AdJb Bestand N 41

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Ostarhild, Bettina (1907-2002)

Bestandsdaten

Bestandsgeschichte 

Zugang am 17.6.1992 sowie Zugang 2016/32.

Geschichte des Bestandsbildners 

Frauen, die - wie Bettina Ostarhild - im Bereich der Erwachsenenbildung und Pädagogik tätig waren, wirkten zumeist an der Basis. Das heißt, sie sicherten und organisierten die praktische Arbeit in den Einrichtungen und machen nicht durch die Herausbildung einer Theorie oder die Beteiligung an den fachwissenschaftlichen Diskursen auf sich aufmerksam.
Obgleich die Frauen überwiegend praktisch arbeiteten, entwickelten sie dennoch Ideen und Konzepte zur Ausgestaltung der Bildungsarbeit, die sie in privaten Schriftstücken wie Briefen und Tagebuchaufzeichnungen, Arbeitsberichten und kurzen Skizzen niederschrieben. Gedruckt wurden diese Ideen allerdings nicht, was zur Folge hatte, dass der Beitrag dieser Frauen von der Forschung bisher kaum beachtet wurde.
Das Gesagte trifft auch auf Bettina Ostarhild zu. Entsprechend lückenhaft sind die Zeugnisse zu ihrem Wirken. Informationen über ihr Studium und ihre Tätigkeit im Schuldienst sind nur bruchstückhaft überliefert. Wie so häufig sind die Personalakten der Frauen, die im niederen Schuldienst tätig waren, kassiert worden, oder die Akten sind - wie in Leipzig und Dresden - im Krieg verbrannt beziehungsweise nach dem Krieg bedingt durch zahlreiche Umlagerungen verschollen. Die Informationssplitter zum Leben und Wirken von Bettina Ostarhild wurden anhand des Nachlasses und weniger gedruckter Nachweise in Arbeiten über Adolf Reichwein (Pallat/Reichwein/Kunz 1999, S. 289), Martin Luserke (Schwerdt 1993) und Fritz Klatt (Ciupke 1996) gewonnen.
Maria Bettina Israel-Ostarhild wurde am 27. August 1907 in Leipzig geboren. Ab 1910 lebte sie in Helsinki, wo sie in einer schwedischen Schule 1925 das Abitur ablegte. 1925/26 war sie als Helferin auf dem 1916 von Johannes Müller (1864 - 1949) als 'Freistätte persönlichen Lebens' eingerichteten Schloss Elmau am Wettersteingebirge zwischen Mittenwald und Garmisch tätig (Haury 2005). Danach nahm sie in Leipzig das Studium der Fächer Germanistik, Philosophie und Geografie auf; danach studierte sie an den Universitäten Breslau und Heidelberg. Unter anderem belegte sie Vorlesungen bei dem Soziologen und Ökonom Hans Freyer (1887 - 1969). Während des Studiums engagierte sie sich ehrenamtlich als Mitglied der Mensa-Helferschaft der studentischen Freischar. Schon während des Studiums lernte sie Fritz Klatt (1888 - 1945) und das Volkshochschulheim Prerow auf dem Darß kennen. Das Heim war 1921 von Klatt und seiner Frau Edith (1895 - 1971), einer Ärztin, zunächst mit Unterstützung der Quäker als Erholungsheim für unterernährte Kinder eingerichtet worden. Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten entwickelte sich das Heim aber seit 1924 zu einem Volkshochschulheim (siehe hierzu das Vorwort zum Nachlass N 40 Fritz Klatt). Fortan bot die Einrichtung im Sommerhalbjahr Kurse zur ästhetisch-musischen Bildung sowie zu politischen, pädagogischen, wirtschaftswissenschaftlichen, literaturwissenschaftlichen und religiösen Fragestellungen an, in denen junge werktätige Menschen Bildung und Erholung sinnvoll miteinander verbinden konnten.
Der erste Besuch von Bettina Israel-Ostarhild im Volkshochschulheim Prerow datiert vermutlich auf Mitte März 1929, denn vom 15. bis 22. März fanden sich Leipziger Studenten zu einer Arbeitswoche auf dem Darß ein. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war Bettina Israel-Ostarhild weiterhin Bandnehmerin der von Klatt und Freyer gemeinsam gehaltenen Kurse, zudem besuchten die Mitglieder der Mensa-Helferschaft in den folgenden Jahren regelmäßig in kleinen Gruppen den Ostseeort. Im Januar 1933 verfasste Bettina Israel-Ostarhild zusammen mit Adolf Reichwein (1898 - 1944) und dem Kreis der Freunde von Prerow einen Aufruf zur Unterstützung der Arbeit des Volkshochschulheims. Danach war sie regelmäßig Gast in Prerow, und es entwickelte sich eine intensive Freundschaft zu Fritz Klatt.
Ebenfalls 1932/33 lernte die BdM Führerin Maria Bettina Israel-Ostarhild den Theaterpädagogen Martin Luserke (1880 - 1968) kennen, der von 1910 bis 1924 die Freie Schulgemeinde Wickersdorf geleitet und dann nach fortwährenden Auseinandersetzungen mit Gustav Wyneken seine Schule am Meer auf der Nordseeinsel Juist gegründet hatte. Dort, wo ihn Israel-Ostarhild wiederholt besuchte, setze er die von ihm entwickelten Formen des Laien- und Bewegungsspiels in die Praxis um. Da Bettina Israel-Ostarhild ihr Studium in Leipzig fortsetzte, entwickelte sich ein reger brieflicher Kontakt. 1934 wurde die Schule am Meer aufgelöst und Luserke zog sich als freier Schriftsteller auf sein Hausboot 'Krake' nach Schwerin zurück. Bereits im November erhielt Luserke vom Preußischen Kultusministerium einen Sonderauftrag zur Erarbeitung und Aufführung von Laienspielen an den Nationalpolitischen Erziehungsanstalten (Lingelbach 1987, S. 294 / Scholz 1973).
Am 6. Mai 1935 wurde eine von Bettina Israel-Ostarhild beantragte Namensänderung beim Standesamt Leipzig wirksam. Der Beiname Israel, der unter dem Einfluss des Pietismus (Lexikon Deutscher Familien 1935) dem ursprünglichen Namen Ostarhild hinzugesetzt worden war, wurde getilgt. Bettina Ostarhild beendete ihr Studium in Leipzig Ende Mai 1935 mit der Promotion; das Examen legte sie bei Hans Freyer ab. Unmittelbar danach reiste sie nach Schwerin und heiratete am 29. Mai 1935 Martin Luserke. Am 31. Mai 1935 zog sie auf der 'Krake' ein. Das Zusammenleben des Ehepaares währte knapp vier Wochen, am 25. Juni trennten sich die beiden, wenige Tage später wurde das Scheidungsverfahren eingeleitet (Schwerdt 1993, S. 310ff.).
Seit 1936 wirkte Bettina Ostarhild an dem von Fritz Klatt geleiteten Freizeit- und Erholungsheim in Prerow auf dem Darß. Nach knapp zweijähriger Mitarbeit nahm sie am 30. März 1938 als Studienassessorin ihr Referendariat an der Gaudig-Schule in Leipzig auf. 1939 hielt sich Bettina Ostarhild in England auf, wo sie zunächst als Aupair; dann als Universitätsassistentin für deutsche Literatur am Royal Halloway College in London tätig war. Nach der Rückkehr nach Deutschland übersetzte sie Hungersnot in England von Lord Viscount Lymington, das 1940 im Berliner Volk und Reich Verlag erschien. Von 1939 bis 1943 war sie als Unterstufenlehrerin am Landschulheim Grovesmühle in Vreckenstedt im Harz tätig. Die ursprünglich von dem Reformpädagogen Hermann Lietz (1868 - 1919) im Jahr 1914 als Landwaisenheim konzipierte Einrichtung (vgl. Koerrenz 1992) beherbergte seit 1938 die Unterstufe der Lietzschen Landerziehungsheime. Die Einrichtung wurde 1953 geschlossen und konnte 2006 als Internat wiedereröffnet werden. Von August 1943 bis Ende August 1944 absolvierte Bettina Ostarhild eine landwirtschaftliche Umschulung in Frankreich und legte am 23. September 1944 die Landwirtschaftsprüfung bei der Landesbauernschaft Pommern in Stettin ab. Ab 1945 lebte Ostarhild in Leipzig; sie war seit 1945 Mitglied des 'Kulturbundes zur Demokratischen Erneuerung Deutschlands'. Nachdem sie eine schwere Erkrankung überwunden hatte, arbeitete sie 1946 zunächst als Gutssekretärin. 1947 trat sie erneut in den Schuldienst ein und war als Oberlehrerin in Halle und Droyßig angestellt. 1953 war sie am kirchlichen Oberseminar Hermannswerder bei Potsdam tätig und wirkte als Dozentin der Volkshochschule Potsdam-Stadt. 1974 siedelte sie in die Bundesrepublik Deutschland über, hier lebte sie bis zu ihrem Tod am 6. November 2002 bei Garmisch Partenkirchen. Sie wurde auf dem Partenkirchener Friedhof bestattet.

Literatur 

Ciupke, Paul: Die Kultivierung des Hörens und des Sprechens - Fritz Klatt und das Volkshochschulheim auf dem Darß. In: Ciupke, Paul / Jelich, Franz-Josef (Hg. von): Soziale Bewegung, Gemeinschaftsbildung und pädagogische Institutionalisierung. Erwachsenenbildungsprojekte der Weimarer Republik, Essen 1996, S. 155-172.

Haury, Harald: Von Riesa nach Schloß Elmau: Johannes Müller (1864 - 1949) als Prophet, Unternehmer und Seelenführer eines völkisch naturfrommen Protestantismus, Gütersloh 2005.

Koerrenz, Ralf: Landerziehungsheime in der Weimarer Republik: Alfred Andreesens Funktionsbestimmung der Hermann-Lietz-Schulen im Kontext der Jahre 1919 - 1933, Frankfurt a. M. 1992.

Lingelbach, Karl Christoph: Erziehung und Erziehungstheorie im nationalsozialistischen Deutschland. Ursprünge und Wandlungen der 1933 - 1945 in Deutschland vorherrschenden erziehungstheoretischen Strömungen; ihre politischen Funktionen und ihr Verhältnis zur außerschulischen Erziehungspraxis des 'Dritten Reiches', Frankfurt a. M. 1987.

Pallat, Gabriele C. / Reichwein, Roland / Kunz, Lothar (Hg. von): Adolf Reichwein: Pädagoge und Widerstandskämpfer. Ein LebensFoto in Briefen und Dokumenten (1914 - 1944), Paderborn u. a. 1999.

Scholtz, Harald: NS-Ausleseschulen. Internatsschulen als Hilfsmittel des Führerstaates, Göttingen 1973.

Schwerdt, Ulrich: Marin Luserke (1880 - 1968). Reformpädagogik im Spannungsfeld von pädagogischer Innovation und kulturkritischer Ideologie. Eine biographische Rekonstruktion, Frankfurt a. M. u. a. 1993 (Studien zur Bildungsreform Bd. 23).

Findmittel 

Online-Datenbank ArcInSys

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang 

13 Archivkartons
1 unverzeichnet.

Bearbeiter 

Maria Kobold