AdJb Bestand A 228

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Archiv der Jugendmusikbewegung (AdJMb)

Bestandsdaten

Aufsatz 

Das AdJMb - Ein Blick in die Geschichte des Bestandes A 228

Das Archiv der Jugendmusikbewegung (AdJMb) ist ein historischer Archivbestand, der im Jahr 2008 ins AdJb auf Burg Ludwigstein gelangt ist (seit 2013 vertraglich Eigentum des Archivs). Dieser Großbestand, ein veritables „Archiv im Archiv“, trägt die Bestandssignatur A 228. Er umfasst ca. 350 Archivkartons sowie umfangreiche Sammlungen von Tonträgern und Fotos. Auch eine eigene Bibliothek gehört zum Bestand.

Das „Archiv der Jugendmusikbewegung“ wurde 1959 von Fritz Jöde und einigen Weggefährten in Hamburg als Verein gegründet. Über zweieinhalb Jahrzehnte blieb es in Hamburg (zunächst Heinrich-Wolgast-Schule am Borgesch, 1972-1985 Fachoberschule am Brackdamm). Auf der Grundlage früherer Sammlungen, besonders von Jöde selbst, wurden in dieser Zeit mit staunenswertem ehrenamtlichen Einsatz Dokumente von früheren Mitstreitern eingeworben und Nachlässe übernommen. Dass die Nachlässe von Hilmar Höckner (gest. 1968) und Fritz Jöde (gest. 1970) zusammen etwa ein Drittel des Bestandsvolumens ausmachen, ist bereits als Hinweis darauf zu werten, dass das Archiv dem eigenen Anspruch, die Jugendmusikbewegung in ihrer ganzen Breite abzubilden, nicht gerecht wird. Gerade für die Zeit vor 1933 besitzt A 228 einen ausgeprägten Schwerpunkt auf der von Jöde initiierten „Musikantengilde“, und auch für spätere Zeiten ist die Tätigkeit Jödes und seiner früheren Mitstreiter besonders intensiv dokumentiert. Strömungen und Persönlichkeiten abseits von Jödes Arbeitsumfeld (bes. der um Walther Hensel entstandene „Finkensteiner Bund“ und seine Nachfolge-Einrichtung, der Arbeitskreis für Hausmusik) sind in weitaus geringerem Maße beleuchtet. Dieses sich aus der Bestandsgeschichte ergebende Ungleichgewicht sollte man sich bewusst machen, weil es nicht als Abbild des historischen Stellenwerts missverstanden werden darf.

Maßgeblich um Aufbau und Betrieb des Archivs verdient gemacht haben sich neben und nach Fritz Jöde insbesondere Heinrich Schumann und Ekkehart Pfannenstiel – zwei Mitarbeiter, die an Jödes Seite bereits die Phase der Jugendmusikbewegung vor 1933 aktiv miterlebt und -gestaltet hatten. Pfannenstiel übernahm um 1970 die Einrichtung der Personen- und Sachmappen, in denen er nach eigenen Ordnungs- und Bewertungsprinzipien heterogene Materialien thematisch zusammenstellte und dabei auch ausgiebig von Kopien Gebrauch machte. Die Neigung zu Vervielfältigung und Mehrfachablage zählt zu den Aspekten, an denen deutlich zu spüren ist, dass das Archiv in regelloser Sammeltätigkeit ohne archivische Fachkenntnis angelegt und geführt wurde. Dass das private Ausleihen von Archivmaterial gang und gäbe war, begünstigte die Reproduktionsfreudigkeit, führte aber umgekehrt auch zu Verlusten, die immer wieder in der immens umfangreichen Archivkorrespondenz beklagt werden.

Auswahl und Schwerpunktsetzungen in der Materialsammlung, insbesondere auch in den Sachmappen, sind aufschlussreich für die Selbstwahrnehmung der Bewegung. Es sollte nicht vergessen werden, dass die Archivtätigkeit der an der Jugendmusikbewegung beteiligten Mitarbeiter interessegeleitet sein konnte. So sah es Pfannenstiel erklärtermaßen als „historische Aufgabe“ des Archivs der Jugendmusikbewegung an, das „historische Zerrbild“ zu korrigieren, das der Jugendmusikbewegung „nazistische Tendenzen“ unterschiebe (Brief an W. Träder vom 10. 5. 1969, A 228 Nr. 231). Grundgedanke Pfannenstiels, der aus seiner eigenen NS-Vergangenheit keinen Hehl machte, war dabei zwar durchaus ein Dokumentieren „mit allem Für und Wider“ (Brief an W. Twittenhoff vom 14. 6. 1969, A 228 Nr. 8424), doch spielten zumindest zur Schonung lebender und noch arbeitender Weggefährten Gedanken an ein „Klausurarchiv“ in den schriftlich ausgetragenen Diskussionen der Archivmitarbeiter um diese Frage wiederholt eine Rolle. Im Gesamtbestand findet sich nur sehr wenig Material, für das sich vorübergehende Geheimhaltung erkennen lässt – so wenig, dass es die ausführlichen Diskussionen kaum gelohnt hätte. So drängt sich der Gedanke auf, dass gerade in diesem sensiblen Bereich Dokumente abhanden gekommen sein können, eventuell durch als vorübergehend betrachtete private Aufbewahrung. Ein solches Schicksal ist beispielsweise für das Original des berühmten Briefes belegt, den Hindemith 1926 auf der Rückfahrt vom Brieselang-Treffen an Jöde schrieb: Weil ihm die Einlagerung des Archivbestandes in der Staats- und Universitätsbibliothek 1985 (s. u.) „zu unsicher“ war, nahm Heinrich Schumann diesen Brief persönlich an sich (s. Schreiben an M. Ehrhorn vom 3. 9. 1987, A 228 Nr. 1629). Der Brief – der allerdings in mehrfacher Kopie in den Beständen überliefert ist – muss als verloren gelten. Es ist leider zu vermuten, dass derartige „Sicherungsmaßnahmen“, zu verschiedenen Zeiten und aus verschiedenen Gründen, auch andere Dokumente betrafen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist es durch die eigenwillige Archivführung in Hamburg bereits zu Materialverlusten gekommen.

Ein wichtiges Datum der Hamburger Zeit ist das Jahr 1978, in dem das Archiv in das Verzeichnis „national wertvoller Archive“ aufgenommen wurde. Eine weitere Wegmarke stellt das Erscheinen der vom AdJMb herausgegebenen Dokumentation „Die deutsche Jugendmusikbewegung in Dokumenten ihrer Zeit von den Anfängen bis 1933“ im Möseler Verlag 1980 dar. Das über 1000 Seiten umfassende Werk, dessen Entstehungsgeschichte und Rezeption im Archivbestand ausführlich dokumentiert sind, ist trotz mancher Mängel als wichtiger Grundlagenband zu werten.

Fred K. Prieberg schrieb 1983 nach eigenen Recherchen im Hamburger AdJMb einen Brief an Heinrich Schumann, der diesen gegen Ende seines Engagements für das Archiv beglückt haben dürfte: „Ihr Archiv ist ganz unverzichtbar für alle, die sich mit Musikgeschichte zwischen 1900 und heute befassen; denn Jugendmusik greift weit über ihre engeren Grenzen hinaus, personell wie sachlich“. Und er resümierte: „Wer immer das Archiv mal erben sollte, erbt einen Schatz“ (Brief vom 3. 12. 1983, A 228 Nr. 122). Die Frage nach dem weiteren Verbleib des Archivs stellte sich schon Mitte der 1980er Jahre mit aller Dringlichkeit, als die Räumlichkeiten der Schule am Brackdamm anderer Nutzung zugeführt werden sollten und Heinrich Schumann sich altersbedingt aus der aktiven Arbeit zurückziehen wollte. Nach vorübergehender Einlagerung in der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek – ursprünglich auch als endgültiger Standort in Erwägung gezogen – vom Juli 1985 bis September 1986 wurde der Archivbestand an die Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel gegeben; Eigentümer des Bestands blieb jedoch der Verein „Archiv der Jugendmusikbewegung“. Vorhergegangen war ein langes Abwägen und Tauziehen, das umfangreich dokumentiert ist. Für Wolfenbüttel sprach neben dem Interesse des Landes Niedersachsen an dem Archiv sowie der Verfügbarkeit von geeigneten Räumlichkeiten auch die räumliche Nähe zum Arbeitskreis Musik in der Jugend und zum Generalsekretariat von „Europa Cantat“. Der Generalsekretär der Europäischen Föderation Junger Chöre, Manfred Ehrhorn, übernahm in der frühen Wolfenbütteler Zeit auch die praktische Leitung des Archivs, es gab also faktische Synergieeffekte durch die Nähe der auf Jugendmusik ausgerichteten Institutionen in Wolfenbüttel.

Der Umzug verlief alles andere als konfliktfrei. Hauptthema in der unterkühlten Korrespondenz zwischen Hamburg und Wolfenbüttel (insbesondere zwischen Schumann und Ehrhorn) ist das Auspacken des Bestandes, verbunden mit der Ordnungsproblematik (A 228 Nr. 1629f.). Die Wolfenbütteler fühlten sich der Aufgabe des Auspackens nicht gewachsen und beklagten fehlende Hilfe aus Hamburg. So schrieb Manfred Ehrhorn schon am 7. 10. 1986, einen Tag nach Eintreffen des Materials, an Heinrich Schumann: „Leider muß ich Ihnen sagen, daß unsere Freude einen erheblichen Dämpfer bekommen hat durch die Tatsache, daß uns jede genauere Anleitung für ein systematisches Auspacken fehlt. Zwar sind alle Kisten beschriftet, doch da wir bis jetzt keinen Gesamtplan über Ihr Katalogisierungssystem gefunden haben, und in Ihrem Gesamtkatalog wiederum keine Hinweise auf die Beschriftung der Kisten zu finden sind, fühlen wir uns im Augenblick ziemlich alleine gelassen.“ Fast etwas trotzig setzte er hinzu: „Natürlich werden die unter meinen Mitarbeitern und ich, die wir gelernt haben, wissenschaftlich zu arbeiten, in der Lage sein, die Systematik herauszufinden und die geheime Ordnung zu entdecken“. Doch der diesbezügliche Optimismus hielt der Realität nicht stand. Noch ein Jahr später beherrschte das Thema Ordnung den Briefwechsel, das Archiv war weiterhin nicht nutzbar. Heinrich Schumann erinnerte am 7. 9. 1987 daran, dass er zusammen mit Herbert Rühl und Arno Tenne im Vorjahr dann doch noch zwei Tage beim Auspacken geholfen hatte und schrieb nicht ohne Vorwurf: „Ich habe einen Plan mitgebracht und weitere Unterlagen, nach denen das Auspacken vorgenommen werden konnte […] Hätten Sie persönlich mit Ihren Mitarbeitern das Auspacken so weiter vorgenommen, wie wir es begonnen hatten, wären Sie heute nicht in Schwierigkeiten und das Auffinden würde nach unseren Katalogen sicher ein Leichtes sein.“ (Die wiederholt erwähnten Kataloge finden sich leider nicht mehr im Bestand.)

Dieser Umzug von Hamburg nach Wolfenbüttel dürfte in erheblichem Maße für die Unordnung verantwortlich sein, die A 228 prägt. Dass auch der Wolfenbütteler Archivbetrieb, zumindest in den ersten Jahren, keinen hohen Ansprüchen standhielt, erhellt aus dem Brief eines Benutzers an den damaligen Vereinsvorsitzenden Peter Ausländer von 1992 – ein Benutzerbericht, der aufhorchen lässt: „Scheinbar geordnete Noten lagen doch durcheinander und von den Violinsonaten für Violine solo von August Halm lagen zwei Exemplare in der Teeküche, bzw. von einem nur das Deckblatt […] ich will meine Kritik auch nicht Ihnen anlasten, schließlich haben Sie dieses Durcheinander von Ihrem Vorgänger übernommen und versuchen das Beste daraus zu machen“ (A 228 Nr. 41). Man darf angesichts der wenig professionellen Führung des Archivs vermuten, dass ein zweiter Umzug innerhalb von Wolfenbüttel die Ordnungsfrage verschärfte: 1995 wurde der Bestand in die Bundesakademie für Kulturelle Bildung transferiert, wo er für lange Zeit in Kartons verpackt stehen blieb, ehe sich (überwiegend fachfremde) ABM-Kräfte um das Material kümmerten und eine erste oberflächliche Verzeichnung vornahmen. Sie mündete 2004 in ein Findbuch, in dessen Vorwort Juliane Jarck resümiert: „Durch die Transporte und die zweimalige Umlagerung war das Material provisorisch in Umzugskartons gelagert und in wesentlichen Teilen verunordnet.“

„In wesentlichen Teilen verunordnet“ – mit dieser lakonischen Feststellung ist ein Charakteristikum des Bestandes beschrieben, das man sich als BenutzerIn immer vor Augen halten sollte. Eine natürliche Folge dieser Unordnung – entstanden durch unsystematische Ablage, Umzüge und ein archivisches Alltagsgeschäft jenseits der Norm – sind Informationsverluste, ablesbar exemplarisch an einer Literaturangabe wie der folgenden, die Ratlosigkeit ausdrückt und hinterlässt: „Tätigkeitsbericht [xy], 24 Seiten DIN A 4, hektographiert, Archiv der JMB Wolfenbüttel, noch nicht eingeordnet, wohl aus einem Nachlaß mit Bleistiftvermerk ‚Reserve Reusch‘“ (F. Ganslandt, Jugendmusikbewegung und kirchenmusikalische Erneuerung, 1997). Der Informationsverlust durch Zerstörung ursprünglicher Zusammenhänge ist eine anhaltende Belastung für den Bestand A 228. Das „Wolfenbütteler Findbuch“, auf das im Rahmen der Arcinsys-Verzeichnungen gelegentlich unter dieser Bezeichnung verwiesen wird, konnte als oberflächliche, äußerst fehlerhafte Grobaufnahme der Ordnungsproblematik nichts entgegensetzen. Selbst eindeutige Fehlzuordnungen wurden hier nicht korrigiert bzw. überhaupt nur bemerkt. Gleichwohl blieb dieses Findmittel für mehr als eineinhalb Jahrzehnte die einzige Grundlage für die Arbeit mit dem Bestand.
(weiter unter "Bestandsgeschichte")

Bestandsgeschichte 

(Erster Teil unter "Aufsatz")
Im Rahmen eines DFG-Projektes konnte im Jahr 2020/21 eine Tiefenerschließung in der Online-Datenbank Arcinsys vorgenommen werden, die möglichst detaillierte Informationen zum Inhalt der Archivalieneinheiten und deren Auswertbarkeit gibt. Angesichts der heterogenen, oft bunt zusammengewürfelten Verzeichnungseinheiten waren Inhalt und Entstehungszusammenhang resp. Bedeutung oft nicht sinnvoll zu bündeln. Hilfstitel wie „Materialsammlung“ etc. sind durch diesen Umstand bedingt, bedeuten jedoch kein Nutzungshindernis, da die elektronische Suche die „Enthält“-Vermerke einschließt, die näheren Aufschluss über den Inhalt geben. Durch die vorgenommene Tiefenverzeichnung war es auch möglich, verlorene Informationen wiederzugewinnen (etwa durch Schriftvergleiche etc.) und Zuordnungen anzubieten, die der Überlieferungskontext nicht (mehr) hergegeben hat. Die ursprüngliche Signatur der Wolfenbütteler Erstverzeichnung wurde im Feld „Provenienz: Organisations- und Aktenzeichen“ transportiert; auf diese Weise bleiben auch bereits in der Vergangenheit in Publikationen verwendete Akteneinheiten auffindbar.

Die elektronische Verzeichnung relativiert die Problematik der Unordnung des Bestandes erheblich, weil durch die elektronische Suche Auffindbarkeit unabhängig von der äußeren Einbettung der Dokumente gewährleistet ist. Der Bestand wurde in Arcinsys neu gegliedert. Klare Fehlzuordnungen – etwa ganze Archivalieneinheiten, die in falsche Nachlässe geraten sind – wurden (mit Kommentar) korrigiert, unsichere Zuordnungen kommentiert. So konnten, auch ohne physische Ordnung des Materials, die Folgen der verlorenen Ordnung ein Stück weit kompensiert werden (tatsächliche Aufräumarbeiten waren nur punktuell leistbar). Nichtsdestotrotz sollten Benutzerinnen und Benutzer im Hinterkopf behalten, dass sie in einem Bestand arbeiten, der sich – sowohl insgesamt als auch innerhalb der einzelnen Verzeichnungseinheiten – in Unordnung befindet. Ablage- und Zuordnungskriterien bieten, anders als es sonst der Fall sein kann, keine verlässliche Grundlage zur Beurteilung der Dokumente.

(Ute Brüdermann)

Geschichte des Bestandsbildners 

Das Archiv der Jugendmusikbewegung dokumentiert die Musikpflege u. -erziehung im 20. Jahrhundert. Es wurde 1959 von Fritz Jöde gegründet. Im Jahre 2008 gelangte es aus Wolfenbüttel in das AdJb.

Zugang unter der Nummer 68/2008 über die Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel.
Provenienz: Verein Archiv der Jugendmusikbewegung e.V. in Wolfenbüttel.
Seit Auflösung des Vereins 2013 nach vertraglicher Übereinkunft Eigentum des AdJb.

Enthält 

Nachlässe und Sammlungen, Sachakten u. Personenmappen
ca. 7.000 Bibliothekstitel
ca. 1.850 Fotodokumente
ca. 650 Tonträger

Findmittel 

Online-Datenbank ArcInSys (in Bearbeitung)

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang 

ca. 150 lfm