LWV-Archiv Bestand B 13

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Landeshospital und Psychiatrisches Krankenhaus Haina: Sachakten

Laufzeit 

1523-1996

Siehe

Korrespondierende Archivalien 

LWV-Archiv, B 90 (Kommunalforstamt Haina)

HStAM, 228 (Landeshospital Haina)

Bestandsdaten

Geschichte des Bestandsbildners 

Im Zuge der allgemeinen Neuordnung des Armen- und Fürsorgewesens in der Landgrafschaft Hessen nach der Reformation stiftete Landgraf Philipp der Großmütige ab 1533 die Hohen Hospitäler Haina (1533), Merxhausen bei Kassel (1533), Hofheim bei Darmstadt (1535) und Gronau am Rhein bei St. Goarshausen (1546). Nach dem Willen des Stifters sollten sie ausschließlich der Landbevölkerung offenstehen, wobei Haina und Gronau für die Aufnahme und Pflege von hilfsbedürftigen Männern und Merxhausen und Hofheim für hilfsbedürftige Frauen bestimmt waren.
In Haina wurde das im 12. Jahrhundert von Zisterziensern gegründete gleichnamige Kloster in ein Hospital umgewandelt. Zur Fundation erhielt es ein Fünftel des ehemaligen Klosterbesitzes, der zum größten Teil aus Grund und Boden bestand, der an lehnsabhängige Bauern ausgegeben war. Dazu kamen umfangreiche Forsten und die Einnahmen aus dem Verkauf der Produkte von hospitaleigenen Eisenhütten im Kellerwald. 1556 wurde eine Rechts- und Wirtschaftseinheit geschaffen, die eine geordnete Verwaltung ermöglichte. Der Verwaltungsapparat setzte sich zusammen aus dem Amtsvogt, welchem die Administration des Hospitals und des Amts Haina oblag, dem Rentschreiber, Küchenmeister, Fruchtschreiber, Forstschreiber, Hüttenschreiber, Gegenschreiber, Gerichtschreiber und dem Fruchtkontrolleur. Dazu kamen als weitere Beamte die Pfarrer der beiden evangelischen Konfessionen, ein Lektor sowie ein Wundarzt (Chirurgus). Die Oberaufsicht über die vier Hohen Hospitäler führte der Obervorsteher, meist ein verdienter ehemaliger Offizier. Seit Ende des 17. Jahrhunderts hatte der Obervorsteher seinen Dienstsitz in Haina. Nach der hessischen Landesteilung von 1567 wurden die Hohen Hospitäler gemäß einer testamentarischen Bestimmung Philipps des Großmütigen weiterhin gemeinsam verwaltet. Diese sogenannte Samtverwaltung bestand bis 1810. Bis dahin wurde der Obervorsteher alternierend von Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt nominiert und kamen alljährlich um Pfingsten Beamte aus Darmstadt und Kassel zur Visitation und Rechnungsprüfung nach Haina.
Das Leben im Hospital regelte eine Hospitalordnung, deren früheste bereits um 1535 erlassen wurde. Sie erfuhr in der Folgezeit mehrfach Änderungen (Renovationen). In vielem wirkte die alte Klosterordnung nach. Wie zur Klosterzeit spielten Gebet und Arbeit eine zentrale Rolle, sie gliederten den Tagesablauf und dienten gleichzeitig als Mittel zur Disziplinierung der Hospitaliten.
Die Zahl der Hospitaliten in Haina, die vor allem aus den Dörfern Ober- und Niederhessens kamen, war ursprünglich auf 100 begrenzt, doch stieg sie schon im Laufe des 16. Jahrhunderts stark an. 1550 waren es bereits 176, nach dem Dreißigjährigen Krieg lebten sogar über 300 Hospitaliten in Haina. Durch den Bau neuer Gebäude versuchte man mit der Entwicklung Schritt zu halten. Anfangs waren die Hospitaliten in den Räumen des Klostergevierts untergebracht, jeweils getrennt nach ihren Gebrechen. Für jedes „Logis“ gab es einen „Aufwärter“, der sich um die Kranken kümmerte, in der Regel unter Mithilfe seiner Ehefrau. Für die wundärztliche Versorgung stand seit dem 17. Jahrhundert ein ständiger Chirurgus bereit. Bei schwereren inneren Erkrankungen musste jedoch jedes Mal ein Arzt von auswärts gerufen werden. Erst 1821 kam es zur Anstellung des ersten hospitaleigenen Arztes, bei dem es sich jedoch zunächst um einen Allgemeinmediziner handelte, obgleich das Landeshospital Haina seit 1815 offiziell als „Pflege- und Versorgungsanstalt für preßhafte, und insbesondere für verrückte, wahnsinnige, hülflose, blinde und epileptische Personen“ fungierte. Es sollte noch 70 Jahre dauern, bis ein Ärztlicher Direktor mit psychiatrischer Ausbildung installiert wurde (Dr. Otto Scheel, 1891).
Nach der preußischen Okkupation des Kurfürstentums Hessen wurde das Landeshospital Haina 1867 dem Bezirkskommunalverband Kassel unterstellt. Nach der Eröffnung der Irrenheilanstalt Marburg 1876 diente es fortan als Pflegeanstalt für unheilbar Kranke. 1881 erhielten auch die Bürger aus den Städten des Regierungsbezirks Kassel gleichberechtigten Zugang zum Landeshospital.
Unter der Regie des Bezirkskommunalverbands wurde Haina grundlegend modernisiert. Ab Ende der 1870er Jahre entstanden zahlreiche neue Gebäude, die die Kapazität deutlich erhöhten. Zwischen 1890 und 1914 verdoppelte sich die Zahl der Pfleglinge von rund 450 auf fast 900. Mit der Anzahl der Pfleglinge wuchs allmählich auch die Zahl der Ärzte und des Pflegepersonals. Für letzteres, das bis in die 1880er Jahre zusammen mit den Pfleglingen in den Hospitalgebäuden lebte, wurden Pflegerwohnungen auf dem Gelände des Hospitals errichtet.
1927 wurde aus dem bisherigen Landeshospital Haina eine Landesheil- und Pflegeanstalt. Unter der Direktion von Dr. Karl Wickel (1919-1935), einem Anhänger der von Hermann Simon in Gütersloh entwickelten „aktiveren Krankenbehandlung“ (Beschäftigungs- und Arbeitstherapie), fanden die psychiatrischen Reformen der Weimarer Zeit Eingang in Haina.
Die Feier des 400-jährigen Bestehens des Hospitals Haina im August 1933 stand schon ganz im Zeichen des Nationalsozialismus. Auf der Grundlage des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“, das am 1. Januar 1934 in Kraft trat, wurden in den folgenden Jahren auch zahlreiche Hainaer Patienten zwangssterilisiert. Durch zwangsweise Verlegung von Pfleglingen aus anderen Einrichtungen (Bethel und Hephata) nach Haina stieg ab 1937 die durchschnittliche Belegungsstärke von 800 auf etwa 1.200 Personen. Nach Kriegsbeginn 1939 verschlechterten sich die Lebensbedingungen der Patientinnen und Patienten in Haina immer weiter; sie litten unter Mangelernährung und Vernachlässigung. Die Folge war ein massiver Anstieg der Sterblichkeit. Im Herbst 1940 wurden die 30 jüdischen Patienten zunächst in eine Sammelanstalt in Gießen verlegt und anschließend in der T 4-Mordanstalt Brandenburg vergast. Im Frühjahr 1941 fielen über 400 weitere Patienten aus Haina in Hadamar der „Aktion T 4“ zum Opfer. Im April 1944 wurden 17 Männer, die nach dem Gesetz über den Maßregelvollzug in Haina untergebracht waren, zur „Vernichtung durch Arbeit“ in das KZ Mauthausen deportiert.
Nach Ende des 2. Weltkriegs dauerte es längere Zeit, bis sich die Verhältnisse in Haina wieder einigermaßen normalisiert hatten. 1953 übernahm der neugegründete Landeswohlfahrtsverband Hessen die Trägerschaft der Landesheilanstalt, die 1957 in „Psychiatrisches Krankenhaus Haina“ (PKH) umbenannt wurde. Unter der Regie des LWV Hessen wurde Haina seither zeitgemäß weiterentwickelt. Zum 1. Juli 1977 erfolgte die Gründung der „Klinik für gerichtliche Psychiatrie“ als eigenständige Einrichtung zur Behandlung erwachsener psychisch gestörter Rechtsbrecher (§ 63 StGB) und zur vorläufigen Unterbringung und Beobachtung sowie zur Begutachtung (§ 126a StPO bzw. § 81 StPO). 1998 wurde der Klinik ein Institut für forensische Psychiatrie e. V. angegliedert. Am 1. Januar 1989 trat die „Heilpädagogische Einrichtung“ (HPE) für Menschen mit geistiger Behinderung ins Leben (zum 1.1.2016 in der „Vitos Teilhabe gGmbH“ aufgegangen).
Um den strukturellen Veränderungen Rechnung zu tragen, wurde das PKH Haina 1998 in „Zentrum für soziale Psychiatrie“ (ZSP) umbenannt. 2007 erhielt es die Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH. Seit März 2009 gehört das vormalige ZSP Haina als „Vitos Haina gemeinnützige GmbH“ zum Gesundheitskonzern „Vitos GmbH“, dessen Alleingesellschafter der Landeswohlfahrtsverband Hessen ist. Als Einrichtungen gehören heute dazu die „Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Haina“ (KPP) mit Ambulanzen in Haina, Korbach und Bad Wildungen sowie Tageskliniken in Korbach und Bad Wildungen, die „Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Haina“ (KFP) mit der „Vitos forensisch-psychiatrischen Ambulanz Hessen“ und „Vitos begleitende psychiatrische Dienste“ (BPD) zur Unterstützung chronisch psychisch kranker Menschen. Ferner gibt es in Haina noch einen Gutsbetrieb, der Flächen in Haina und Merxhausen bewirtschaftet.
In enger Verbindung mit dem Hospital Haina steht die Malerfamilie Tischbein. Im Jahr 1685 siedelte Konrad Tischbein mit seiner Familie von Marburg-Weidenhausen nach Haina über, um hier die Stelle des Hospitalbäckers anzutreten. Zwei der bekanntesten Maler aus der Künstlerdynastie, Johann Heinrich Tischbein d. Ä. (1722-1789) und Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751-1829), der „Goethe-Tischbein“, sind in Haina geboren.

Literatur 

450 Jahre Psychiatrie in Hessen, hrsg. v. Walter Heinemeyer u. Tilmann Pünder, Marburg 1983 (bes. die Beiträge von Demandt, Friedrich, Brandt, Siefert, Klüppel, Barkey, Mildner, Gretenkord u. Heinz).

Klüppel, Manfred: ‚Euthanasie‘ und Lebensvernichtung am Beispiel der Landesheilanstalten Haina und Merxhausen, Kassel 1984.

Das Hospital am Beginn der Neuzeit. Soziale Reformen in Hessen im Spiegel einer europäischen Kulturgeschichte, hrsg. v. Arnd Friedrich, Fritz Heinrich u. Christina Vanja, Petersberg 2004 (bes. die Beiträge von Vanja, Friedrich u. Aumüller).

An der Wende zur Moderne. Die hessischen Hohen Hospitäler im 18. und 19. Jahrhundert, hrsg. v. Arnd Friedrich, Irmtraut Sahmland u. Christina Vanja, Petersberg 2008.

Vanja, Christina: Psychiatriemuseum Haina, Petersberg 2009.

Findmittel 

Der Bestand ist noch nicht vollständig verzeichnet.

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang 

269,5 MM

Bearbeiter 

Dr. Horst Hecker

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

Die Unterlagen lagern in der Außenstelle des LWV-Archivs in Haina.

Letzte Aktualisierung: 28.4.2024