Hessisches Hauptstaatsarchiv > Gerichte

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Beschreibung: Gliederung (Tektonik)

Identifikation (Gliederung)

Titel 

Gerichte

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Behördengeschichte

Zuständigkeit

Die grundlegende gesetzliche Regelung erfolgte in § 3 des Edikts vom 9./11. Sept. 1815 betr. die Verwaltungsorganisation des Herzogtums Nassau (Verordnungsblatt S. 111 f.; Ediktensammlung III S. 9); nur für die Hof- und Appellationsgerichte erfolgte 1821 eine unten zu schildernde Neuregelung. Das Oberappeilationsgericht 'bildete danach die letzte und höchste Instanz in allen Zivilprozessen von einer 'bestimmten Appellationssumme an und in allen Kriminalprozessen. Die Appellationssumme in Zivilsachen 'betrug 300 Gulden, doch 'bei privilegierten Personen und Sachen, wo das Gericht in zweiter und letzter Instanz entschied, war die Berufungssumme auf 100 Gulden festgesetzt. Auch unterlagen seiner Gerichtsbarkeit die Ehe- und Lehnsachen in der Appellationsinstanz. In Kriminalsachen stand dem Oberappeilationsgericht nur das Urteil über das Rechtsmittel der weiteren Verteidigung gegen Urteile auf Todes- oder Zuchthausstrafe sowie über Beschwerden wegen Nichtigkeit im Prozessverfahren zu. Die Entscheidung über weitere Verteidigung gegen hofgerichtliche Erkenntnisse, die nur auf Korrektionshaus oder eine geringere Strafe lauteten, blieb dem erkennenden Hof- und Appellationsgericht vorbehalten. Dem Oberappellationsgericht unmittelbar untergeordnet waren die Hof- und Appellationsgerichte sowie im Falle einer Appellation gegen Rechnungsbeschlüsse die Rechnungskammer und die Oberrechnungskommission. Die Hof- und Appellationsgerichte entschieden in erster Instanz für die privilegierten Personen und Sachen sowie über Ehescheidungsklagen, in zweiter Instanz über alle Zivilrechtsstreitigkeiten, bei denen die Appellationssumme von 50 Gulden erreicht wurde. Sie bildeten zugleich die den beiden Kriminalgerichten vorgesetzten Kriminalgerichtshöfe. Die von ihnen gefällten Straferkenntnisse wurden dem Herzog zur Genehmigung vorgelegt. Ferner führten sie die Aufsicht auf unter Vormundschaft stehender Personen und Sachen und erteilten Zahlungsaufschub. Den Hofgerichten untergeordnet waren die Ämter als die Gerichte erster Instanz für alle Personen und Sachen, die keinen privilegierten Gerichtsstand genossen. Die Kriminalgerichte waren die untersuchenden (inquirierenden) Gerichtsbehörden für alle in ihrem Gerichtssprengel vorfallenden Verbrechen. Ihnen stand weder eine selbständige Tätigkeit als Polizeistelle noch eine richterliche Entscheidung über das zu bestrafende Verbrechen zu. Die Ämter hatten die eines Verbrechens verdächtigen Personen zu ergreifen und mit dem Untersuchungsprotokoll (Informativprotokoll) an das zuständige Kriminalgericht einzusenden. Dieses führte die Untersuchung und legte nach deren Abschluss die Untersuchungsakten dem zuständigen Hofgericht vor, soweit nicht die Bestrafung einzelner Vergehen polizeilicher Natur der Landesregierung überwiesen war. Die Landesregierung erkannte in diesen Fällen bis zu 150 Gulden Geld- und dreimonatlicher Korrektionshausstrafe, bei höherer und Pestungsstrafe machte sie Anträge an das Staatsministerium (vgl. § 17 des Edikts vom 5.1.1816 betr. den Geschäftskreis der Landesregierung, insbes. Aburteilung korrektioneller Vergehen, Verordnungsblatt S. 16; Ediktensammlung II S. 3). Die Kriminalgerichte hatten auch die nächste Aufsicht auf die Kriminalgefängnisse zu führen. Durch Gesetz vom 7.3.1849 betr. Aufhebung des befreiten Gerichtsstandes in bürgerlichen Rechtssachen (Verordnungsblatt S. 35 ff.) wurde gemäß § 43 der Grundrechte des deutschen Volkes der einzelnen Stände und Personen bisher zustehende privilegierte Gerichtsstand aufgehoben. Jene hatten ihre erste Klage also bei den Justizämtern und nicht bei den Hof- und Appellationsgerichten vorzubringen. Auch die Klagen des Landessteuer- und Domanialfiskus sowie der Zentralfonds (wie nach § 1 der Verordnung vom 19.8.1822) waren nicht mehr bei den Hof- und Appellationsgerichten, sondern bei den Justizämtern anhängig zu machen. Ferner sollte die bisher von den Militärgerichten ausgeübte Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtsangelegenheiten der Militärpersonen in Zukunft von den betreffenden bürgerlichen Gerichten und Behörden ausgeübt werden. Das Gesetz vom 14.4.1849 betreffend die Einführung des mündlichen und öffentlichen Strafverfahrens mit Schwurgerichten (Verordnungsblatt S. 305-380, dazu Gesetz vom 14.6.1849 über die Einführung ebd. S. 417 f.) schuf in Ausführung von Art. 9 § 46 der Grundrechte des deutschen Volks bei jedem der beiden Hofgerichte einen Assisenhof mit 12 Geschworenen. Das Oberappellationsgericht bildete die Revisionsinstanz des Kassationshofs. Die Kompetenz der Gerichte wurde in dieser Hinsicht geregelt durch ein Gesetz vom 14.4.1849 (Verordnungsblatt S. 403 f.). Ein Gesetz vom 28.12.1850 traf neue Bestimmungen über die Zusammensetzung der Hofgerichte und deren Abteilung im Senate (ebd. S. 107). Durch Edikt vom 23.12.1851 wurden als Folge der politischen Reaktion die politischen und Pressvergehen vom öffentlichen Verfahren ausgeschieden (ebd. S. 364). Am 15.7.1853 wurden die Geschworenengerichte auf Verbrechen beschränkt, die mit mehr als 5 Jahre Zucht- oder Korrektionshaus bedroht waren (ebd. S. 173 ff.). Am 4.11.1853 erging eine Ministerialverordnung über die Befugnis der Staatsanwälte (ebd. S. 315 f.).

Geschichte der Gerichte

Das Oberappellationsgericht wurde 1804 in Hadamar für die nassau-oranischen und nassau-walramischen Territorien als oberstes Gericht auf Grund des dem Gesamthaus Nassau im Reichsdeputations-hauptschluss von 1803 verliehenen Privilegs de non appellando begründet. Bis zum 1.4.1807 war es mit dem Großherzogtum Berg gemeinschaftlich. 1810 wurde es nach Diez und 1815 von dort nach Wiesbaden verlegt. In der zweiten Instanz trat bei Begründung des Herzogtums zunächst eine Zentralisierung ein. Die in den einzelnen Landstrichen bestehenden Hofgerichte wurden nach und nach aufgehoben: Am 1.1.1807 das Hofgericht Ehrenbreitstein und das Hofgericht Weilburg, am 18.12.1807 das Justizkolleg Hachenburg, am 31.12.1815 der Justizsenat Ehrenbreitstein, der 1806 als erste Instanz für Personen mit privilegiertem Gerichtsstand und für Klagen gegen den Fiskus angeordnet worden war, durch Edikt vom 9./11.9.1815 auch das Hofgericht Wiesbaden. Der Geschäftsgang des Hofgerichts Wiesbaden hörte zum 20.12.1815 auf (Verordnung des Hofgerichts vom 8.12. in Verordnungsblatt S. 151). Das Hofgericht Dillenburg war seitdem zunächst allein für das gesamte Herzogtum zuständig. Am 31.12.1821 wurden jedoch zum 1.4.1822 zwei Hof- und Appellationsgerichte errichtet, eines in Wiesbaden, das andere in Dillenburg (Verordnungsblatt S. 93 f.; Ediktensammlung III S. 9). Zu jedem gehörten vierzehn Ämter: Braubach, Eltville, Hochheim, Höchst, Idstein, Königstein, Langenschwalbach, Nassau, Nastätten, Rüdesheim, St. Goarshausen, Usingen, Wehen und Wiesbaden, zu Dillenburg die Ämter: Diez, Dillenburg, Hachenburg, Hadamar, Herborn, Limburg, Marienberg, Meudt, Montabaur, Reichelsheim, Rennerod, Runkel, Selters und Weilburg. Als Kriminalgerichte blieben gemäß Edikt vom 9./11.9.1815 § 3 diejenigen zu Dillenburg und Wiesbaden bestehen. Darin wurden auch ihre Sprengel festgelegt. Durch Ministerialverordnung vom 5.6.1816 wurden diese verändert (Verordnungsblatt S. 137). Sie entsprachen im wesentlichen der Aufteilung gemäß Edikt vom 31.12.1821, durch das ihre Sprengel denen der beiden Hof- und Appellationsgerichte angeglichen wurden. Das Hof- und Appellationsgericht Wiesbaden wurde als Reaktion auf die politische Unruhe im Gefolge der Julirevolution durch Ministerialverfügung vom 23.7.1832 (zum 10.9.) nach Usingen verlegt und kam erst durch Gesetz vom 8.9.1849 (zum 1.10.) nach Wiesbaden zurück (Verordnungsblatt 1832 S. 99; 1849 S. 443).

Bestandsgeschichte

Für die Abteilungen 290-295 wurde 1879 durch den Kanzleisekretär Schüler ein Standortrepertorium angefertigt, das im Laufe der Zeit durch eine Kartei ergänzt worden war. Beide Verzeichnisse waren jedoch nicht vollständig. Die Neuordnung erstreckte sich einerseits auf restlose Verzeichnung dieser Bestände und zweitens auf die provenienzmäßige Aufglieder und die Ausscheidung der fremden Provenienzen. Damit hatte man bereits früher begonnen, als die Gruppe III c 'Hexenprozesse' herausgenommen und als eigene Abteilung aufgestellt worden waren. Ebenso waren die kleinen Gruppen VI 'Neuere Gerichtsakten mit Ausschluß der Criminalsachen' und IIa 'Hofgericht Dillenburg' (18. Jahrh.) aufgelöst worden. Die Alten IV c 'Vor der Oberappellationscommission zu Langenschwalbach verhandelte Sachen' wurden zu Abt. 300 Ziffer IX gelegt. Für die Akten VII des Hofgerichts und des Kriminalgerichts Wiesbaden vor 1803 wurden eigene Abteilungen 144 und 144a gebildet. Hier war allerdings eine klare Scheidung nicht immer möglich. Der Bestand 293 (Hof-und Appellationsgericht Wiesbaden) enthält noch eine Reihe von Akten, die ins 18. Janrhundert zurückreichen. Dies gilt besonders für die Akten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die aus dem Grunde näher verzeichnet wurden. Bei der Titelaufnahme wirkte Archivangestellter Gerhard Schmidt mit.

Literatur

Oberappellationsgericht: Der Rheinische Bund IV (1807) S. 150-153.

Wilhelm Jüngst, Verfassung- und Verwaltung von Nassau-Oranien von 1743 bis 1806. Phil. Diss. Frankfurt a.M. 1923 Mansch. S. 396.

D.A. Bornewasser, Kirche und Staat in Fulda unter Wilhelm Friedrich von Oranien 1802-1806 (Fulda, Utrecht, Nimwegen 1956 S. 48f.).

Staats- und Adreß-Calender des Herzogtums Nassau 1808, 1812, 1813.

Staats- und Adreß-Handbuch des Herzogtums Nassau 1818 ff..

CD. Vogel, Beschreibung des Herzogtums Nassau (Wiesbaden 1843) S. 390, 751, 764..

F.W.Th. Schliephake-Karl Menzel, Geschichte von Nassau VII (1889) S. 607, 718 f..

Ernst Vix, Die Verwaltung des Herzogtums Nassau. Phil. Diss. Mainz 1950 Masch. S. 35, 49, 152.