HHStAW Bestand 1213

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Anna Beyer

Laufzeit 

1945-1991

Bestandsdaten

Bestandsgeschichte 

Nach dem Tod A. Beyers am 15. Mai 1991 gelangte ihr schriftlicher Nachlass - ihr 'Archivmaterial', wie sie selbst das Schriftgut bezeichnete - entsprechend einer testamentarischen Verfügung als Zugang 107/1991 an das Hauptstaatsarchiv (jetzt Abt. 1213).
Der Nachlass umfasst insgesamt 10 lfm Regalmeter: 5,5 lfm Aktenschriftgut, Fotografien und Presseausschnittsammlungen sowie - mit engem Bezug hierzu - 4,5 lfm Druckschriften (Bücher, Broschüren u. Zeitschriften). Zeitlich decken die Archivalien die Lebensjahre A. Beyers von 1909 bis 1991 ab, nur einige persönliche Dokumente des Vaters reichen zurück bis 1892. Die Überlieferung aus der Zeit vor 1945 ist infolge der Widerstandstätigkeit und des Exils von A. Beyer nicht sehr umfangreich. Dagegen ist ihr vielfältiges politisches Wirken in der Nachkriegszeit ausführlich dokumentiert. Dies gilt ebenso für ihre Aktivitäten im Bereich der Frauenbewegung, der Jugendpolitik und der politischen Bildung.
Der Bestand wurde in den Jahren 1995 und 1996 verzeichnet. Dabei musste aufgrund der besonderen Struktur des Nachlasses häufig von den bei der Bearbeitung behördlichen Schriftguts üblichen Regeln abgewichen werden. A. Beyers 'Archiv' besteht zum großen Teil aus Materialsammlungen, die zu dokumentarischen Zwecken - oft erst nachträglich - formiert wurden. Gerade in den inhaltsreicheren Bänden ist eine chronologische Reihenfolge nur selten vorhanden, da sie meistens sachthematisch angelegt wurden. Dementsprechend ist bei der Erschließung auf eine strikte Trennung der Schriftguttypen verzichtet worden, sodass der Inhalt eines Aktenbandes in der vorgefundenen Reihenfolge erscheint.
Außer A. Beyer benutzten zuweilen auch Dritte ihr 'Archiv', z.B. zur Vorbereitung von wissenschaftlichen Arbeiten, Vorträgen und Interviews. Hierdurch wurde die innere Ordnung der Aktenbände verschiedentlich verändert, was besonders die Korrespondentenserien betrifft, deren Laufzeiten sich ursprünglich nicht überschnitten. Auch Überlieferungsverluste können hier nicht ausgeschlossen werden, wenn z.B. Dokumente, die A. Beyer für Forschungszwecke gelegentlich auslieh, nicht mehr zurückkehrten.
Bücher und Druckschriften wurden, sofern sie nicht den Aktenbänden beilagen, nach Sach- oder Personenbetreff zu Verzeichnungseinheiten zusammengefasst und durch 'Enthält'- Vermerke erschlossen. Der inhaltliche Bezug zu den Aktenbänden und Materialsammlungen tritt durch die Einfügung in die Bestandsklassifikation klarer hervor, als dies bei einer bibliographischen Einzelaufnahme der Fall wäre. Einzelne Bücher gingen an die Dienstbibliothek des Hauptstaatsarchivs. Es handelt sich dabei vorwiegend um politisch-historische Nachschlagewerke oder um Monographien allgemeinen Inhalts. Entsprechendes gilt für eine geringe Zahl von Druckschriften der SPD aus der Zeit nach 1970, die in die Sammlung nichtamtlicher Drucksachen (Abt. 3014) aufgenommen wurden.
Die im Nachlass enthaltenen 19 Plakate, vor allem der SPD und der Frauenbewegung, werden aus konservatorischen Gründen in der Plakatsammlung aufbewahrt (Abt. 3012/5).
Kassiert wurden lediglich zwei Bände mit Rechnungsbelegen, mehrere unvollständige Druckschriftenreihen von Bundestag und Bundesrat sowie neuere Zeitschriften, die in öffentlichen Bibliotheken leicht zugänglich sind.

Geschichte des Bestandsbildners 

Anna Beyer wurde am 2. Februar 1909 in Frankfurt a.M. geboren. Der Vater Robert Beyer (1874-1960), Buchbinder, aktiver Sozialdemokrat und Gewerkschafter, stammte aus Sachsen, die Mutter Klara Beyer (1880-1953), Schneiderin und Hausfrau, aus Ostpreußen. Anna war ihr erstes Kind, es folgten ihre beiden Brüder Max (1910-1974) und Rudolf (1912-1944). Die Familie gehörte der freireligiösen Gemeinde Frankfurt a.M. an, in der Anna 1923 die Jugendweihe empfing.
Nach dem Besuch der Volks- und Haushaltungsschule in Frankfurt a.M. absolvierte A. Beyer 1923-26 eine kaufmännische Lehre. Es folgen Tätigkeiten als kaufmännische Angestellte, darunter fast sechs Jahre in der Frankfurter Niederlassung der Dreiturm-Seifenfabrik Victor Wolf. Dort wird sie im Zuge der Weltwirtschaftskrise 1931 entlassen. Während der Arbeitslosigkeit besuchte sie 1931/32 zeitweise eine private Fachschule für Kurzschrift und Maschinenschreiben.
Mit dem Eintritt in die Gewerkschaft (Zentralverband der Angestellten) 1923 und in die Sozialistische Arbeiterjugend (SAJ) 1924 beginnt A. Beyers politischer Werdegang. 1926 erfolgte der Wechsel zum Internationalen Sozialistischen Kampfbund (ISK), für den sie bald ehrenamtlich als Funktionärin arbeitete. Neben Ausbildung und Beruf besuchte sie Abend- und Wochenendkurse der Gewerkschaften, des Bundes für Volksbildung und des ISK. Besonders die Mitgliedschaft im ISK prägt die politischen Vorstellungen A. Beyers. Als 'politische Lehrer' nannte sie außer Leonard Nelson den Volkswirtschaftler Hellmut von Rauschenplat alias Fritz Eberhard und die Pädagogin Minna Specht.
Ab 1933 beteiligte sich A. Beyer am sozialistischen Widerstand gegen das NS-Regime. Mitte des Jahres zog sie nach Köln, wo sie in vegetarischen Gaststätten, die zugleich Treffpunkte von Widerstandsgruppen waren, Arbeit fand. 1935 kehrte sie nach Frankfurt a.M. zurück, arbeitete dort einige Monate als Sekretärin bei Siemens und Halske, eröffnet dann aber eine eigene vegetarische Gaststätte im Steinweg. Das Lokal wurde wiederum zum Treffpunkt für Mitglieder der Linksopposition gegen Hitler und stand bald unter Beobachtung der Gestapo. Ihrer drohenden Verhaftung entzog sich A. Beyer 1937 durch die Emigration nach Frankreich. Sie wurde Mitarbeiterin in der Pariser Redaktion von Willi Eichlers ISK-Zeitschrift 'Sozialistische Warte' und nahm im Exil den Decknamen 'Agnes' an. Im November 1938 verließ sie Frankreich und emigriert über die Schweiz nach England, wo sie Anfang 1939 eintraf. In London setzte sie die politische Arbeit beim ISK sowie bei der Union Deutscher Sozialisten und den Freien Deutschen Gewerkschaften in Großbritannien fort. Wie schon in Frankreich engagierte sich A. Beyer in der Jugendarbeit. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie zunächst als private Haushilfe und später in der vegetarischen Gaststätte eines Genossen.
Mehr als ein Jahr vor dem Kriegsende plante A. Beyer bereits ihre Rückkehr nach Deutschland. Nach Vorbereitung durch das britische Office of Strategie Services sprang sie im Sommer 1944 mit dem Fallschirm über Südfrankreich ab und überquerte einen Monat später die Grenze zur Schweiz. Dort fand sie Aufnahme bei dem Ehepaar Bertholet, mit dem sie seit ihrem Pariser Exil befreundet war. Da die deutsche Grenze hermetisch abgeriegelt war, konnte sie erst im Juni 1945 nach Frankfurt a.M. zurückkehren.
Nach ihrer Rückkehr beteiligte sich A. Beyer sofort am Aufbau einer sozialistischen Parteiorganisation in Hessen. In den Nachkriegsjahren gehörte sie dem Frankfurter SPD-Vorstand, dem Bezirksvorstand Hessen-Süd und dem hessischen Landesvorstand an. 1945/46 arbeitete sie als Redakteurin in der Pressestelle der hessischen SPD und wurde 1948 zur 2. Vorsitzenden des Bezirks-Frauenausschusses Hessen-Süd gewählt. Darüber hinaus war sie 1946-47 Mitglied des SPD-Parteivorstands in Hannover. Jugendpolitisch engagierte sie sich vor allem in der 'Falken'- Bewegung und sorgte 1947 für die Wiedereröffnung des von Leonard Nelson gegründeten Jugendheimes Walkemühle bei Melsungen. Als Vertreterin der SPD wurde A. Beyer 1945 in den Frankfurter Bürgerrat berufen und im Mai 1946 in die erste Stadtverordnetenversammlung nach dem Krieg gewählt, wo sie dem Vorstand ihrer Fraktion angehörte.
Im Dezember 1946 holte Hermann Brill sie als Referentin, vor allem für die Organisation der Kriegsgefangenen- und Heimkehrerbetreuung, in die Hessische Staatskanzlei. 1948 trat sie eine Stelle bei der Hessischen Vertretung beim Länderrat in Frankfurt a.M. an und unternahm 1949 eine mehrmonatige Studienreise durch die USA. Nach der Gründung der Bundesrepublik wechselte A. Beyer im November 1949 zur Dienststelle des Hessischen Bevollmächtigten beim Bund. Aus Bonn kehrte sie Ende 1954 nach Hessen an das Innenministerium zurück. Den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit bildeten nun Angelegenheiten des Sozialen Wohnungsbaus. 1965 wurde A. Beyer an das Hessische Ministerium für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheit versetzt, wo sie das Referat für Frauen-, Mütter- und Jugendarbeitsschutz übernahm. Sie ging 1974 als Regierungsdirektorin in Pension.
Im Ruhestand widmete sich A. Beyer verstärkt der Arbeit in der Frauenbewegung. Sie war eine gefragte Referentin und Interviewpartnerin, wenn es um die Geschichte der Arbeiterbewegung und um Frauenfragen geht. Daneben engagierte sie sich in der SPD, auf sozialem Gebiet und in der Erwachsenenbildung.
A. Beyer starb am 15. Mai 1991 in Frankfurt a.M..

Enthält 

Akten und Korrespondenzen vor allem zur parteipolitischen Arbeit, ansonsten Literatur und Drucksachen.

Literatur 

Anna Beyer: Politik ist mein Leben (hrsg. von Ursula Lücking). Frankfurt a.M. 1991

Findmittel 

Findbuch von Manfred Pult, 1996

Online-Datenbank (Arcinsys)

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang 

9,75 lfm

Bearbeiter 

Manfred Pult, 1996

Benutzung 

Nutzung nach dem Hessischen Archivgesetz