StadtA KS Bestand B 42

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Internationales Tanzfestival Kassel

Bestandsdaten

Bestandsgeschichte 

Die Unterlagen des „Internationalen Tanzfestivals Kassel“ wurden dem Stadtarchiv im April 2023 von dem Vorsitzenden des ehemaligen Trägervereins des Festivals Movimento e.V. Tanz- und BewegungsArt Kassel, Herrn Achim Rache, angeboten. Die Übernahme erfolgte in Form einer Eigentumsübertragung im Oktober des gleichen Jahres. Der Zugang erhielt die Nummer 2023/14 und wurde unter der Bestandsnummer B 42 verzeichnet.
Der Bestand beinhaltet sowohl schriftliche Dokumente, als auch Plakate, Fotos, DVDs sowie einen Stempel des Vereins. Die Lagerung der Unterlagen erfolgte bei Schriftdokumenten in Stehordnern und Sammelmappen; die audiovisuellen Medien wurden hingegen in CD-Hüllen bzw. Fotoalben abgegeben. Die Plakate befanden sich in einer Plakatrolle. Mit Erschließung der Unterlagen wurden alle in archivgerechte Verpackungsmaterialien umgebettet.
Inhaltlich handelt es sich bei dem Bestand um die Dokumentation des Internationalen Tanzfestivals Kassel; es sind somit allgemeine Verwaltung- und Organisationsunterlagen sowie Werbematerial aber auch Pressemitteilungen zu den einzelnen Festivals enthalten. Für bestimmte Themen (allg. Schriftverkehr/ Förderanträge oder Finanzierung) wurden exemplarisch einzelne Festivals für die Überlieferung ausgesucht. Hinsichtlich des zeitlichen Umfangs decken die Unterlagen sowohl das Internationale Tanzfestival als auch Vorläuferveranstaltungen des Festivals und die in der Pause (2002-2004) durchgeführten Veranstaltungsreihen sowie die Auflösung des Trägervereins Movimento e.V. ab. Damit umfasst die Laufzeit die Jahre 1990-2012.

Geschichte des Bestandsbildners 

Ausgangspunkt der Veranstaltung „Internationales Tanzfestival Kassel“ stellte der Verein Movimento Tanz- und BewegungsArt Kassel e.V. dar, der sich 1990 gründete und in der Anfangszeit aus ca. 25 Mitgliedern bestand. Hintergrund der Vereinsgründung war die Förderung von Kultur, Tanz und Theater in Kassel, u.a. in Zusammenarbeit mit verschiedenen Tänzer:innen, Choreograf:innen und anderen kulturellen Organisationen mit dem Schwerpunkt „Zeitgenössischer Tanz“.
Dazu hatte sich bereits 1989 eine Interessensgemeinschaft von Tanz- und Theaterinteressierten zur Organisation von Workshops, Performances etc. in Kooperation mit anderen Trägern gebildet. Durch die Vereinsgründung wurden die Interessen und Projekte unter einem offiziellen Träger zusammengefasst. So konnten z.B. 1990 und 1991 zwei Tanztage-Kassel in Kooperation mit dem Staatstheater Kassel mit jeweils vier Choreografien auf der Studiobühne „TiF“ sowie verschiedene Tanz-Performance-Projekte wie „Wasser- Marsch“ und „Mimpi Manis – Süße Träume“ in Kooperation mit der Gesamt-Volkshochschule 1991 realisiert werden.

Das Internationale Tanzfestival Kassel war zunächst nur ein Teilprojekt des Vereins und wurde 1992 das erste Mal federführend von der Kulturfabrik Salzmann in Kooperation mit Movimento e.V. im Rahmen des Begleitprogramms der documenta IX organisiert. Es ermöglichte neben einem umfangreichen Bühnenprogramm zudem allen Interessierten die Teilnahme an Workshops zu verschiedenen Ausprägungen des zeitgenössischen Tanzes. Der Verein war dabei sowohl durch zwei Workshops als auch organisatorisch personell eingebunden. Mitglieder der ersten Festivalleitungen waren Anke Hard, Eva-Maria Hoerster, Achim Rache, Gabriele Pestanli sowie Manfred Zalfen.
Die Aufführungen fanden 1992 ausschließlich in der Kulturfabrik Salzmann statt. Ab 1993 wurde zusätzlich das Schauspielhaus und das TiF des Staatstheaters bespielt. Ab 1995 fand das Festival nicht mehr in der Kulturfabrik Salzmann statt, sondern ausschließlich im Staatstheater Kassel und teilweise auch in anderen, alternativen Spielstätten, wie z.B. dem Dock 4. Ab 1997 stand zudem auch die Bühne des Opernhauses zur Verfügung. Ähnlich den räumlichen Veränderungen, änderte sich mit der Zeit auch die Besetzung der Festivalleitung, sodass letztlich nur Manfred Zalfen und Achim Rache das Festival von Anfang an sowohl in künstlerischer als auch in finanziell-organisatorischer Funktion verantworteten.

Bei der Auswahl der Choreograf:innen griff man zunächst auf bestehende Kontakte in der Kunst-/ Tanzszene zurück; der Fokus lag dabei anfangs auf der deutschen Szene. Später stellte man sich breiter auf und durch die gewonnene internationale Popularität bekamen die Veranstalter auch externe Angebote z.B. freier Tanzcompanien, Veranstalter oder Agenturen. Ab dem zweiten Tanzfestival stand dieses in den meisten Fällen auch unter einem Motto, das sich z.B. an einer bestimmten zeitgenössischen Tanzrichtung oder an der Abbildung von spezifischen Tanzrichtungen eines Lands (z.B. Großbritannien) ausrichtete. Die Festivals der Jahre 1995 bis 1998 stand zusätzlich auch unter einer Schirmherrschaft.

1994 und 1995 konnten zwei Ausstellungen mit Tanzfotografien im Dock 4 realisiert werden. Gezeigt wurden Fotos mit Tanzbildern, die während der jeweils vergangenen Festivals in Kassel entstanden und einen Rückblick auf die Festivals und seine Produktion bieten. 1994 firmierte die Ausstellung unter dem Titel „The flow of movement…“; 1995 unter dem Titel „Linse geht tanzen“.

Von 2001 bis 2006 musste das Festival bedingt durch ein Rechtsstreitverfahren des Vereins gegen das Finanzamt Frankfurt am Main wegen Inanspruchnahme der Freistellung ausländischer Ensembles vom Steuerabzug ausfallen. Seitens des Vereins war man davon ausgegangen, dass für die Veranstaltungsreihe Steuerfreiheit gilt, da man sich einerseits auf den Kulturorchestererlass bezog und andererseits in der Annahme wirtschaftete, dass die Finanzierung aus mindestens 1/3 aus öffentlichen Mitteln bestand. Da es sich, wie sich später herausstellte, bei der Kulturstiftung der Sparkasse jedoch um eine private Stiftung handelte, wurde der Verein vom Finanzamt Frankfurt am Main zu einer Nachzahlung von 35.000 DM Steuern (Künstler-Ausländer-Steuern) aufgefordert. Eine weitgehende Einigung in dem Fall wurde erst durch die Urteilssprechung des EuGHs erreicht, sodass ab 2006 das Festival wieder ausgerichtet werden konnte.
Aufgrund aber von generell gestiegenen Kosten für die Austragung des Festivals, bedingt z.B. durch Kostensteigerungen in Folge der Euro-Umstellung, die seit Beginn des Festivals nicht erhöhte Kulturförderung sowie Schwierigkeiten bei der Findung neuer Finanzierungspartner, wurde das Festival nach dem Neustart nur noch im zweijährigen Rhythmus ausgetragen.

Die erzwungene Festivallücke nutze der Trägerverein 2002-2004 für eine eigenständige Veranstaltungsreihe zur Tanzgeschichte und Tanzentwicklung im 20. Jahrhundert. Unter dem Titel „Tanz der Worte – Die Sprache des Tanzes“ wurden 4x5 Veranstaltungen in Kooperation mit dem Staatstheater und der Gesamt-Volkshochschule Kassel u.a. mit Vorträgen und Lectur-Performances realisiert.

Letztlich entschieden die beiden Organisatoren Achim Rache und Manfred Zalfen, das Festival mit der Austragung 2010 einzustellen, da die bisherige Finanzierung nicht mehr ausreichte und andere Wege zu dieser nicht umsetzbar waren. Zudem konnten nach dem 12. Internationalen Tanzfestival, die aus dem o.g. Rechtsstreit verbliebene Zahlungsforderungen des Finanzamtes Frankfurt am Main in Höhe von 4.043,70€ nicht beglichen werden, sodass der Verein seine Insolvenz anmeldete und 2012 offiziell aufgelöst wurde.
Nach der letztmaligen Festivalaustragung 2010, wurden die beiden Organisatoren/ Veranstalter, Manfred Zalfen und Achim Rache, seitens der Stadt Kassel im Nachgang für das intensive ehrenamtliche Engagement für das Internationale Tanzfestival Kassel, ihre innovative Kraft für den zeitgenössischen Tanz und ihre damit verbundenen Verdienste im kulturellen Bereich für die Stadt Kassel gewürdigt.
Am 19. August 2011 wurde beiden daher mit der Goldenen Ehrennadel der Stadt Kassel durch den damaligen Oberbürgermeister Bertram Hilgen überreicht.


Verfasst von Patricia Scheuch, November 2023