HStAM Bestand 330 Serie

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Beschreibung: Bestand-Serie

Identifikation (kurz)

Titel 

Stadtarchive

Laufzeit 

1200-2000

Bestandsdaten

Bestandsgeschichte 

Die in den Beständegruppen 330 Stadtarchive und 331 Gemeindearchive vereinigten Registraturen bilden neben der Überlieferung der Landratsämter wichtige Bestände zur Dokumentation des Verwaltungshandelns auf unterer Ebene. Vielfach stellen sie eine Ersatzüberlieferung dar für die im Zuge der Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs beim Regierungspräsidium und bei den Landratsämtern entstandenen Quellenverluste. Mengenmäßig verwahrt das Hessische Staatsarchiv Marburg Bestände von ca. 60 Städten und rund 130 Gemeinden seines Sprengels, die seit Ende des 19. Jahrhunderts übernommen wurden. Die Anzahl der eigentlichen Provenienzen (Registraturbildner) ist hingegen bei weitem größer, da die Bestände vielfach auch das Schriftgut der eingemeindeten Gemeinden beinhalten.
Oftmals ist das Schriftgut noch im Eigentum der Kommune und wurde dem Staatsarchiv als Depositum anvertraut. Die Benutzung regelt der mit dem Staatsarchiv abgeschlossene Depositalvertrag (Verwahrungsvertrag). Im Normalfall unterliegt die wissenschaftliche Benutzung keinen vertragsmäßigen Beschränkungen, und lediglich bei nichtwissenschaftlicher Benutzung bedarf es der vorherigen Genehmigung des Eigentümers. In den Fällen, wo kein Depositalvertrag vorhanden ist, richtet sich die Benutzung nach dem Hessischen Archivgesetz vom 18.10.1989 in Verbindung mit der Benutzungsordnung für die Staatsarchive des Landes Hessen vom 11.03.1997.
Die innere Ordnung der Bestände unterscheidet in den meisten Fällen zwischen Amtsbüchern und Akten. Bei ersteren wird in der Regel weiter zwischen Rechnungen, Protokollen, Katastern, Zins- und Steuerbüchern unterschieden. Die Gliederung der Akten orientiert sich in an der in den 60er Jahren erarbeiteten Einheitsklassifikation für Kommunalarchive.
Da sich in früheren Zeiten die Bestandsbildung an physischen Gesichtspunkten orientierte, werden die Urkunden der Beständegruppen 330 und 331 in der Regel im Urkundenbestand X.1 Städte und Gemeinden und das vorhandene Kartenmaterial in der Kartenabteilung verwahrt. Entsprechende Hinweise wurden in den Bestandsbeschreibungen unter dem Punkt 'Siehe' angebracht.

Geschichte des Bestandsbildners 

1821
Durch das sog. Organisationsedikt vom 29. Juni 1821 wird das Kurfürstentum Hessen in vier Provinzen gegliedert. Gemäß § 90 stehen Bürgermeister und Stadträte in der Residenzstadt und in den Hauptstädten der Provinzen unmittelbar unter der Regierung. In den übrigen Städten und Gemeinden unterstehen die Bürgermeister und Stadträte, Schultheißen und Greben dem Kreisrat (später Landrat).
1831
Am 5. Januar 1831 wird die kurhessische Verfassung veröffentlicht. Der vierte Abschnitt (§42-46) legt die selbständige Verwaltung der Städte und Gemeinden fest, die durch eine besondere Gemeindeordnung geregelt werden soll.
1834
Die Gemeindeordnung wird am 23. Oktober 1834 erlassen (in Kraft ab 1. Januar 1835). Hiernach sind die Städte und Gemeinden berechtigt, Statuten zu errichten, die die Behandlung ihrer Angelegenheiten bestimmen (§ 3); Tit. III (§36-66) regelt den Aufbau der Gemeindebehörden. Diese bestehen aus dem Ortsvorstand, dem Gemeindeausschuß (in den Städten: Bürgerausschuß) und dem Gemeinderat (in den Städten: Stadtrat). Der Ortsvorstand führt in den Hauptstädten der Provinzen den Titel 'Oberbürgermeister'; er wird vom Ausschuß zusammen mit dem Gemeinderat (Stadtrat) gewählt und sollte möglichst über juristische Kenntnisse verfügen. Der Gemeindeausschuß führt die Mitaufsicht über die Gemeindeverwaltung aus und wird von den stimmfähigen Ortsbürgern gewählt; er besteht zur einen Hälfte aus ständigen und zur anderen aus außerordentlichen Mitgliedern. Der Gemeinderat (Stadtrat) vertritt das gesellschaftliche Interesse der Gemeinde; er beratschlagt und beschließt Angelegenheiten, welche nicht zur gewöhnlichen Verwaltung gehören; der große Gemeindeausschuß wählt die Gemeinderäte (Stadträte) aus stimmfähigen Ortsbürgern aus. Außerdem können je nach Erfordernis 'für einzelne Zweige der Gemeindeverwaltung sowie für einzelne wichtige Verrichtungen' (§ 52) Deputationen gebildet werden, die aus Mitgliedern des Gemeinderats sowie aus Fachkundigen bestehen. Hierzu gehören z.B. Baudeputationen und Marktdeputationen.
1866
Das Kurfürstentum wird von Preußen annektiert (Gesetz vom 20. September) und in die preußische Verwaltung einbezogen. Die kurhessische Gemeindeordnung von 1834 gilt zunächst weiter und wird erst durch die preußische Städte- und Landgemeindeordnung für die Provinz Hessen-Nassau vom 4. August 1897 abgelöst.
1885
Mit Erlaß der 'Kreisordnung für die Provinz Hessen-Nassau' vom 7. Juni 1885 wird die kommunale Selbstverwaltung gestärkt. Der Landrat fungiert fortan als Organ sowohl der Landesverwaltung als auch der Kreiskommunalverwaltung. Der unter seinem Vorsitz stehende Kreisausschuß stellt die eigentliche Behörde der Kommunalverwaltung dar. Dieser ist im wesentlichen für folgende Verwaltungsaufgaben zuständig: Gemeindeaufsicht, Straßen- und Wasserbau, Gesundheits- und Armenwesen, Genehmigung gewerblicher Anlagen und Konzessionen, Schulwesen.
1897
Mit der Verordnung vom 4. August 1897 (in Kraft ab 1. April 1898) treten die an der preußischen Revidierten Städteordnung (echte Magistratsverfassung) vom 17. März 1831 orientierte 'Städteordnung für die Provinz Hessen-Nassau' sowie die 'Landgemeindeordnung für die Provinz Hessen-Nassau' in Kraft. Zu den Organen der Stadt gehören die Stadtverordnetenversammlung und der Magistrat. Zu diesem gehören der Oberbürgermeister, ein Beigeordneter als sein Stellvertreter und die Schöffen (Stadträte, Ratsherren, Ratsmänner) sowie je nach Bedarf ein oder mehrere besoldete Mitglieder (z.B. Stadtkämmerer, Schulrat, Baurat). Die Stadtverordnetenversammlung wird von den stimmberechtigten Gemeindegliedern auf 6 Jahre gewählt; alle zwei Jahre finden Ergänzungswahlen statt. Die Stadtverordneten beschließen Gemeindeangelegenheiten, die nicht ausschließlich dem Magistrat überwiesen sind; sie überwachen die Verwaltung und sind für die Erhaltung des städtischen Grundvermögens verantwortlich. Bürgermeister und Beigeordnete werden von der Stadtverordnetenversammlung und den unbesoldeten Mitgliedern des Magistrats, die übrigen besoldeten Mitglieder nur von den Stadtverordneten gewählt. Der Magistrat ist die Gemeindebehörde; der Bürgermeister leitet und beaufsichtigt den Geschäftsgang der städtischen Verwaltung.
Bei den Landgemeinden steht der von der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) gewählte Bürgermeister an der Spitze der Verwaltung. Ihm beigeordnet sind zwei Schöffen, die ihn in den Amtsgeschäften unterstützen und in Behinderungsfällen vertreten. Die Amtszeit des Bürgermeisters beträgt im Normalfall 8 Jahre, die des Beigeordneten und der Schöffen 6 Jahre. In Gemeinden mit mehr als 500 Einwohnern soll als Verwaltungsorgan ein kollegialischer Gemeindevorstand (Gemeinderat) gebildet werden, der aus dem Bürgermeister, einem Beigeordneten als dessen Stellvertreter und 3 oder 5 Schöffen besteht. Die Gemeindevertretung umfaßt den Bürgermeister, die Schöffen und die auf 6 Jahre gewählten Gemeindeverordneten. Alle zwei Jahre finden Ergänzungswahlen statt. Die Aufgabe der Gemeindevertretung (Gemeindeversammlung) besteht darin, über alle Gemeindeangelegenheiten zu beschließen, soweit diese nicht durch Gesetz dem Bürgermeister (Gemeinderat) ausschließlich überwiesen sind.
1933
Im Zuge der Gleichschaltung der Verwaltung werden die Gemeindevertretungen der Städte und Gemeinden aufgelöst ('Verordnung über die Auflösung der Vertretungskörperschaften der Gemeinden und Gemeindeverbände' vom 4. Februar 1933). Das 'Gemeindeverfassungsgesetz vom 15. Dezember 1933' überträgt dem Leiter der Gemeinde (in kreisfreien Städten: Oberbürgermeister, in den übrigen Städten: Bürgermeister, in den Bauerndörfern: Dorfschulze, in den Landgemeinden: Gemeindeschulze) die volle und ausschließliche Verantwortung; er und die Beigeordneten (Stadtkämmerer, Stadtschulrat, Stadtbaurat usw.) werden auf 12 Jahre berufen. Die Gemeinderäte werden von der Aufsichtsbehörde (Regierungspräsident), später 1935 von dem Beauftragten der NSDAP auf 6 Jahre berufen. Sie haben die Aufgabe, 'die dauerhafte Fühlung der Verwaltung der Gemeinde mit allen Schichten der Bevölkerung zu sichern und den Bürgermeister eigenverantwortlich zu beraten' (Deutsche Gemeindeordnung, 1935).
1935
Am 1. April 1935 tritt die neue 'Deutsche Gemeindeordnung' vom 30. Januar 1935 in Kraft, die die vorgenannten Vorschriften bestätigt. Die kommunale Selbstverwaltung wird faktisch beseitigt.
1945/46
Unmittelbar nach Gründung des Landes Hessen (damals noch Groß-Hessen) wird am 21. Dezember 1945 eine neue Gemeindeordnung erlassen und am 10. Januar 1946 im Gesetz- und Verordnungsblatt für Groß-Hessen veröffentlicht. In § 1 Abs. 2 wird die kommunale Selbstverwaltung wiederhergestellt. § 6 Abs. 3 eröffnet den Gemeinden die Möglichkeit, durch Hauptsatzung zu bestimmen, daß die Verwaltung der Gemeinde nicht durch den Bürgermeister, sondern durch einen kollegialen Gemeindevorstand (Magistrat) wahrgenommen werden soll. Damit ist die Möglichkeit einer Wiedereinführung der Magistratsverfassung gegeben.
Anfang 1946 finden die ersten Wahlen statt; mit der Verfassung des Landes Hessen vom 1. Dezember 1946 wird die Grundlage für den demokratischen Rechtsstaat gelegt.
1952
Die Hessische Gemeindeordnung vom 25. Februar 1952 bestätigt die kommunale Selbstverwaltung und führt die unechte Magistratsverfassung ein.
Hiernach haben die Gemeinden zwei gleichrangige Organe, die Gemeindevertretung (in den Städten: Stadtverordnetenversammlung), die über alle wichtigen Angelegenheiten entscheidet und die Verwaltung überwacht sowie den für die laufende Verwaltung zuständigen Gemeindevorstand (in den Städten: Magistrat). Im Gegensatz zu den Bestimmungen der echten Magistratsverfassung sind die Beschlüsse der Gemeindevertretung nicht an die Zustimmung des Gemeindevorstands gebunden.
Lediglich in Gemeinden unter 3000 Einwohnern, in denen bisher die Verwaltung dem Bürgermeister oblag, also die sog. Bürgermeisterverfassung galt, kann durch Hauptsatzung deren Weiterbestehen bestimmt werden.
1976
Mit Einführung des Änderungsgesetzes zur Hessischen Gemeindeordnung vom 30. August 1976 (GVBl. I S. 325) gilt auch für die letztgenannten die sog. unechte Magistratsverfassung.
1993
Nach Neufassung der Hessischen Gemeindeordnung vom 1. April 1993 wird der Bürgermeister nicht mehr von der Gemeindevertretung, sondern von den Bürgern der Gemeinde nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl direkt gewählt.

Literatur 

List, Ulrike [Bearb.]: Repertorien des Hessischen Staatsarchivs Marburg. Bestand 330 Stadtarchiv Marburg. Abteilung C. Akten der Stadt Marburg 1805-1969 (mit Vorakten ab 1611), Marburg/Lahn 1977

Dreßler, Ulrich: 50 Jahre Parlamentsvorsteher in der HGO - das unbekannte Jubiläum, www.uli-dressler.de/aufsatz_7.htm

Dreßler, Ulrich: 50 Jahre Hessische Gemeindeordnung, www.hess-staedtetag.de/Info/info2002/inf4-02/04_02.htm

Schunder, Friedrich: Der Kreis Fritzlar-Homberg. Geschichte der Verwaltung vom 13. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Marburg und Witzenhausen 1960

Sieburg, Armin [Bearb.]: Repertorien des Hessischen Staatsarchivs Marburg. Bestand 180 Landratsämter: Witzenhausen 1821-1945 (1952), Marburg 1975

Dreßler, Ulrich und Ulrike Adrian: Hessische Kommunalverfassung. Gemeindeordnung, Landkreisordnung und Kommunalwahlgesetz mit Anmerkungen und Hinweisen sowie einer erläuternden Einführung, Mainz 2000 [Hessische Landeszentrale für politische Bildung]

Lengemann, Jochen: Bürgerrepräsentation und Stadtregierung in Kassel 1835-1996, Marburg 1996, S. 23-33.