HHStAW Bestand 2092

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Stiftung I.G. Farbenindustrie

Laufzeit 

1858-2017

Siehe

Korrespondierende Archivalien 

HHStAW Best. 461, Best. 502 und Best. 507
Bundesarchiv: Best. R8128

Weitere Bestände zur IG Farbenindustrie AG i.A. befinden sich u.a. im Landesarchiv Sachsen-Anhalt, im Archiv der Bayer AG, der BASF SE und der Hoechst GmbH

Bestandsdaten

Aufsatz 

Zugänge 127/2016, 106/2017, 14/2018 und 79/2023

Bestandsgeschichte 

Das Zentralarchiv der IG Farbenindustrie in Frankfurt-Griesheim umfasste vor allem Unterlagen der zentralen Abteilungen des Konzerns, die in Frankfurt am Main untergebracht waren. Bei der Ausgründung der Nachfolgefirmen wurden alle Akten diesen zur Übergabe angeboten und entsprechend ein Teil dorthin abgegeben. Im weiteren Verlauf wurden nicht mehr benötigte Akten ausgesondert und vernichtet.
2001 wurden die historischen Akten der Stiftung I.G. Farbenindustrie zugeordnet. Ein Teil davon war zeitweilig als Depositum beim Fritz Bauer Institut, Frankfurt am Main. Nach Auflösung der Stiftung wurde das Archiv in Schwerin in Containern eingelagert, bevor es 2016 zum HHStAW kam.
Die Sortierung sowohl einiger Papierkonvolute als auch einiger Aktenserien und -konvolute geriet infolge des mehrfachen Umzugs teils erheblich durcheinander. Soweit diese Serien und Konvolute nicht eindeutig gekennzeichnet waren oder inhaltlich eindeutig als zusammengehörig identifiziert werden konnten, waren sie nicht mehr sicher der Herkunftsabteilung zuordbar.

Geschichte des Bestandsbildners 

Nachdem zu Beginn des 20. Jahrhunderts erste Kartelle, ab 1916 als „Interessensgemeinschaften“ in der deutschen Chemieindustrie geschlossen wurden, erfolgte 1925 der organisatorische Zusammenschluss vor allem der Farbwerke Hoechst (Höchst am Main, ab 1928 Frankfurt-Höchst), der Leopold Casella & Co. GmbH (Frankfurt am Main), der Kalle & Co., AG (Wiesbaden), der Bayer AG (Leverkusen), der BASF AG (Ludwigshafen), der Actien-Gesellschaft für Anilin-Fabrication (Agfa, Berlin), der Chemischen Fabriken vormals Weiler-ter Meer Uerdingen und der Chemischen Fabrik Griesheim-Elektron AG zur I.G. Farbenindustrie AG (IG Farben) mit Sitz in Frankfurt am Main und ab 1926 mit mehreren Abteilungen in Berlin.
Als technisch innovativer Konzern war die IG Farben einer der großen internationalen Wirtschaftsmächte im Chemiesektor, der aggressiv die Marktbeherrschung betrieb. Während des NS-Regimes war die IG Farben ein wichtiger Faktor im Rahmen der Autarkiebestrebungen des Staats, insbesondere bei der Hydrierung von Kraftstoffen und synthetischem Kautschuk (Buna) aus Braunkohle. Dabei war die IG Farben so tief in das NS-System verwickelt, dass teils nicht mehr unterschieden werden konnte, wer die Autarkie- und Wirtschaftspolitik in diesem Bereich dominierte (Partei und Staat oder die IG Farben). Die IG Farben nutzte bei guter Zusammenarbeit mit der SS die billigen Arbeitskräfte der Konzentrationslager nicht nur in den Werken Heydebreck/O.S. (heute Kędzierzyn in Polen) und Auschwitz. In Auschwitz, wo der Konzern mit Auschwitz-III (Monowitz) ein eigenes KZ betrieb, nahm man 20.000 bis 25.000 tote KZ-Zwangsarbeiter in Kauf, um den Bau des dortigen Buna-Werks voranzutreiben.
Nach der Befreiung wurde die IG Farben unter alliierte Kontrolle gestellt und durch das Kontrollratsgesetz Nr. 9 „Beschlagnahme und Kontrolle des Vermögens der IG‐Farbenindustrie AG“ vom 30.11.1945 für aufgelöst erklärt. Der Fall VI der Nürnberger Nachfolgeprozesse vor einem US-amerikanischen Militärgericht befasste sich mit den Geschäftspraktiken des ehemaligen Konzerns und führte zu einer Reihe von Verurteilungen wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Mit der Ausgründung der Nachfolgefirmen (besonders BASF, Hoechst, Bayer und Casella) und des Übergangs auf deutsche Kontrolle 1952 war die I.G. Farbenindustrie AG in Abwicklung (oder in Liquidation) eine nicht produzierende Abwicklungsgesellschaft geworden. Aufgabe der Gesellschaft war die Eintreibung von Ansprüchen und die Abgeltung von Forderungen, wobei die Interessen der Aktieninhaber meist gegen die Ansprüche von ehemals regulär Beschäftigten und ehemaligen Zwangsarbeitern standen. Beispielhaft einerseits sei der Interhandels-Komplex genannt, in dem es um verschleierte Auslandsgeschäfte der IG Farben ging, die bis in die 1990er Jahre auf der Tagesordnung stand. Andererseits sei die Klage des ehemaligen Auschwitz-Häftlings und Zwangsarbeiters Norbert Wollheim erwähnt, der 1951 gegen die IG Farben i.A. klagte. Mit dem abgeschlossenen Vergleich konnten jedoch nicht alle Ansprüche ehemaliger Zwangsarbeiter befriedigt werden.
Am 10.11.2003 meldeten die Liquidatoren Insolvenz an; das Unternehmen wurde am 31.10.2012 aus dem Handelsregister gelöscht
2001 wurde in Frankfurt am Main die Stiftung I.G. Farbenindustrie, mit dem Ziel gegründet, ehemalige Zwangsarbeiter zu unterstützen bzw. zu entschädigen sowie das Archiv der IG Farbenindustrie (i.A.) der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wegen nicht ausreichender Erträge zur Erfüllung des Stiftungszwecks wurde die Stiftung im Dezember 2015 vom Regierungspräsidium Darmstadt aufgelöst.

Enthält 

Sachakten und Personalakten

Karten und Pläne

Publikationen

Geschäftsberichte

Karteien

Literatur 

Militärregierung der Vereinigten Staaten für Deutschland (O.M.G.U.S.), Amerikanische Gruppe des Kontrollrats – Finanzabteilung: Ermittlungen gegen die I.G. Farbenindustrie AG. September 1945. Übersetzt und bearbeitet von der Dokumentationsstelle zur NS-Sozialpolitik, Hamburg. Frankfurt am Main: Zweitausendeins, 1986. (Sonderband der Anderen Bibliothek).

Levi, Primo: Se questo è un uomo. Torino: De Silva, 1949. (Deutsche Übersetzung: Ist das ein Mensch? Frankfurt am Main: Fischer, 1961)(in beiden Sprachen mehrere Neuausgaben).

Trials of War Criminals before the Nurnberg Military Tribunals Under Control Council Law No. 10. Volume VII: The Farben Case. Washington: United States Government Printing Office, 1953.

Trials of War Criminals before the Nurnberg Military Tribunals Under Control Council Law No. 10. Volume VIII: The Farben Case. Washington: United States Government Printing Office, 1952.

Ter Meer, Fritz: Die IG Farben Industrie Aktiengesellschaft. Ihre Entstehung, Entwicklung, Bedeutung. Düsseldorf: Econ, 1953.

Reichelt, Werner Otto: Das Erbe der IG Farben. Unter Mitwirkung von Dr. Manfred Zapp, mit einer Einleitung von Dr. Franz Reuter. Düsseldorf: Econ, 1956.

Schreyer, Hermann: Der IG-Farben-Konzern, seine Vorgänger und Nachfolger. Ein Beitrag zur Organisationsgeschichte der deutschen Chemieindustrie. In: Archivmitteilungen, Jahrgang 1966, Nr. 3, S. 101-106 und 4, S. 148-158.

Kreikamp, Hans-Dieter: Die Entflechtung IG Farbenindustrie AG und die Gründung der Nachfolgegesellschaften. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Jahrgang 25 (1977), Heft 2. S. 220-251.

Borkin, Joseph: Die unheilige Allianz der I.G. Farben. Eine Interessensgemeinschaft im Dritten Reich. Frankfurt am Main: Campus, 1979.

Hayes, Peter: Industry and Ideology. IG Farben in the Nazi era. Cambridge: Cambridge University Press, 1987.

Heine, Jens Ulrich (Hrsg.): Verstand und Schicksal. Die Männer der I.G. Farbenindustrie AG in 161 Kurzbiographien. Weinheim; VCH, 1990.

Plumpe, Gottfried: Die I.G. Farbenindustrie AG ‐ Wirtschaft, Technik und Politik 1904‐1945. Berlin 1990.

Deichmann, Hans: Gegenstände. München: Deutscher Taschenbuchverlag, 1996.

König, Mario: Interhandel. Die schweizerische Holding der IG Farben und ihre Metamorphosen – eine Affäre um Eigentum und Interessen (1910-1990). Mit einem juristischen Nachwort von Frank Vischer. Herausgegeben von der Unabhängigen Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg. Zürich: Chronos, 2001. (Veröffentlichungen der Unabhängigen Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg, Bd. 2).

Schmaltz, Florian: Das historische Gutachten Jürgen Kuczynskis zur Rolle der I.G. Farben und des KZ Monowitz im ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess. In: >Gerichtstag halten über uns selbst ...<. Geschichte und Wirkung des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses. Herausgegeben im Auftrag des Fritz Bauer Instituts von lrmtraud Wojak. Frankfurt am Main: Campus, 2001, S. 117-140. (Jahrbuch 2001 zur Geschichte und Wirkung des Holocaust).

Stokes, Raymond G.: Von der I.G. Farbenindustrie AG bis zur Neugründung der BASF (1925-1952). In: Abelshauser, Werner (Hrsg.): Die BASF. Eine Unternehmensgeschichte. München: C.H. Beck, 2002. S. 221-358.

Koop, Volker: Das schmutzige Vermögen. Das Dritte Reich, die I.G. Farben und die Schweiz. München: Siedler, 2005.

Rumpf, Joachim Robert: Der Fall Wollheim gegen die I.G. Farbenindustrie AG in Liquidation. Die erste Musterklage eines ehemaligen Zwangsarbeiters in der Bundesrepublik Deutschland. Prozess, Politik und Presse. Frankfurt am Main: Peter Lang, 2010.

Jehn, Alexander / Kirschner, Albrecht / Wurthmann, Nicola (Hrsg.): IG Farben zwischen Schuld und Profit. Abwicklung eines Weltkonzerns. Marburg : Historische Kommission für Hessen, 2022. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 91).

Wahrmann, Carl Christian: Abwicklung eines Weltkonzerns. Übernahme, Erschließung und Inhalte des Bestands "Stiftung I.G. Farbenindustrie" am Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden. In: Jehn, Alexander / Kirschner, Albrecht / Wurthmann, Nicola (Hrsg.): IG Farben zwischen Schuld und Profit. Abwicklung eines Weltkonzerns. Marburg : Historische Kommission für Hessen, 2022. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 91). S. 69-83.

wollheim-memorial.de (letzter Zugriff: 30.07.2019).

Findmittel 

Online-Datenbank (Arcinsys)

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang 

472,625 lfm (14.159 Nummern)

Bearbeiter 

Albrecht Kirschner, 2017-2020

Marion Mettbach, 2017-2018

Susanne Wichert, 2020-2021

Benutzung 

Nutzung nach dem Hessischen Archivgesetz (HArchivG). Aus konservatorischen Gründen wurden einige Akten digitalisiert und sind nur digital einzusehen.