HHStAW Bestand 12 Nr. U 243

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Beschreibung: Urkunde

Identifikation (Urkunde)

Kurzregest 

Im Jahre 1629, in der 12. Römerzinszahl, 'zu latein indictio genant', bei Regierung Kaiser Ferdinands II., im 11. Jahr seines Römischen Reichs, im 12. Jahr seines Ungarischen und 13. Jahr seines Böhmischen Königtums, Dienstag, den 17. November alten Kalenders zwischen 7 und 8 Uhr Vormittag, zu Katzenelnbogen, in Herrn Marx Böhmen, des Wirts und Gerichtsschreibers, Behausung in der oberen Stube erschien Herr Tilemann Regenstorff, fürstlich Hessen-Darmstädtischer Amtmann auf Reichenberg, namens des Landgrafen Georg von Hessen, Grafen zu Katzenelnbogen, Diez, Ziegenhain und Nidda, und bat kraft eines Schreibens des Landgrafen (mit dem Befehl, Zeugen wegen des landgräflichen Hauses Bärbach zu verhören), das er vor Notar und Zeugen verlas und das inseriert ist, den Notar um Mithilfe bei der Ausführung. Nachdem der Notar die vorgestellten Zeugen insoweit ihrer Pflichten erließ und sie durch Handgelöbnis ('mit sonderlicher hanttreuwe') an Eidesstatt verpflichtete, die unverfälschte Wahrheit zu sagen, wurden verhört: 1. Maria, Christmann Dechants Ehefrau. Auf die Frage, wie sie heiße und wie alt sie sei: Maria, fast 100 Jahre alt, habe zwei Ehemänner gehabt. Der erste hieß Johan Volmars, mit dem sie ungefähr 15 Jahre in der Ehe lebte, und zwar 10 Jahre zu Fischbach und 5 Jahre zu Schönborn. Nachdem sie ein Jahr als Witwe saß, freite sie ihren jetzigen Mann, mit dem sie fünf Kinder gezeugt habe. Ihr zweiter Sohn werde auf nächstkünftiger Fastnacht 51 Jahre alt. Sie sei aus Schönborn gebürtig. Dort sei sie auch erzogen. Ob sie im Kloster Bärbach ('Bern-') bekannt gewesen? Antwort: Ja, freilich, die Nonnen hätten sie halb erzogen. Sie habe viele Verwandte ('befreunt') darin gehabt wie Hannata, Barbara und Appolonia, die mit ihrem Vater Geschwisterkinder gewesen. Es sei auch eine von Klingelbach, genannt Maria, im Kloster gewesen, Junker Dietrichs von Klingelbach Tochter, die hernach, als die Nonnen alle herauskamen, sich wieder zu ihrer Mutter Margreth begeben habe. Es wäre auch noch eine darin gewesen, welche Anna geheißen und die vornehmste gewesen. Diese sei von Landgraf Philipp hernach an einen Amtmann oder Kellner in der Grafschaft Eppstein, wie sie dafür halte, da man es damals das Neue Land nannte, verheiratet ('bestattet') worden und sei von dem Fürsten sehr wert gehalten worden. Ob sie aber vom Adel oder Unadel, wisse sie nicht. Ob sie sich erinnere, daß frische Nonnen ins Kloster aufgenommen wurden? Antwort: Sie wisse von keiner einzigen. Ob sie auch einen Pater damals in Bärbach ('Beer-') gesehen? Antwort: Niemals, sondern sie habe von ihren Eltern gehört, daß, wie sie jung worden, Streit wegen Veränderung der Religion vorgegangen sei. Es sei kein Pfarrer zu Schönborn gewesen, sondern sie sei vom Pater zu Bärbach getauft worden, der aber keine bleibende Statt mehr im Kloster gehabt habe, sondern hin und wieder kam ('ab unndt zu gangen'). Sonst erinnere sie sich an keinen Pater mehr. Ob sie jemals Messe im Kloster halten sah? Antwort: Niemals. Welcher Religion die Nonnen gewesen seien und ob nicht Zeit ihres Lebens lutherisch darin gepredigt sei? Antwort: Wie sie klein gewesen, hätten die Nonnen sie zu sich genommen, denen sie das Vaterunser und den Glauben beten müssen. Solange sie sich erinnere, sei Herr Marcus Weilenauer, Pfarrer zu Klingelbach, ins Kloster gegangen und habe dort gepredigt, wie er auch sonst gepredigt. Auch sei der Pfarrer von Schönborn, Herr Johann Schmit, an allen hohen Festen mit der ganzen Gemeinde von Schönborn ins Kloster in die Kirche gegangen und habe dort lutherisch gepredigt. Sie habe das heilige Nachtmahl nie anders, als noch heutzutage geschieht, halten sehen. Ob nicht die Nonnen selbst zuletzt lutherisch gewesen? Antwort: Man könne es daraus leicht entnehmen, daß sie sich verheirateten, als sie aus dem Kloster kamen. Welcher Kellner sie sich im Kloster entsinne? Antwort: Der erste Kellner, dessen sie sich entsinne, wie sie noch klein gewesen, habe Kellerhen Schnatz geheißen. Er sei ihr Altvatersbruder gewesen und habe zu Schönborn gewohnt, aber doch den Kellereidienst dabei versehen. Doch zuletzt habe er es Alters halber nicht mehr gekonnt. Der zweite Kellner sei Clas Schnatz gewesen, der etwa fünf oder sechs Jahre Kellner gewesen sei. Er habe im Kloster Mägde beschlafen und darum vom Dienst gemußt. Der dritte sei der Biebricher ('Biberiger') gewesen, ein Barbier, genannt Sauerteig oder Sauerwein. Der sei lange im Kloster gewesen und habe auch zuletzt seine Frau zu sich genommen, habe aber nicht gut im Kloster hausgehalten, sondern habe ein Haus in Biebrich gebaut und die Klostergefälle dorthin verwandt und Weib und Kind davon erzogen. Dadurch hätten die Nonnen endlich leiden müssen und wären veranlaßt worden, die Knechte zu heiraten, während sie sonst wohl noch darin geblieben wären. Wer die Kellner eingesetzt habe? Antwort: Der alte Landgraf zu Kassel, der das Kloster, solange sie sich erinnere, regiert habe und bei dem die Nonnen auch zu Marburg geklagt, wenn Gebrechen bei ihnen vorgingen. Wenn bei ihnen Mangel in der Küche eintrat, habe der Fürst selbst sie gespeist und Ochsen dahin geschickt. Ob nicht einmal ein Kellner nach Kassel vorgefordert und dort behalten sei? Antwort: Obgedachter Sauerteig sei eigenen Gefallens nach Kassel gereist und habe bei dem Fürsten erreichen wollen, daß den Nonnen nicht mehr gegeben werde, als ihm gefiel. Wie er aber hinkommen, sei ihm der Kopf abgangen und sei er nicht wieder kommen. Sie habe ihn selbst auf einem weißen Pferdchen mit einem kleinen Schwanz, nicht eine Hand lang, hinreiten sehen, habe auch das Pferd wieder kommen sehen. Er aber sei ausgeblieben. Wann und wo die Rechnung über Einnahme und Ausgabe geschehen? Antwort: Sie halte dafür, daß die Nonnen es ihrem Herrn, dem Landgrafen, haben tun müssen. 2. Johann Schnatz. Auf die Frage, wie er heiße und wie alt er sei: Johann Schnatz, über 70 Jahre alt, zu Schönborn geboren und erzogen. Welches der erste ihm bekannte evangelische Pfarrer zu Schönborn gewesen? Antwort: Herr Johann Claus. Ob er im Kloster Bärbach bekannt gewesen? Antwort: Er habe eines Vaters Schwester darin gehabt, genannt Johannata, die sich hernach verheiratete. Wie diese im Kloster gewesen, habe sein Vater ihn oft mit einem Körbchen mit Erdbeeren zu ihr ins Kloster geschickt. Dann habe sie ihm die Säck voll Brötchen ('brötger') gegeben und ihn wieder heimgehen lassen. Ob er einen Pater im Kloster gekannt? Antwort: Nein. Doch wüßte er, daß Herr Marx Weilenau, Pfarrer zu Klingelbach, wöchentlich ins Kloster ging und dort predigte. Ob er Messe im Kloster lesen hören? Antwort: Nein. Ob nicht länger, als er entsinnen könne, lutherisch im Kloster gepredigt sei? Antwort: Er halte dafür, da Herr Marx dort, solange er entsinne, gepredigt. Ob die Nonnen zuletzt lutherisch darin gewesen? Antwort: Sie müßten lutherisch gewesen sein, da sie lutherische Männer genommen. Welche Kellner er im Kloster kannte? Antwort: Sein Altvater Hen Schnatz, der aber Kellerhen genannt wurde, sei Kellner dort gewesen. Er erinnere sich aber dessen nicht. Er habe nur den letzten Kellner gekannt, der hernach, wie das Kloster aufgehoben ('verstöret') sei, die eine Nonne, seine Vatersschwester, geheiratet habe. Wer die Kellner eingesetzt habe? Antwort: Er halte dafür, die Fürsten, denn er habe von seinem Vater gehört, daß Sauerteig, der auch Kellner gewesen, nach Kassel zur Rechenschaft gezogen und nicht wiederkommen, wiewohl das Pferd zurückgeschickt worden. Ob er sich einer Nonne erinnere, die ins Kloster genommen sei? Antwort: Nein. 3. Christmann Dechant. Auf die Frage nach Name und Alter: Er heiße Christmann Dechant, sei ungefähr 80 Jahre alt. Wann das Kloster erstlich reformiert und die lutherische Religion eingeführt worden? Antwort: Er wisse es nicht, habe auch keinen Pater im Kloster gekannt oder von einem im Kloster gehört. Doch wisse er, daß Herr Marx Weilenau alle Mittwoch in das Kloster gegangen sei und dort gepredigt habe, wie er denn auch den Nutzen aus dem Patersgarten, der beim Kloster gewesen, zu sich genommen. Ob nicht die Nonnen zuletzt selbst lutherisch gewesen? Antwort: Er entnehme es daraus, daß die Nonnen, wenn ihnen etwas mangelte, den alten Landgrafen, Philipp den Älteren, um Hilfe angesprochen hätten. Worin sie den Landgrafen um Hilfe ansprachen? Antwort: Wenn sie einen Kellner hatten, der ihnen zuwider war und sie zu sehr belastete. Bei welchem Kellner sei dies geschehen? Antwort: Es sei bei Sauerteig geschehen. Der sei von Biebrich gewesen und mit der Frau ins Kloster gezogen. Da habe er die Nonnen gar zu Schaden gebracht ('verderbt'). Er habe das Heu aus des Klosters Wiesen halb heim und halb ins Kloster geführt. Wie er nach Kassel zur Rechnungslegung kam, sei ihm der Kopf abgehauen und das Pferd wieder zurückgeschickt. Das Pferd sei weiß gewesen und habe einen stumpfen Schwanz gehabt, wie man damals den Reitpferden die Schwänze abgehauen. Er habe Sauerteig wohl gekannt und das Pferd gesehen. - Geschehen unter dem Datum und an dem Ort, wie oben angegeben vor Endriß Hase, Gerichtsverwandten, und Marx Böhm, Gerichtsschreiber, Bürger zu Katzenelnbogen. - Johann Aspach von Bacharach, kaiserlicher Notar, bezeugt seine Anwesenheit und Niederschrift auf diesen fünf, mit einer Seidenschnur verbundenen Blättern mittels Unterschrift und Signets.

Datierung 

Katzenelnbogen, 1629 November 27

Vermerke (Urkunde)

Formalbeschreibung 

Ausfertigung, Pergament W 12,238 auf drei Doppelblättern, von denen die ersten fünf Seiten beschrieben sind und die durch eine schwarzgelbe Seidenschnur zusammengeheftet sind, deren zwei Enden durch das Siegel des Notars auf Papieroblate unter dem Textschluß befestigt sind. Die Unterschrift beginnt auf der Papieroblate. - Der Amtmann Thilmann Regenstorff zu Reichenberg übersandte dem Landgrafen Georg mit Schreiben vom 27. (17.) November 1629 ebenfalls ein von ihm unterschriebenes Protokoll über das Zeugenverhör auf Papier (W 12,243). In der Nachschrift vom 3. Dezember (23. November) entschuldigt er sich, daß er das authentische Instrument nicht mitschicken könne. Aber der Notar habe in der Eile kein Pergament bekommen können. Es werde mit der nächsten Post folgen. Obiges Instrument, kann also erst nach dem 3. Dezember angefertigt sein

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Struck, Klarissenkloster Bärbach, Nr. 300

Repräsentationen

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