HHStAW Bestand 270

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Konsistorium Wiesbaden

Bestandsdaten

Bestandsgeschichte 

Der Bestand 'Abteilung 270, Herzogliches Konsistorium Wiesbaden' ist, so wie er jetzt vorliegt, erst im Archiv ' gebildet worden. Ein Teil dieses Bestandes lag schon im herzoglich-nassauischen Zentralarchiv in Idstein, wie sich aus Stempeln auf den Aktendeckeln ersehen läßt. Wann genau die anderen Teile dieses Bestandes in das Archiv gekommen sind, lässt sich nicht mehr genau rekonstruieren, weil die Akzessionsjournale nur bis 1877 zurückreichen und in den Akten über die Ablieferung oft die Verzeichnisse der abgegebenen Akten fehlen. Nachweisbar sind Ablieferungen der Ämter 1886 anläßlich deren Auflösung, einer Ablieferung der Abteilung für Kirchen- und Schulsachen beim Regierungspräsidenten als Akzession Nr. 13/1898 sowie eine größere Ablieferung des Konsistoriums unter der Akzessionsnummer 6/1900. Zuletzt kamen 1936 55 Bände Akten über Kirchen- und Schulsachen aus dem Kreis Wetzlar aus dem Staatsarchiv Koblenz nach Wiesbaden. Sie waren in Koblenz in der Abt. 337,2 verzeichnet. Das Ablieferungsverzeichnis diente bis jetzt mit veränderter Numerierung als Findbuch. Der große Zugang Nr. 6/1900 ist in den Jahren bis 1904 verzeichnet worden, wobei allerdings nur ein sehr kleiner Teil zur Abteilung 270 kam. Die größere Menge gelangte offensichtlich in die Abt. 142. Abteilung 270 enthält außerdem noch Akten aus den Beständen verschiedener Ämter, die wohl erst nach 1930 als Fremdprovenienzen aus diesen Beständen herausgenommen worden sind. Diese Akten und diejenigen der Behörden aus der Zeit von 1803 bis 1816 waren nach dem Götz'schen Schema verzeichnet, wie die Signaturen bezeugen.

Geschichte des Bestandsbildners 

Konsistorien gab es für die Linie Nassau-Idstein, bzw. später Nassau-Usingen seit der Einführung der Reformation 1534:
1534 - 1729 Konsistorium in Idstein,
1729 - 1741 Oberkonsistorium in Usingen und
1744 - 1806 Konsistorium in Wiesbaden.
In Wiesbaden behielt es auch nach der Bildung des Herzogtums Nassau 1806 seinen Sitz bis zu seiner Auflösung im Jahre 1816. Auch in Bezug auf die leitenden Beamten und die Kompetenzen und Aufgaben änderte sich 1806 fast nichts. Nur hieß es jetzt nicht mehr 'Fürstliches Konsistorium', sondern 'Herzogliches Konsistorium'. Bis 1816 bestand im Herzogtum ein zweites Konsistorium in Weilburg. Beide Konsistorien waren lutherisch, weil in Nassau-Weilburg 1768 lediglich der Landesherr zur reformierten Konfession übergetreten war, was aber ohne Folgen für die Untertanen blieb. Superintendent in Wiesbaden war bis 1809 Johann Daniel Karl Bickel, in Weilburg ebenfalls bis 1809 Georg Emanuel Christian Theodor Müller, beide waren Lutheraner. Durch die territoriale Neuordnung umfasste das Herzogtum Nassau auch größere reformierte Gebiete, die der Aufsicht der Konsistorien unterstellt wurden. Trotzdem wurde der Zuständigkeitsbereich der Konsistorien nach Verwaltungsbezirken und nicht nach Religionszugehörigkeit einzelner Gemeinden festgelegt. Lediglich für den Aufgabenbereich der Superintendenten war die Religion entscheidend. Nach dem Tod des Superintendenten Bickel 1809 wurde der Superintendent Müller aus Weilburg als Generalsuperintendent nach Wiesbaden berufen, der bisherige Konsistorialrat in Hachenburg und Hofprediger Friedrich Giese als Generalsuperintendent für die reformierten Geistlichen nach Weilburg berufen; er war aber nicht Mitglied des dortigen Konsistoriums, sondern des Konsistoriums in II Wiesbaden. Beide waren ab 1816 noch als außerordentliche korrespondierende Mitglieder der Landesregierung tätig und maßgeblich an der Einführung der Union der beiden protestantischen Kirchen im Herzogtum Nassau 1817 beteiligt. Folgende Institutionen gehörten 1806 bis 1815/16 zum Zuständigkeitsbereich des Konsistoriums: Hospitaldeputation und Waisenhausdeputation in Wiesbaden; Gymnasium, Lehrerseminar und Armendeputation in Idstein; Armenkommission in Neuwied; Verwaltung der Diezer, Gnadenthaler und überrheinischen Stiftungsfonds und Verwaltung des Waisenhauses in Diez; Präsenzen in Idstein, Wiesbaden und Kronberg; Armenbadkasse in Bad Ems.
Auf der Lokalebene gab es folgende nachgeordnete Behörden:
1. Konsistorialkonvente in Altenkirchen, Braunfels, Dierdorf, Grenzhausen (in Selters), Hachenburg, Heddesdorf, Hohensolms, Idstein, Neuwied, Runkel, Schaumburg, Usingen, Wallau, Wiesbaden. Außer Idstein, Usingen und Wiesbaden wurden sie erst 1803 (Wallau und Altenkirchen) bzw. in herzoglicher Zeit gegründet, weil sie größtenteils die Konsistorien aus den neuerworbenen Gebieten ablösten. Ihre Auflösung erfolgte allerdings schon zum Ende des Jahres 1815.
2. Inspektoren bei den Ämtern, in deren Bezirk es keinen Kon- sistorialkonvent gab: Braubach, Katzenelnbogen, Kaub, Diez, Kirberg, Nassau und Wehen. Diese Ämter waren ursprünglich nassau-oranisch, pfälzisch oder mit anderen Staaten ge meinschaftlich. Dort gab es also vor 1806 keine eigenen Konsistorien.
Nach den endgültigen territorialen Regelungen im Wiener Kongress 1815 und der Einführung einer Verfassung im Herzogtum Nassau 1814 wurde Ende 1815/Anfang 1816 eine grundlegende Verwaltungsänderung vorgenommen. Beide Konsistorien wurden aufgelöst, ihre Kompetenzen gingen an die Landesregierung über. Ihr gehörten für den geistlichen Bereich je ein katholischer und ein protestantischer Kirchen- und Oberschulrat an. Dazu kamen noch die beiden General Superintendenten als außerordentliche korrespondierende Mitglieder. Armenfürsorge und Schulaufsicht waren nunmehr rein staatliche Aufgaben. Im Aufgabenbereich der Landesregierung verblieben noch die Waisenkommission und die Hospitalverwaltung. Die Armenversorgung wurde von speziellen Armenkommissionen bei den Ämtern wahrgenommen. Außerdem verloren Konsistorium und Konsistorialkonvente ihre gerichtlichen Funktionen an die ordentlichen Justizbehörden. Nach der Union von 1817 wurden den Generalsuperintendenten jeweils 10 Dekanate unterstellt, wobei es keine Trennung mehr in reformierte und lutherische Pfarreien gab. Zu dieser rein geistlichen Verwaltung gehörten auch das theologische Seminar in Herborn, der Zentralkirchenfonds und der geistliche Witwenkassenfonds. Dem Konsistorium Wiesbaden obliegt die Oberaufsicht über die Kirchen und Schulen, die Aufsicht über das Armenwesen, die nachgeordneten Behörden und Institutionen, über die Verwaltung des Kirchen- und Schulvermögens sowie der Waisenhäuser, Waisenkassen und Armen- und Stiftungskassen. Die Oberaufsicht über die Armen- und Stiftungskassen lag bei der Administrationskommission, bzw. ab 1808 bei der Regierung. Weitere Aufgaben sind die Entschädigung von Pfarrern und Lehrern, die Genehmigung zur Veräußerung von Pfarr- und Schulgütern, die Einrichtung von Konsistorialkonventen und Abgrenzung von deren Zuständigkeiten, Regelung der Einkünfte und Besoldungszulagen, Erteilung von Dispensationen, Festlegung der Kirchenstrafen, Genehmigung von Reparaturen. Außerdem ist das Konsistorium Appellationsinstanz für Prozesse gegen Geistliche und in Ehe- und Schwängerungssachen. An der Spitze des Konsistoriums stand der Direktor August Bernhard Huth, der zugleich auch Direktor des Hofgerichts und der Hospitaldeputation war. Er war seit 1806 auch Mitglied der Geheimen Konferenz in Biebrich. Seine Aufgabe bestand wohl u.a. in der Koordination und Verteilung der Geschäfte. Ansonsten ist die Geschäftsführung im Konsistorium kollegialisch gewesen, wobei Huth sozusagen als 'Primus inter pares' anzusehen ist. Beim Geschäftsgang wurde das Umlaufverfahren angewendet. Registratur und Kanzlei waren mit der des Hofgerichts identisch, ebenso das Personal außer den Generalsuperintendenten und dem Konsistorialrevisor. An Personal gab es außer dem Direktor fünf Räte (die Generalsuperintendenten eingeschlossen), zwei Sekretäre, einen Revisor und zwei Registratoren. Die Generalsuperintendenten waren zuständig für rein geistliche Angelegenheiten und die Besetzung der Pfarr- und Schulstellen. Dazu gehörten u.a. folgende Aufgaben: Disziplinarmaßnahmen gegen Pfarrer und Lehrer, Prüfung derselben, Kirchen- und Schulvisitationen, Auswahl von Predigttexten zu besonderen Anlässen, Beilegung von Differenzen zwischen Reformierten und Lutheranern sowie deren Verhältnisse im allgemeinen. Die Konsistorialkonvente waren die 1. Instanz in Sachen gegen Geistliche und in Ehe- und Schwängerungssachen. Sie führten Kirchen- und Schulvisitationen durch und hatten die unmittelbare Aufsicht über die Pfarrer und Lehrer ihres Bezirks. In den Gebieten, in denen es keine Konsistorialkonvente gab, wurden die gerichtlichen Aufgaben von dem zuständigen Amt, alle anderen Aufgaben von dem jeweiligen Inspektor wahrgenommen.
Die wichtigsten Mitglieder des Konsistoriums (1806 bis 1816)
Johann Daniel Karl Bickel, geb. am 26.6.1737 in Wiesbaden, bis 1792 Hofprediger am nassau-usingischen Hof in Biebrich, 1792 - 1809 Superintendent am Konsistorium Wiesbaden, gest. am 28.6.1809 in Mosbach (Wiesbaden)
Georg Emanuel Christian Theodor Müller, geb. 1766 in Löhnberg, Ausbildung am Gymnasium in Weilburg, Studium in Gießen und Jena, kurzzeitig Landpfarrer, 1789 - 1800 Kollaborator, Konrektor und Prorektor am Gymnasium in Weilburg, 1800 - 1809 1. Pfarrer in Weilburg, Mitglied des dortigen Konsistoriums und Superintendent, 1810 1. Pfarrer, Inspektor, Konsistorialrat und Generalsuperintendent in Wiesbaden, ab 1816 außerordentliches korrespondierendes Mitglied der Landesregierung und Generalsuperintendent in Wiesbaden, 1827 Ernennung zum evangelischen Landesbischof, gest. am 10.12.1836
Friedrich Giese, geb. am 13.1.1760 in Hessisch-Lichtenau, 1781 - 1785 Pfarrer in Marburg 1786 - 1795 Pfarrer in Wetzlar 1796 - 1798 Pfarrer in Marnheim, davon Winter 1796/97 in Worms, 1798 Hofprediger in Weilburg und Konsistorialrat, Errichtung einer reformierten Gemeinde in Weilburg, ab 1800 Erzieher der fürstlichen Kinder bis 1808/09, zugleich Konsistorialrat am Konsistorium in Hachenburg, 1810 - 1827 Generalsuperintendent in Weilburg, ab 1817 unterstand das Seminar in Herborn seiner besonderen Aufsicht, 1827 Rücktritt zugunsten Müllers für das Amt des Landesbischofs, Ernennung zum Geheimen Rat im gleichen Rang wie der Landesbischof, 1816 - 1842 außerordentliches korrespondierendes Mitglied der Landesregierung, gest. am 1.1.1842 in Weilburg
August Bernhard Huth, geb. am 14.10.1742 in Usingen, Ausbildung am Gymnasium in Idstein, Studium der Rechtswissenschaften in Jena und Göttingen, 1768 Anstellung als Kammerprokurator, 1770 Beförderung zum Regierungssekretär bei Hofgericht und Konsistorium, 1778 Ernennung zum Kammerkonsulenten und Geheimen Registrator, 1783 Ernennung zum Rat mit Sitz und Stimme bei der Regierung, 1787 Verleihung des Titels 'Regierungsrat', 1803 Ernennung zum Geheimen Rat und Direktor von Hofgericht und Konsistorium, 1806 Mitglied der Geheimen Konferenz in Biebrich, 1816 - 1826/27 Mitglied des Staatsrates
Christian Friedrich Wurm, geb. 19.12.1749 in Freusburg, Grafschaft Sayn-Altenkirchen, Ausbildung am Gymnasium in Weilburg, Studium der Rechtswissenschaften in Marburg und Erlangen, 1775 - 1803 Amtsverwalter in Freusburg, 1804 Hofgerichts- und Konsistorialrat in Wiesbaden, 1805 Mitglied der Waisendeputation.

Findmittel 

Repertorium von Elisabeth Heinisch, 1981

Online-Datenbank (Arcinsys)

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang 

5,38 lfm

Bearbeiter 

Elisabeth Heinisch, 1981