverbot erteilt – auch die Tatsache, dass seine Chorsänger teilweise Ehemalige der Rundfunkspielschar waren, sorgte zeitweilig für Irritationen. In der Hoffnung auf ein beschleunigtes Entnazifizierungsverfahren ging Träder am 18. 9. 1948 bei Schöningen über die Grenze nach Westdeutschland: "Was daraus wird, weiß ich nicht", schrieb er an Barbara Heuschober am 12. 11. 1948 in Bezug auf sein offenes Verfahren, "jedenfalls werde ich hier die gleiche Sache wahrscheinlich schneller als in zwei Jahren und mit weniger Scherereien hinkriegen, aber auf jeden Fall halte ich den Berliner Topf mit viel Ruhe und sanfter Glut am Kochen" (N 162 Nr. 60). Das Entnazifizierungsverfahren kam 1949 in Niedersachsen zum Abschluss (s. die Tagebuchnotizen von Barbara Heuschober in N 162 Nr. 58). Von 1948 bis 1953 wirkte Träder als Lehrer für Erwachsenenbildung an der Heim-Volkshochschule Jägerei Hustedt (Celle). Dort gründete er auch den Hustedter Singkreis, für dessen Stimmverhältnisse und Möglichkeiten er 1949 das „Hustedter Singbuch“ herausgab (N 162 Nr. 48).

Die Kontakte nach Berlin ließ Träder nicht abreißen, und anlässlich eines Lehrgangs im Haus am Rupenhorn in Charlottenburg entstand 1949 der „Rupenhorner Singkreis“ (die „Rupsis“). Im gleichen Jahr gründete Träder auch den „Niedersächsischen Singkreis“ in Hannover (die „Nisis“). Beide Chöre leitete er über mehrere Jahrzehnte. Die doppelte Chorleitertätigkeit bedingte ein dauerndes Pendeln zwischen Träders Stützpunkten Berlin und Hannover. Gelegentlich wurden beide Chöre auch unter dem Namen „Singkreis Willi Träder“ zu gemeinsamen Aktivitäten vereint. Zahlreiche Ur- und Erstaufführungen dokumentieren Träders Interesse für zeitgenössische Chormusik (s. beispielsweise die Repertoire-Aufstellungen in A 228 Nr. 1192). In Hannover institutionalisierte Träder mit dem Niedersächsischen Singkreis das „Offene Singen“ (1. Offenes Singen 1949), das er über mehr als drei Jahrzehnte bis zu seinem plötzlichen Tod fortsetzte; in Berlin führte er ab 1950 entsprechende Veranstaltungen mit dem Rupenhorner Singkreis durch. In Notizen für einen Vortrag in Wuppertal 1978 merkt Träder an, dass sich das Offene Singen oft an eine bestimmte Chorleiter-Persönlichkeit binde, und betont überdies die positive Wirkung auf den beteiligten Ansinge-Chor: „Ich sehe das Offene Singen als ein vitales Singen an, das künstlerischen Impuls braucht, um dauerhafte Bindungen der Mitsänger herzustellen. Es bewahrt einen Chor vor introvertiertem Singen, wenn er regelmäßig neben der künstlerischen Aufgabe auch Ansinger-Funktionen beim Offenen Singen übernimmt“ (A 228 Nr. 1253).

In Hannover war Träder 1953 an der Gründung der Jugendmusikschule beteiligt (zusammen mit Ernst-Lothar von Knorr und Heinz Lauenroth), nebenamtlich hatte er bis 1961 deren Leitung inne. Ab 1953 war er als Dozent für Musikpädagogik und Chorleitung an der Akademie für Musik und Theater in Hannover tätig (später Staatliche Hochschule für Musik und Theater). Hier baute er 1956 das „Seminar für Volks- und Jugendmusik“, ein Ausbildungsseminar für Musikschullehrer, auf. 1964 erfolgte die Ernennung zum Professor. Auch Chorleitungskurse gab Träder immer wieder im In- und Ausland, bemerkenswert etwa seine Schilderung von Chor- und Chorleiterschulungen in Togo, Ghana und Nigeria („Chorsingen mit Afrikanern“, Neue Musik-Zeitung, 3/1978, s. A 228 Nr. 1254).

Träders berufliches Engagement ging mit etlichen Verbandsämtern einher: So wurde er 1968 Vorsitzender des Landesverbandes niedersächsischer Musikschulen, 1969 Vorstandsmitglied im Verband deutscher Musikschulen (Bonn) und 1978 stellvertretender Vorsitzender des Landesmusikrates Niedersachsen (s. auch Lebenslauf Träders, datiert 1980, in A 228 Nr. 1256). Er spielte eine wichtige Rolle in der Europäischen Föderation Junger Chöre (EFJC) und war maßgeblich an den Festivals „Europa Cantat“ beteiligt. Mit seinen Chören unternahm Träder zahlreiche Konzertreisen ins inner- und außereuropäische Ausland (USA, Kanada, Mexiko, Afrika). Erfolgreich nahm er an internationalen Chorwettbewerben teil. Mit den Chorleiteraktivitäten verbanden sich immer wieder Tätigkeiten beim Rundfunk, auch etliche Schallplattenproduktionen entstanden (Camerata, Musicaphon u.a.). Träder gab überdies Chormusik heraus und verfasste etliche Aufsätze, besonders zu Fragen der Musikpädagogik und der Chorleitung (vgl. auch die Artikel in A 228 Nr. 1207).

1981 wurde Willi Träder das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse verliehen. Nur wenige Monate später starb er, völlig überraschend, am 12. 11. 1981. Der Liederzettel für das nächste Offene Singen vier Tage später – es wäre das 360. in Hannover gewesen – war schon vorbereitet (s. A 228 Nr. 1259).
In einem Nachruf in den „intervallen“ (amj-Informationen, 1/1982) schreibt Paul Wehrle: „Willi Träder gehörte mit Gottfried Wolters und Hans Grischkat zu jenen wenigen Chorleitern, in deren Arbeit die musikalische Jugendbewegung sich bis in unsere Tage fortgesetzt und auf einem künstlerisch ernst zu nehmenden Niveau etabliert hatte. […] Seine beiden Chöre – der Niedersächsische Singkreis und der Rupenhorner Singkreis – haben eine unglaubliche Menge an Arbeit ganz ohne äußeren Aufwand vorgestellt: die jährlich erscheinende Aufführungsliste zeigte, daß Willi Träder nicht nur einer der begabtesten sondern auch einer der fleißigsten deutschen Chorleiter war./ Zu den singulären Aufgaben Willi Träders gehörte auch das Offene Singen, dessen Renaissance nach dem 2. Weltkrieg eng mit seinem Namen verbunden ist. Er hat eine Anzahl junger Chorleiter inspiriert, ihm auf diesem Wege nachzufolgen.“ Und Lore Auerbach spricht an derselben Stelle Träders Einsatz für das Musikschulwesen an: „Das dichte Netz von Musikschulen im Land Niedersachsen geht auf Willi Träders beharrliche Initiative und die Modellwirkung der von ihm 1953 in Hannover gegründeten und aufgebauten Musikschule in Hannover zurück. Als Leiter der Ausbildungsstätte für Musikschullehrer in Hannover – viele Jahre eine der beiden einzigen in der Bundesrepublik – sorgte er weit über die Landesgrenzen hinaus für den Ausbau des Musikschulwesens.“ Ausdrücklich benennt Auerbach hier auch den Beitrag, den Träders Ehefrau zu seiner umfassenden Tätigkeit geleistet hat: „Dieses reiche Wirken wäre undenkbar gewesen ohne die liebevolle, bestätigende Mitarbeit seiner Frau. Eva Träder hat vom Notenkopieren und Nähen von Chorkleidern über die ‚Seelsorge‘ für problembelastete Studenten und Chormitglieder, über das Mitsingen und Mitreisen im Chor bis hin zur Mitarbeit in der Musikschule und als Mentorin für seine Studenten an Willi Träders Arbeit aktiv teilgenommen und sie mitgetragen.“

(Ute Brüdermann, mit Ergänzungen von Amrei Flechsig)

Bestandsgeschichte 

Zugang 85/2012 (Nachtrag 2021)

Geschichte des Bestandsbildners 

Musikpädagoge, Chorleiter u. Komponist; *1920 in Berlin, + 1981 in Hannover

Studium Schulmusik, Geschichte und Komposition

frühe Chorleiteraktivitäten und Tätigkeit beim Rundfunk (Reichssender Berlin, ab 1950 NDR Hannover u.a.)

1948-1953 Lehrer an der Heim-Volkshochschule Hustedt (Erwachsenenbildung)

1949 Gründung zweier Chöre des „Singkreises Willi Träder“ in Berlin („Rupenhorner Singkreis“) und Hannover (später: „Niedersächsischer Singkreis“), in Hannover Einführung des „Offenen Singens“ (mehr als 250 Veranstaltungen)

beteiligt an der Gründung der hannoverschen Jugendmusikschule 1953 (mit Ernst-Lothar von Knorr und Heinz Lauenroth), nebenamtlich Leitung bis 1961

ab 1953 Dozent an der „Akademie für Musik und Theater“ in Hannover (später: Staatliche Hochschule für Musik und Theater), Lehrveranstaltungen in den Bereichen Volksmusik, Jugend- und Schulmusik, Chorleitung

1964 Ernennung zum Professor

1968 Vorsitzender des Landesverbandes niedersächsischer Musikschulen

1969 Vorstandsmitglied im VdM Bonn

1978 stellv. Vorsitzender des Landesmusikrates Niedersachsen

regelmäßige Mitarbeit im Rundfunk, Chorleitungskurse, zahlreiche internationale Chorwettbewerbe und Konzertreisen, ab 1960 Schallplattenproduktionen (Deutsche Grammophon, Camerata)

Herausgeber von Chormusik, Autor etlicher Aufsätze (bes. zu Fragen der Musikpädagogik und der Chorleitung)

Enthält 

Veröffentlichungen, Noten, Schallplatten, Korrespondenz.

Findmittel 

Online-Datenbank ArcInSys

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang 

7 Archivkartons