HHStAW Bestand 88 Nr. U 1

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Beschreibung: Urkunde

Identifikation (Urkunde)

Kurzregest 

König Konrad (I.) bekundet, daß er zu seinem und seiner Vorfahren ('antecessorum') Seelenheil dem Stift ('ad sacrosanctam dei domum'), das in Weilburg zu Ehren der heiligen Gottesmutter Maria und der heiligen Jungfrau Walpurgis erbaut und geweiht ist, gewisse Eigengüter ('quasdam res proprii iuris nostri') im Lahngau ('in pago Logenehe') in der Grafschaft seines Bruders ('germani') Otto, nämlich den Hof ('curtem') (Groß-) Rechtenbach mit Hofstätten ('curtilibus'), Gebäuden, Hörigen ('familiis et mancipiis') beiderlei Geschlechts, bebauten und unbebauten Ländereien, Äckern, Wiesen, Feldern, Weiden, Wäldern, Gewässern und Wasserläufen und allem anderen Zubehör sowie den dritten Teil der Königsscheffel ('modiorum regis') in der ganzen Grafschaft zum Lebensunterhalt der dort Gott dienenden Kleriker zu Eigen geschenkt hat. - Unterschrift und Siegel des Königs. - Rekognition durch Kanzler Salomon in Vertretung des Erzkaplans Piligrim.

Datierung 

Weilburg, 912 November 28

Originaldatierung 

Data 4. kalendas Decembris 912, indictionum 15, im 2. Regierungsjahr König Konrads. - Actum Wilinaburg

Vermerke (Urkunde)

Formalbeschreibung 

Nicht beglaubigte Kopie des 18. Jh.

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Struck, St. Walpurgisstift Weilburg, Nr. 1046. - Kopie, Pergament (Mitte 12. Jh.) im Wormser Kartular, Niedersächsische Landesbibliothek Hannover Ms. XVIII, 1020, Blatt 47v- 48r Nr. 86 (= C). - Kopie, Papier (18. Jh., von dem Nassau-Dillenburger Archivar Martini aus dem Erstdruck)W 88,1. -- Druck: Origines Guelficae IV, 280 (aus C) = Kremer, Or. II, 48 f. Nr. 29 = J. Fr. Böhmer, Acta Conradi 17 Nr. 12; MGDK I Nr. 13 (aus C). -- Deutsche Übersetzung: Matzat, Die ältesten Nachrichten über Weilburg 3 f. -- Regest: Böhmer-Mühlbacher, RI I Nr. 2083. - Diese älteste Urkunde des Stifts setzt seine Existenz bereits voraus und nennt nicht dessen erste Ausstattung, die anscheinend auch in Begüterung am Orte und den Zehnten des Kirchspiels und benachbarter Orte bestand; eine Untersuchung der späteren Besitzungen der Wormser Kirche könnte zur Umschreibung des Weilburger Fundationsgutes vermutlich einen Beitrag liefern. Als der Vater König Konrads, Konrad der Ältere, 906 bei Fritzlar fiel, wurde er im Kastell Weilburg beigesetzt (Chronik des Regino von Prüm in: MG SS I,611; auch hg. von F. Kurze, 1890, 152). Eine Kirche muß also damals bereits in Weilburg bestanden haben. Es erhebt sich somit die doppelte Frage: Ist das Stift etwa schon unmittelbar nach dem Tode Konrads des Älteren zu seinem Gedächtnis oder gar noch von ihm selber gegründet worden? Daß Konrad der Ältere, der allerdings zu den mächtigsten Persönlichkeiten des ostfränkischen Reiches gehörte, noch selber das Stift gegründet hat, hat mangels jedes urkundlichen Zeugnisses die geringste Vermutung für sich. Sein Begräbnis in Weilburg kann zum Beweis dessen nicht angeführt werden, da mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß es damals in Weilburg bereits die Martinskirche gab und er also in dieser bestattet sein könnte. Ein Zeugnis ihres Alters ist es, daß der Propst ihr Patron war, wie wir aus der Inkorporation von 1338 Juni 20 (Nr. 1131) erfahren. Vor allem spricht dafür auch das Patrozinium. Der heilige Martin war der fränkische Reichspatron. Der Höhepunkt seines Kultes fällt in das Jahrhundert von 550 bis 650 (Ewig 159), woraus man freilich, besonders im Rechtsrheinischen, auf die Entstehungszeit der einzelnen Kirche noch nicht ohne weiteres schließen darf. Weilburg bestand sicherlich schon vor dem Aufstieg der Konradiner als Burg. ?Die natürliche Festigkeit des Platzes, der Flußübergang und die Nachbarschaft wichtiger Straßenzüge begründen alten Reichsbesitz an dieser Stelle mehr als genug', hatte bereits K. Glöckner (Das Haus Konrads I. 15) dargelegt und zugleich aus einer Urkunde von 881 nachgewiesen, daß die Umgebung Weilburgs damals noch dem Fiskus gehörte (ebenda 13 f.). Erst seit König Arnolf (887-899) hat Weilburg, das möglicherweise schon königliches Amtslehen der Konradiner war, mehr und mehr den Charakter eines allodialen Stammgutes erhalten. Treten uns Limburg, Weilburg und Wetzlar auch erst unter den Konradinern entgegen, so scheint die Bedeutung, die ihnen damals zugewiesen wurde, doch schon in einer älteren Ordnung vorgegeben. H. Gensicke macht es in: Nass. Annalen 67,15 ff. wahrscheinlich, daß die drei Orte ein westöstliches Etappensystem der Furtplätze an der Lahn darstellen, das bereits in die Zeit der merowingischen Beziehungen zu Thüringen hineinreicht. Siedlungsgeschichtliche Überlegungen stehen also auch der Möglichkeit nicht im Wege, daß in Weilburg bereits in merowingischer Zeit eine Kirche errichtet wurde. In einer Urkunde König Ottos III. vom 24. April 993 (Nr. 1050) wird jener Personen gedacht, durch deren Fürsorge der Ort und das Stift Weilburg erbaut sind. Doch läßt sich aus diesem Plural nicht folgern, daß Konrad der Ältere etwa noch an der Begründung des Stifts beteiligt war. Es könnte dabei auch auf die Erbauung des Ortes oder die Mitwirkung der Brüder Konrads I., Eberhards und Ottos, bei der Stiftsgründung angespielt sein. Es bleibt somit nur die Frage: Hat Konrad I. das Stift schon bald nach dem Tode des Vaters oder erst nach der eigenen Thronbesteigung errichtet? In Limburg, dem alten Zentrum der Siedlungskammer des mittleren Lahngebietes, hatte Konrad Kurzbold, der seit dem Tode seines Vaters Eberhard 902 die Grafschaft des Niederlahngaues leitete, im Jahre 910 das St. Georgenstift begründet. Im benachbarten Oberlahngau hatte die südliche Grafschaft, die sog. mittlere Grafschaft an der Lahn (da es neben ihr in dem Gau noch eine nördliche, die Ohm-Lahn-Grafschaft, gab), ihren kirchlichen Mittelpunkt in Wetzlar, das dementsprechend auch Sitz einer Archipresbyterats wurde. Wir wissen, daß hier die Marienkirche 897 geweiht, wenn anscheinend auch erst um 914/15 von den Neffen Konrads des Älteren, Hermann und Udo (+ 949), als Stift dotiert wurde (vgl. E. E. Stengel, Udo und Hermann 60 ff.; nach Dietrich, Erschließung des unteren Lahngebietes 175 ist bei Hermann an den 1012 verstorbenen Konradiner zu denken, wodurch aber eine neue Schwierigkeit entsteht, da die Überlieferung von einem Stifterpaar spricht). Neuere Ausgrabungen im Wetzlarer Dom haben Fundamente eines Baues aus der Mitte des 12. Jh. und eines zweiten, der mit dem Weihedatum von 897 in Verbindung zu bringen ist, sowie das weitaus regelmäßigere Mauerwerk eines noch älteren, in den Ausmaßen nicht geringeren Baues aufgedeckt (vgl. den Grabungsbericht in: Hess. Jahrbuch f. Landesgesch. 2, 1952, 244 f.). An einer solchen Kirche haben sicherlich bereits mehrere Geistliche gewirkt. Wir haben also mit einer Vorstufe des Stifts zu rechnen (so auch Schönwerk, Aus der Verwaltungspraxis des Wetzlarer Marienstifts 32 f.). Trifft die Nachricht eines Reliquienverzeichnisses von 1497 zu, wonach Marcellinus und Petrus erste Patrone des Stifts gewesen sind (vgl. meinen Hinweis in: Nass. Annalen 62, 1951, 160 f.), deren Kult 828 mit Überführung der Gebeine durch Einhard nach Seligenstadt am Main einsetzt, so bietet sich damit ein Anhaltspunkt für die Datierung dieses ältesten Baues. Hat die Wetzlarer Kirche auch nicht das Alter der von Dietkirchen, so ist man doch versucht, eine Parallele zwischen beiden insofern herzustellen, als die Konradiner neben diesem alten kirchlichen Mittelpunkt das Stift Limburg und in der Nachbarschaft der Wetzlarer Kirche das Stift Weilburg begründeten. Für die Frage, ob das Stift in Weilburg schon vor oder erst nach der Thronbesteigung Konrads I. errichtet wurde, helfen uns diese Überlegungen freilich nicht viel weiter; da die Weihe der Wetzlarer Kirche 897 auf Veranlassung des Grafen Gebhard (gefallen 910) durch dessen Bruder Rudolf, Bischof von Würzburg, erfolgte, mag es allerdings zweifelhaft erscheinen, daß deren Neffe Konrad in dem gleichen Gau schon vor seiner Thronbesteigung eine zweite Kirche, die Weilburger, derart auszeichnete. Daß Konrad I. am 1. Juli 912 den Hof Trebra an der Ilm, den er als väterliches Erbe bezeichnet, dem Kloster Fulda im Tausch gegen die lebenslängliche Nutzung der östlich Weilburgs gelegenen Ortschaften + Merzhausen (bei Kraftsolms), Altenkirchen, Leun, Möttau und Neukirchen seitens seiner Mutter Glismut gab (MG DK I Nr. 8), scheint auf deren Wohnsitz in Weilburg zu deuten. Dem Stift Weilburg steht später in Neukirchen, in dem nahe Kraftsolms gelegenen Ort Oberquembach und in dem bei Altenkirchen und Möttau gelegenen Bonbaden der Zehnte zu. Doch wird dies noch nicht die Behauptung rechtfertigen, daß die Errichtung des Stifts erst nach jenem Tausch mit Fulda anzusetzen ist, da wir nicht wissen, ob diese Zehnten zur ersten Ausstattung gehörten und ob die Begüterung des Klosters Fulda sie vorher eingeschlossen hat. Daß die Wahl des Walpurgispatroziniums durch einen Notar der königlichen Kanzlei beeinflußt ist, bleibt ebenfalls eine zu ungesicherte Vermutung (vgl. Anm. 2), als daß daraus für die Datierung der Stiftsgründung ein Schluß gezogen werden könnte. Eher fällt es ins Gewicht, daß Konrad I. dem Stift nach seiner Wahl zum König außerordentliche Zuwendungen machte, die eine großartige Aufgabenstellung verraten. Dies erweckt doch den Eindruck, daß es erst nach 911 zur Begründung des Stiftes gekommen ist. In Weilburg hat sich der König besonders häufig aufgehalten (MG DK 1 Nr. 13, 19, 24, 26). Es war offenbar seine Lieblingsresidenz. Eine Auswirkung dessen könnte es sein (so Dietrich, Erschließung des unteren Lahngebietes 178), daß Widukind von Korvei und ihm darin folgende Chronisten den König seine letzte Ruhe in Weilburg (statt in Fulda) finden lassen; es mag allerdings auch nur auf Verwechslung mit Konrad dem Älteren beruhen (so H. E. Lohmann - P. Hirsch, Die Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 1935, 38 Anm. 7). Die Martinskirche wird im 16. Jh. bisweilen als Chor der Stiftskirche bezeichnet (Eichhoff, Kirchen-Reformation I, 7 f. Anm. 2). Diese ist demnach möglicherweise aus der Grabkapelle Konrads des Älteren entstanden. In der Schenkung vom 24. April 914 (Nr. 1048) wird auf sein Gedächtnis besonders hingewiesen. Die Stiftsgründung scheint von seinem Sohn jedoch erst nach dessen Thronbesteigung vollzogen zu sein. Konrad I. hat nur in drei Urkunden Besitzungen ausdrücklich als Erbgut bezeichnet (Eggers 49 f.). Niemals ist dies bei den Schenkungen an das Stift Weilburg der Fall. Das am 24. April 914 geschenkte Haiger wird allgemein als Krongut angesehen (Eggers 51 Anm. 2, Renkhoff, Die Grundlagen der nassau-dillenburgischen Territorialentwicklung 95). Der in der gleichen Urkunde übereignete Hof Steinfurth hatte dagegen durch Tausch gegen Erbgut den Charakter von Hausgut erhalten. In dem in unserer Urkunde geschenkten Rechtenbach erblickt Eggers 52 Anm. 1 Hausgut. Darauf könnte deuten, daß auch das Marienstift zu Wetzlar am gleichen Ort seit alters begütert war (Schönwerk, Aus der Verwaltungspraxis des Wetzlarer Marienstifts 40). Andererseits schenkte Konrad I. in unserer Urkunde genau so wie bei Haiger ein Drittel des Königsscheffels, eine Abgabe, die auf dem königlichen Bodenregal beruhte (vgl. G. Waitz, Deutsche Verfassungsgesch. IV, 1885, 115 ff.; E. Frh. v. Künßberg, Lehrbuch der deutschen Rechtsgesch. 1932, 207 Anm. 54; über die Identität dieser Abgabe mit dem Medem vgl. Renkhoff, Die Grundlagen der nassau-dillenburgischen Territorialentwicklung 88). Mögen somit diese bedeutenden Dotierungen, durch die das Stift Weilburg in seiner Frühzeit weit über die Nachbarstifte emporgehoben wurde, teilweise schon vorher im Besitz des konradinischen Hauses gewesen sein, so handelt es sich allem Anschein nach doch um fiskalisches Amtsgut und Reichslehen (vgl. auch E. E. Stengel in: Hess. Jahrbuch f. Landesgesch. 1, 42 Anm. 2), über das Konrad kaum selbständig hätte verfügen können, wenn er nicht in diesem Falle zugleich als König gehandelt hätte.

Repräsentationen

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